Kategorie Innovation & Technologie - 28. Juni 2019

Verkehrssicherheit: Verpflichtende Warngeräusche für E-Fahrzeuge ab 1. Juli

Eine Herausforderung der Elektromobilität abseits von Batterien und Reichweite: Die Lautlosigkeit, mit der sie durch die Städte sausen. Elektrisch betriebene Fahrzeuge fahren gerade bei niedrigen Geschwindigkeiten geräuscharm. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen gut, dass Fußgängerinnen und Fußgänger Elektrofahrzeuge erst bei einem weitaus geringeren Abstand angemessen akutisch wahrnehmen, als dass bei Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor der Fall ist.

Am schwersten wog dieser Umstand bisher wohl vor allem für blinde und sehbehinderte Fußgehende, für deren sichere räumliche Orientierung im Straßenverkehr Geräusche und akustische Signale unabdingbar sind.

Das wird sich nun ändern, um eine Gefährdung auch anderer Verkehrsteilnehmenden, etwa von Kindern, Fahrradfahrenden und auch vermehrt unaufmerksamen Personen entgegenzuwirken.

Ab dem 1. Juli 2019 muss in neuen Typen von Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeugen nun ein akustisches Warnsignal installiert sein. Dieses System heißt AVAS, das steht für Acoustic Vehicle Alerting System. „Hintergrund ist eine Verordnung des Europäischen Parlaments, das mit dieser Maßnahme Fußgänger und Radfahrer schützen möchte“, berichtet ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer.

Neu typisierte Elektroautos bis zu einem Tempo von 20 km/h müssen dann ein Warngeräusch von sich geben, das eine ähnliche Charakteristik wie ein Kfz mit Verbrennungsmotor hat.

Außerdem soll durch Lautstärke- und Frequenzänderung hörbar sein, ob ein Fahrzeug beschleunigt oder bremst. Auch die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs
begrüßt die Verordnung.

© NHTSA

Gerade aus ihrer Warte sei es wichtig, den Geräuschpegel im unteren Geschwindigkeitsbereich, in dem das Abroll- und Windgeräusch noch nicht ausreichend vernehmbar ist, um ein künstliches Motorengeräusch zu ergänzen. Dieses wird zu praktisch keiner Erhöhung des Verkehrslärms beitragen und ist eine lebensnotwendige Schutzmaßnahme.

Vorstandsvorsitzender Fürst: “Für blinde und sehbehinderte Menschen ist der verpflichtende Einbau und Verwendung von AVAS ein überlebenswichtiger Sicherheitsaspekt! Die Regelung kann jedoch insofern nur einen Anfang bedeuten, als auch andere geräuscharme bzw. geräuschlose Fahrzeuge akustisch wahrnehmbar gemacht werden müssen!“

Er wies außerdem darauf hin, dass die Vorteile der E-Mobilität unbestritten seien und eine geringere Lärmbelastung auch von blinden und sehbehinderten Menschen begrüßt werde. „Es geht aber in diesem Fall um nichts weniger als die Möglichkeit, ungefährdet und eigenständig im öffentlichen Raum unterwegs sein zu können.“

AVAS können also für die Barrierefreiheit von Verkehrsmitteln, zu der sich auch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) bekennt, einen wichtigen Beitrag leisten.

Das BMVIT hat in sehr konstruktivem Austausch mit den österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbänden an der Erarbeitung der Entwicklung dieses AVAS Konzepts entscheidend mitgearbeitet.

Fragen und Antworten zur neuen Verordnung

Betrifft diese Neuerung alle E-Autos, die im Straßenverkehr unterwegs sind?

Nein. Die Verordnung verpflichtet die Ausrüstung mit AVAS nur bei Fahrzeugen, die ab dem 1. Juli 2019 typisiert werden. Das heißt, dass die meisten E-Autos, die davor zugelassen wurden und das System nicht verbaut hatten, weiterhin geräuschlos unterwegs sein werden und auch nicht nachgerüstet werden müssen. „Es gibt aber einige Hersteller, die nach Bekanntwerden der Anforderungen bereits freiwillig ein AVAS verbaut haben“, so der ÖAMTC-Jurist.

Machen E-Autos mit dem System auch im Stand Geräusche?

Nein. In der Verordnung ist nur vorgeschrieben, dass die Fahrzeuge zwischen dem Anfahren und einer Geschwindigkeit von 20 km/h ein Schallzeichen erzeugen müssen.

Weshalb nur bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h?

Ab Geschwindigkeiten über 20 km/h ist das Abrollgeräusch der Reifen bei modernen Fahrzeugen meistens lauter als der Motor selbst. Ein zusätzlicher Sound darüber hinaus ist für die Verkehrssicherheit nicht mehr relevant und würde lediglich mehr Lärm erzeugen.

Wie klingen die Geräusche?

Das Schallzeichen sollte eindeutig auf das Fahrzeugverhalten (beschleunigen, bremsen) hinweisen und muss mit dem Geräusch eines Verbrenners der gleichen Fahrzeugklasse vergleichbar sein. „Die Hersteller nutzen diese neue Möglichkeit, um ihre Fahrzeuge durch eigene Sounds erkennbar zu machen. Aber auch die UNO hat eine Empfehlung veröffentlicht“, so der Jurist des Mobilitätsclubs.

INFObox: BMVIT und BMNT haben die Neuauflage des Förderpakets E-Mobilität beschlossen. Das Paket umfasst ein Fördervolumen von 93 Mio. Euro für die kommenden zwei Jahre und wird von den Ministerien in Partnerschaft mit dern Automobil- und Zweiradimporteuren sowie dem Sportfachhandel finanziert.