Kategorie Klima- & Umweltschutz - 25. Juni 2020

Was kostet uns die Klimakrise?

Kosten des Nicht-Handelns betragen 15 Milliarden Euro – pro Jahr!

Beim Thema Klimawandel und Klimaschutz werden gerne die Kosten wirksamer Klimaschutz-Maßnahmen in den Vordergrund gerückt. Was dabei schnell in Vergessenheit gerät: Wenn wir nicht oder aber zu spät handeln, wird die Rechnung mit großer Sicherheit für uns und die gesamte Welt sehr viel teurer ausfallen. Klar ist nämlich, dass die Auswirkungen der Klimakrise – wie Dürren, Starkregen, Stürme und steigende Wasserpegel – zu erheblichen Wirtschaftseinbußen führen. Erst im vergangenenn Jahr bezifferte eine Studie des britischen Marktforschungsinstituts Economist Intelligence Unit die Folgekosten des Klimawandels für die weltweite Wirtschaft bis zur Mitte des Jahrhunderts mit knapp acht Billionen Dollar (etwa 7,12 Billionen Euro).

© apa

Nun liefert eine aktuelle Studie valide Daten zu den durch die Klimakrise verursachten Kosten in Österreich und wieviel das Land durch ein Nicht-Handeln beim Klimaschutz und eine fortdauernde Bindung an fossile Energieträger jährlich bezahlen muss. Allein im Jahr 2020 werden sich diese Kosten auf 15 Milliarden Euro belaufen, die durch fossiles Wirtschaften und die Auswirkungen des Klimawandels sowohl die heimische Wirtschaft, als auch die Gesundheit der Menschen und in wesentlichen Teilen auch direkt das öffentliche Budget immens belasten. (Eine Aufgliederung der Kosten gibt es weiter unten)

Enorme Kosten für die Gesellschaft

In wenigen Jahren könnte diese Summe sogar auf jährlich 20 Milliarden Euro steigen. Das zeigt die aktuelle Analyse der Universität Graz und der Medizinischen Universität Wien, die im Auftrag des Klima- und Energiefonds und durch die Finanizierung des Klimaschutzministeriums (BMK) zustande gekommen ist. Verursacht werden diese Kosten demnach durch Wertschöpfungsverluste für fossile Importe und umweltschädliche Förderungen. Aber auch wetter- und klimabedingte Schäden sowie Kosten für die Anpassung an den Klimawandel belasten das öffentliche Budget. Schadens- und Anpassungskosten, so die Autorinnen und Autoren, werden in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Sie fordern daher rasches Handeln und sehen auch in der Coronakrise eine Chance – nämlich für klimagerechte Innovationen.

 

„Die Wissenschaft macht einmal mehr deutlich: Schon jetzt verursachen das Festhalten an fossilen Systemen und die Klimakrise enorme Kosten für die Gesellschaft. Wir setzten daher unsere Klima- und Energieziele konsequent um und lenken Konjunkturmaßnahmen in nachhaltige Investitionen für den Standort Österreich. Der Klima- und Energiefonds ist dabei mit seinen Programmen ein wichtiger Partner“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Die Klima- und Energiefonds Co-Geschäftsführer Theresia Vogel und Ingmar Höbarth sehen sich durch die Analyse in der Programmstrategie des Klima- und Energiefonds bestätigt: „Die Klimakrise verlangt Tempo und Maßnahmen auf allen Ebenen. Es braucht Forschung und Innovation zur Standortsicherung, regionale Anpassung an den Klimawandel, konsequente Maßnahmen zur Energieeffizienz und erneuerbare Energien müssen rasch ausgerollt werden.“

Die zentralen Ergebnisse der am heutigen Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierten Analyse „Klimapolitik in Österreich: Innovationschance Corona-Krise und Kosten des Nicht-Handelns“ fasst der leitende Autor Karl Steininger wie folgt zusammen: „Aus der Coronakrise wissen wir, dass rechtzeitiges Handeln unabdingbar ist, um absehbar dramatische Folgen zu vermeiden. Die direkten Schäden, die mit einem weiter ansteigenden Klimawandel verbunden sind, manifestieren sich zwar langsamer als jene dieser Pandemie, sind aber massiver und viel länger anhaltend. Die indirekten Folgekosten eines klimapolitischen Nicht-Handelns sind noch umfassender und auch unmittelbarer spürbar: Wertschöpfungsverluste durch mangelnde Innovation, durch fossile Importe und durch umweltschädliche Unterstützungsmaßnahmen. Die Covid-19-Krise schafft eine einzigartige Chance, staatliche Politik zugunsten nachhaltig gesunder Strukturen zu setzen.“

INFObox: Entwicklungsländer sind vom Klimawandel oft besonders stark betroffen und leiden verhältnismäßig mehr an dessen Folgen. Das Aufschließen der Entwicklungsländer, ihr Wachstum und Wohlstand ist durch die Klimakrise akut gefährdet. Reichere Länder sind dagegen besser in der Lage, sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen.

Der wirtschaftliche Einbruch infolge der Coronakrise ist nach wie vor gravierend und übertrifft jenen der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich. Die Studie betont deshalb auch die Notwendigkeit einer Stimulierung der Nachfrage durch die öffentliche Hand. Investitionen in den Klimaschutz wirkten derzeit doppelt: für die regionale Wirtschaft und Arbeitsplätze sowie für unser Klima.

Mit-Autorin Nina Knittel weist auf die Besonderheiten dieser Situation hin: “Die Covid-19-Krise verdeutlicht wie vulnerabel ökonomische und soziale Systeme gegenüber großflächigen Ausfällen sind. Als kleine offene Volkswirtschaft ist Österreich besonders abhängig von verlässlichen Importzulieferern als auch kaufkräftigen Exportabnehmern. Ein Festhalten an einer fossilen Wirtschaftsstruktur würde Österreichs Wettbewerbsfähigkeit senken, und Klimawandelschäden im Ausland manifestieren sich über Österreichs Außenhandelsbeziehungen mit zumindest 1,5 bis 2 Milliarden Euro jährlichen Schäden für Österreichs Wirtschaft.“

Kernaussagen der Studie

Die Folgekosten durch Nicht-Handeln wären enorm – Wie sich die Corona-Krise als Chance für klimagerechte Innovation nutzen lässt.

Die Covid-19-Krise schafft eine einzigartige Chance, staatliche Politik zugunsten nachhaltig gesunder Strukturen zu setzen – und dies zu geringeren finanziellen, sozialen und politischen Kosten, als das wohl je sonst möglich gewesen wäre. Fossile Energiepreise auf einem Niedrigst-Niveau erleichtern den Abbau umweltschädlicher Subventionen, aber auch eine frühere Einführung der geplanten CO2-Bepreisung. Vorübergehend könnte letztere auch helfen, die durch die Corona-Unterstützungsmaßnahmen stark belasteten öffentlichen Budgets zu sanieren.

Die direkten Kosten durch Nicht-Handeln in der Klimapolitik sind bereits heute beträchtlich und werden zukünftig markant ansteigen – Ein Kurswechsel ist gefragter denn je!

Durch fossile Importe entstehen Wertschöpfungsabflüsse ans Ausland in Höhe von rund acht Milliarden Euro jährlich, umweltschädliche Förderungen kosten das öffentliche Budget rund vier Milliarden Euro jährlich, für Klimawandelanpassung wird von öffentlicher Seite rund eine Milliarde Euro jährlich ausgegeben, wetter- und klimabedingte Schäden liegen aktuell bei zumindest zwei Milliarden Euro im Jahresschnitt. Letztere werden auf zumindest rund sechs bis zwölf Milliarden Euro bis Mitte des Jahrhunderts ansteigen – jeweils im Jahresschnitt. Da die Schäden in der Realität regional und zeitlich stark variieren können (Hochwasser findet nicht in jedem Jahr statt, wenn es jedoch eine Region trifft, sind die Schäden sehr hoch), werden unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft und Wirtschaft nicht nur sehr unterschiedlich betroffen sein, sondern in einzeln Jahren auch weit stärker. Die Berechnung dieser Summe ist darüber hinaus als sehr konservativ zu bewerten. Mehr als die Hälfte der potenziellen Wirkungsketten konnte nicht monetär bewertet werden.

Anpassung an den Klimawandel: Mehr als 5 Millionen Euro für Modellregionen

Das Nicht-Handeln in der Klimapolitik belastet insbesondere auch das öffentliche Budget – konsequente Klimapolitik hilft, den Haushalt in Ordnung zu bringen!

Nicht-Handeln in der Klimapolitik verursacht Mehrausgaben in drei Dimensionen:

  • Mehrausgaben zur Behebung von klimawandelbedingten Schäden sowie Ausgaben für Klimawandelanpassung (inklusive österreichischer Finanzierungsbeiträge auf globaler Ebene).
  • Ausgaben im Falle einer Nichterfüllung der österreichischen Ziele in der EU-Klima- und Energiepolitik sowie
  • Kosten von klimaschädlichen Unterstützungsmaßnahmen, v. a. in den Bereichen Energie und Verkehr.

Den Mehrausgaben stehen zudem geringere Einnahmen gegenüber, die sich ergeben durch:

  • eine durch die Folgen des Klimawandels verminderte Wirtschaftsleistung,
  • mangelnde Innovation sowie
  • einen möglichen Wettbewerbsnachteil, wenn Österreich eine klimaschonende Transformation nicht oder zu spät vollzieht.

Auch wenn sich die einnahmenseitigen Verluste schwer beziffern lassen, wird deutlich, dass die durch Nicht-Handeln in der Klimapolitik entstehende Budgetlücke durch zusätzliche ausgaben- oder einnahmenseitige Maßnahmen geschlossen werden müsste.

Steigende Zukunftsrisiken besonders für Wälder und Gesundheit

Zu den darüber hinaus besonders relevanten Wirkungsketten, für die das steigende Risiko zunehmend evident wird, die jedoch derzeit noch nicht monetär quantifizierbar sind, zählen:

  • Ein erwartetes markantes Ansteigen des Risikos von Waldbränden auch in Österreich, zuzüglich zu den anderen zunehmenden Risiken durch Hitze- und Trockenstress, Baumschädlinge und Starkregen- und Sturmereignisse im Bereich der Forstwirtschaft.
  • Gesundheitliche Folgekosten, wie insbesondere durch zunehmende Verbreitung von Infektionskrankheiten, ein weiteres Vordringen von Überträger-Vektoren wie Stechmücken aber auch potenzielle Gefahren durch das Auftauen des Permafrosts.

Hintergrund

Ein Nicht-Handeln in der Klimapolitik und seine wirtschaftlichen Konsequenzen für Österreich werden in zahlreichen laufenden und abgeschlossenen Forschungsprojekten analysiert. Durch die gegenwärtige Corona-Krise hat das Thema wieder ganz besondere Brisanz erreicht, da die jetzt getroffenen politischen Richtungsvorgaben auch für die Bewältigung der Klimakrise entscheidend sind. Der Bericht fasst die wesentlichen Erkenntnisse aus dieser Forschung zusammen, stellt sie in einen aktuellen Gesamtkontext und geht insbesondere auf folgende Bereiche ein: die Kosten unterlassener Klimapolitik im Zuge des wirtschaftlichen Wiederaufbaus nach dem Corona-Lockdown, die direkten und indirekten gesellschaftlichen Folgekosten von Klimaschäden, die Wirkungen von unterlassener Klimapolitik auf den Staatshaushalt, die Inlandswertschöpfung und den Finanzsektor sowie die gesellschaftlichen Folgekosten von klimaschädlichen Unterstützungsmaßnahmen und mangelnder Innovation.

Die Erstellung der Analyse wurde vom Klima- und Energiefonds beauftragt und im Rahmen seines Klimafolgenforschungsprogrammes ACRP und seines Energieforschungsprogrammes über das BMK finanziert. Die Verfasser gehören zu den namhaftesten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Österreichs: Leitende AutorInnen: Karl W. Steininger und Birgit Bednar-Friedl (beide: Universität Graz, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel und Institut für Volkswirtschaftslehre), weitere AutorInnen: Nina Knittel, Gottfried Kirchengast, Stefan Nabernegg, Keith Williges (alle: Universität Graz, Wegener Center), Roland Mestel (Universität Graz, Institut für Banken und Finanzierung), Hans-Peter Hutter (Medizinische Universität Wien) und Lukas Kenner (Medizinische Universität und Veterinärmedizinische Universität Wien).

Service: Download der Studie unter
http://www.bmk.gv.at/themen/klima/klimaschutz/coin_studie.html
https://doi.org/10.25364/23.2020.1

Weitere Informationen zum Thema: https://klimawissen.uni-graz.at

INFObox: Der Klima- und Energiefonds wurde als One-Stop-Shop 2007 durch die österreichische Bundesregierung ins Leben gerufen und ist die Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft. Er entwickelt in enger Kooperation mit dem BMK Strategien und Förderprogramme für die nachhaltige Transformation des Energie- und Mobilitätssystems und begleitet als einzige Organisation in Österreich den gesamten Innovationsprozess von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung in den Themenfeldern Klima, Energie und Mobilität.

Zwei Klimaschutzmilliarden für Österreich