Kategorie Innovation & Technologie - 8. April 2019
Titanteile aus dem 3D-Drucker für leichtere Flugzeuge
Grazer Materialwissenschafter erforschen, wie Titanpulver zu maßgeschneiderten, leichten Bauteilen geschmolzen werden kann.
Um Treibstoffkosten zu sparen, versuchen Flugzeughersteller, ihre Produkte immer leichter zu bauen. Dabei kommen sie nicht an Leichtbaumaterialien wie Titan, Magnesium oder faserverstärkten Kunststoffen vorbei.
Gleichzeitig ermöglichen neue Produktionsprozesse schlanke, materialsparende Bauteilkonstruktionen. Materialwissenschaftler von Joanneum Research kombinieren beide Ansätze. Im Rahmen des Programms TAKEOFF des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und mittels Förderungen der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) wird im Projekt 3dAeroTiP daran gearbeitet, Bauteile aus einer Titan-Aluminium-Vanadium-Legierung (Ti6Al4V) im 3D-Drucker herzustellen.
Es sind zwei verschiedene Leichtbauteile, an deren Fertigung die Wissenschafter arbeiten: zum einen dem Scharnier der Triebwerksabdeckung eines Airbus 330, zum anderen einem Beschlag für Bremsklappen einer Boeing. „Die zentrale Frage ist, wie man solche Teile leichter und kostengünstiger machen kann, ohne dabei an Lebensdauer und Stabilität zu verlieren“, beschreibt Projektleiter Reinhard Kaindl von Joanneum Research die Aufgabenstellung.
Das eingesetzte Verfahren basiert darauf, die Titanlegierung in Pulverform mittels Laser schichtweise zu verschmelzen. Dazu wird in der Maschine eine Lage Pulver gleichmäßig auf einer Plattform aufgebracht. Ein darüber angebrachter, beweglicher Laser erhitzt dann gezielt jene Stellen, die verfestigt werden sollen.
Grundlage dafür ist ein im Computer erstelltes 3D-Konstruktionsmodell. Sobald eine Metallschicht verschmolzen wurde, senkt sich die Plattform ab, eine weitere Pulverschicht wird aufgebracht, und der Prozess wiederholt sich. Auf diese Weise entsteht sukzessive das fertige Bauteil. Überschüssiges Pulver wird am Ende einfach abgesaugt und kann beim nächsten Bauteil wiederverwendet werden.
Schmelzen statt Fräsen
Obwohl das Verfahrensprinzip im Grunde schon lange bekannt und insbesondere im Bereich der Kunststoffpulver vielfach erprobt ist, gibt es zahlreiche Prozessdetails, an denen man feilen kann, um ein optimales Ergebnis zu erreichen. Etwa die Geschwindigkeit des Lasers oder die Energiemenge, die er lokal in das Pulver einbringt. Auch der Verfahrweg des Lasers über dem Pulverbett lässt sich so anpassen, dass möglichst keine Leerwege zurückgelegt werden.
„Man muss zudem nicht immer nur die gerade aktuelle Pulverlage aufschmelzen, sondern kann auch die darunter liegende noch einmal aufschmelzen“, sagt Kaindl. „Dadurch kommt es zu guten Verbindungen zwischen den Lagen.“ Anpassbar ist auch die Dicke der Pulverschichten. Dickere Schichten lassen sich schneller verschmelzen, erlauben aber weniger Details.
Wenn die Ingenieure alles richtig machen, können sie zu Projektende ein Verfahren vorweisen, das den strengen Zulassungsbedingungen der Luftfahrtbehörden genügt. „Unser Bauteil ist um 13 Prozent leichter als ein klassisch gefertigtes – bei gleicher mechanischer Stabilität“, sagt Kaindl. Klassische Fertigung bedeutet in diesem Fall das Fräsen von Bauteilen aus Metallblöcken. Ein hochpräzises, bewährtes und automatisiertes Verfahren.
Allerdings ist Titan ein schwer zu bearbeitendes Material. Man benötigt dafür Spezialwerkzeuge, die rasch verschleißen. Zudem hat Fräsen den Nachteil, dass dabei viel Verschnitt anfällt: „Beim Fräsen muss man ungefähr 14-mal so viel Material abtragen, wie das gewünschte Teil selbst enthält, um es herzustellen“, so Kaindl. Beim Laserschmelzen dagegen wird lediglich jene Menge Material verbraucht, aus der das fertige Bauteil wirklich besteht. Bei Kosten von umgerechnet rund 45 Euro pro Kilogramm Titan ist das eine relevante Größe.
Gleichzeitig lassen sich mit dem selektiven Laserschmelzen komplexe Geometrien umsetzen, die mittels Fräsen nicht möglich wären. Etwa materialsparende Hohlräume mit Stützstreben. Durch die Summe dieser Vorteile rechnet Kaindl damit, dass die Gesamtkosten eines lasergeschmolzenen Teils um rund 20 Prozent unter denen eines gefrästen liegen könnten.
Überwachen & nachbearbeiten
Geplant ist außerdem, eine Prozessüberwachung zu entwickeln. In der Maschine platzierte Kameras sollen das Schmelzbad und die Oberflächenbeschaffenheit des Titanpulvers permanent kontrollieren. Sobald sich ein Fehler zeigt, könnte man dann den Prozess abbrechen oder – sofern möglich – sofort nachbessern. Etwa indem man eine fehlerhaft bearbeitete Pulverschicht erneut aufschmilzt und nachbearbeitet.
Beteiligt an dem Projekt, das noch bis Sommer 2020 läuft, sind neben Joanneum Research der Flugzeugzulieferer FACC, der Stahlproduzent Voestalpine Böhler Edelstahl, das niederösterreichische Engineeringunternehmen Prime Aerostructures und das Comet-Kompetenzzentrum Cest aus Wiener Neustadt.
Raimund Lang, DerStandard