21. August 2018

Warum haben Flugzeuge so kleine Fenster?

Von Alice Grancy

Die Maschine hebt ab, ein kleiner Bub erlebt staunend seinen ersten Flug. Der Vater erklärt ihm die Landschaft von oben, benennt die Berge. Doch dann fragt der Bub: „Warum ist das Fenster so klein?“ – und alle Erwachsenen im Umfeld schweigen. Einmal mehr liefert Kindermund die Anregung für eine Forschungsfrage.

3 Gründe

Holger Friehmelt, Leiter des Instituts Luftfahrt/Aviation der FH Joanneum in Graz, kennt gleich mehrere Antworten. Erstens seien Fenster teuer. Wie bei einem Wohnhaus verursachten größere Scheiben höhere Kosten. Ganz darauf verzichten können die Hersteller aber nicht. „Die Passagiere wollen hinausschauen. Wenn sie die Umgebung sehen, fühlen sie sich wohler und werden weniger leicht reisekrank“, erklärt Friehmelt.

Zweitens muss die Flugzeughaut möglichst glatt sein. „Jede Schraube, Niete oder durch ein Fenster entstehende Unebenheit erzeugt mehr Luftwiderstand, das erhöht den Treibstoffverbrauch.“

Und drittens muss ein Flugzeug sehr unterschiedliche Temperaturen aushalten. „Auf dem Boden in der Sonne kann es sich, so wie ein Auto auf dem Supermarktparkplatz, auf 50 Grad Celsius aufheizen. Erreicht es eine Reiseflughöhe von zehn bis elf Kilometern, müssen die Werkstoffe bis minus 60 Grad Celsius standhalten“, schildert der Wissenschaftler. Die verwendeten Materialien Aluminium und Glas dehnen sich dabei unterschiedlich aus. Dadurch darf jedoch keine Lücke zwischen Fenster und Metallrahmen entstehen: „Das Fenster muss absolut dicht sein.“ Kleinere Fensterflächen verringern das Risiko.

Dass ein Fenster kaputt werde, sei aufgrund der strengen Kontrollen in der Luftfahrt sehr selten. Passiert es dennoch, fällt der Druck in der Kabine rasant ab. Dieser ist außerhalb des Flugzeugs um ein Vielfaches geringer. (Daher wurden die in noch größeren Höhen fliegenden Concorde-Maschinen mit noch kleineren Fenstern gebaut.) Ein Flugzeug stürzt deshalb nicht ab, die Reisenden müssen aber sehr rasch die herabfallenden Sauerstoffmasken aufsetzen. „Es bleiben ein bis zwei Atemzüge, dann wird man bewusstlos“, erklärt Friehmelt. Daher werde stets empfohlen, sich erst um sich selbst und dann um andere zu kümmern. Wieder mit Sauerstoff versorgt, kehren die Kräfte bald zurück.

Eine Scheibe, viele Schichten

Weil die Technologien für Flugzeugscheiben immer besser werden, bauen die Hersteller – etwa bei der Boing 787 oder dem Airbus 350 – mittlerweile auch größere Scheiben ein. Flugzeugfenster bestehen aus mehreren Schichten: Zwischen zwei Scheiben Sicherheitsglas liegt eine UV-Schutzfolie. Die innerste Schicht ist aus Kunststoff. Ein kleines Loch sorgt dafür, dass sie nicht anläuft. Die Fenster sind stets abgerundet, weil sich der Druck so besser verteilt. „Das ist auch bei den Bullaugen eines Schiffs oder in einem U-Boot so, weil Spannungen leichter an Ecken entstehen“, sagt Friehmelt.

Wie in der Luftfahrt sind auch in seiner Forschung Fragen der Sicherheit zentral. Im Vereisungswindkanal etwa wird untersucht, wie sich Eis an Flugzeugen bildet. Dadurch wächst der Widerstand des Flügels, der Auftrieb schwindet. Die Forscher interessiert daher, wie sich das Eis wieder abtrennen lässt. Die entwickelten Rechenmodelle bewähren sich: Auch die amerikanische Weltraumagentur NASA greift auf diese zurück.

Bonusfrage: Warum haben die Flugzeugfenster immer dieses kleine Löchlein?

Ist bestimmt schon allen aufgefallen, die mal an einem Fensterplatz saßen: Das kleine Loch, wie mit einer Nadel ins Glas gestochen. Aber warum ist es da? Ist das Fenster vielleicht sogar beschädigt?

Keine Sorge! Natürlich gehört das Löchlein genau dorthin, denn es erfüllt eine wichtige Funktion: Durch die Öffnung wird der Luftdruck im Inneren des Fensters reguliert, der sich unterwegs ständig ändert.

Zwischen der äußeren und mittleren Scheibe gibt es einen winzigen Abstand, den sogenannten Air Gap. Das Atem-Loch dient als Entlüftungsventil, das den Luftdruck im diesem Hohlraum im Gleichgewicht hält. So sorgt das winzige Loch also dafür, dass die Luft im Steigflug aus dem Air Gap heraus- und im Sinkflug wieder hineinströmen kann. Außerdem schützt es die Scheibe so auch vor dem Beschlagen.Ein paar Millimeter, mit einer Riesenwirkung in der modernen Luftfahrt.