Kategorie Energie - 12. Februar 2024

Weg von Abhängigkeiten: Diversifizierungspflicht soll Anteil russischen Gases senken

Österreich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in massivem Ausmaß von russischen Gaslieferungen abhängig gemacht. Der letzte große Schritt in diese Abhängigkeit war die Verlängerung der langfristigen Lieferverträge für russisches Erdgas im Jahr 2018. Diese falschen Entscheidungen haben dazu geführt, dass Österreich zu Beginn des russischen Angriffskrieges bereits 80 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland bezog – und dieser Wert trotz sinkendem Gasverbrauchs zuletzt noch weiter anstieg.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren bereits Maßnahmen gesetzt, um diese Abhängigkeiten zu reduzieren. Dazu gehören beispielsweise die Unterstützung der gemeinsamen europäischen Gaseinkaufsplattformen oder das Gasdiversifizierungsgesetz.

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Trotzdem ist der Anteil von russischem Erdgas in Österreichs Speichern weiterhin auf sehr hohem Niveau geblieben. Während dieser ab Sommer 2022 über einen längeren Zeitraum deutlich gesunken war, konnten wir in den vergangenen Monaten wieder einen Anstieg beobachten. Im Dezember 2023 kletterte der Russengasanteil bis auf 98 Prozent, was einen absoluten Höchststand seit Beginn des russichen Angriffskriegs markierte und gleichzeitig auch bewies, dass die Akteure am liberalisierten Gasmarkt zu geringe Anstrengungen unternehmen, um unsere Abhängigkeit zu reduzieren.

„Unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas gefährdet den Wohlstand, die Sicherheit und die Zukunft unseres Landes. Unser Ziel ist: Raus aus russischem Erdgas. Wir können es als souveränes Land nicht einfach hinnehmen, dass der Anteil des Russengases steigt anstatt zu sinken“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Maßnahmenpaket vs. Russland-Abhängigkeit

Ein weiterer Grund für diese Entwicklung ist, dass in den Lieferverträgen der OMV eine fixe Abnahmeverpflichtung, eine sogenannte Take-or-Pay-Klausel  vereinbart ist. Es müsste also in jedem Fall gezahlt werden, selbst wenn kein russisches Gas abgenommen wird. Durch diese Knebelverträge kommt es bei insgesamt sinkendem Gasverbrauch und gleichbleibenden Importmengen zu einem höheren Anteil an russischem Erdgas. Denn der Gasverbrauch in Österreich ist von 100,3 Terawattstunden im Jahr 2021 auf 75,6 Terawattstunden im Jahr 2023 um ein Viertel gesunken.

Die hohe Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen stellt für Österreich nicht nur ein großes wirtschaftliches sondern auch ein sicherheitspolitisches Risiko dar. Die vergangenen beiden Jahre haben bewiesen, dass Russland Energielieferungen als Waffe einsetzt und damit für Verunsicherung, Teuerung und Destabilisierung sorgt. Schon 2022 hat Gazprom einseitig die Liefermengen reduziert und damit für einen massiven Preisanstieg am österreichischen Gasmarkt gesorgt. Es ist deshalb für die Sicherheit unseres Landes unerlässlich, die Unabhängigkeit unserer Energieversorgung zu stärken.

Gewessler sieht hier aktuell ein „klares Marktversagen“. Es gäbe genug nicht-russisches Erdgas, aber die Energieunternehmen würden dieses nicht kaufen. „Wenn der Markt versagt, muss der Staat eingreifen. Ich bin der Überzeugung: Die Zeit für eine gesetzliche Diversifizierungspflicht ist gekommen. Und ich appelliere auch an alle Verantwortlichen im Parlament – setzen wir nun den nächsten Schritt.“

Nachdem die Marktteilnehmenden in diesem Bereich ihre Verantwortung nicht ausreichend wahrnehmen, schlägt das Klimaschutzministerium (BMK) weitere Maßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit vor. Die gesetzlichen Vorschläge brauchen eine Verfassungsmehrheit im Parlament. Eine rasche und umfassende Diskussion über die nächsten Schritte im Interesse der Sicherheit Österreichs wird von den Expertinnen im BMK aber für dringend notwendig angesehen. Die erforderlichen Grundlagen aus ihrer Sicht wären daher:

  1. Diversifizierungspflicht für Gasversorger

Ein wichtiger Grund für die hohe Abhängigkeit ist die Tatsache, dass die Energieversorger weiterhin russisches Erdgas kaufen. Das passiert oftmals nicht nur über direkte Lieferverträge, sondern auch über die Gasbörse. Dabei überwiegen ökonomische Interessen über der Verantwortung für eine sichere Energieversorgung.

Die letzten Monate zeigen, dass das aktuelle Marktversagen einen staatlichen Eingriff erforderlich macht. Auch die neuen Regeln zum Gasmarkt, die aktuell auf EU-Ebene finalisiert werden, geben den Mitgliedsstaaten nun die Möglichkeit, Lieferungen aus Russland einzuschränken.

Aus diesem Grund sollen Energieunternehmen, die österreichische Kundinnen mit Erdgas versorgen, durch das Gaswirtschaftsgesetz verpflichtet werden, den Ausfall der größten einzelnen Bezugsquelle durch andere Bezugsquellen ersetzen zu können. Das bedeutet, der Ausfall des größten Lieferanten, muss jederzeit durch andere Lieferverträge kompensiert werden können. Damit gelten gleiche Regeln für alle Marktteilnehmen – und Versorger, die sich schon heute absichern, haben dadurch keinen Nachteil mehr.

Des Weiteren müssen die Gasversorger einen schrittweise ansteigenden Anteil an nicht-russischem Erdgas nachweisen. Somit stellen wir sicher, dass tatsächlich immer größere Mengen an nicht-russischem Gas nach Österreich gelangen. Eindeutig erfüllt werden kann der Nachweis, dass es sich nicht um russisches Gas handelt, etwa durch die Beschaffung über die gemeinsame EU-Einkaufsplattform AggregateEU.

  1. Vorbereitung eines Ausstiegs aus Russland-Verträgen

Auch der Knebelvertrag zwischen OMV und Gazprom, der fixe Abnahmeverpflichtungen für russisches Gas vorsieht, ist ein Grund für die hohe Abhängigkeit. Für einen Ausstieg aus russischen Gaslieferungen, wie er in Österreich und auf EU-Ebene vorgesehen ist, gilt es, alle Möglichkeiten zur Beendigung des Vertrags zu prüfen und umzusetzen.

Schon im Jahr 2022 hat Gazprom einseitig die Lieferungen reduziert. Mit dem Auslaufen des Transitvertrags über die Ukraine besteht nun einmal mehr die Gefahr, dass Russland die Gaslieferungen als Waffe einsetzt und nicht im vorgesehen Umfang liefert. Deswegen unterstützt das Klimaschutzministerium alle Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem Gasliefervertrags aufgrund der einseitigen Nicht-Erfüllung durch Gazprom.

Denn eine möglichst rasche Beendigung der Knebelverträge ist jedenfalls im Sinne der Versorgungssicherheit und ökonomisch vernünftig. Um die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, wird das Klimaschutzministerium das Wirtschaftsforschungsinstitut mit einer Analyse der wirtschaftlichen Gefahren einer längeren Abhängigkeit sowie den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Vertragskündigung beauftragen.

  1. Sicherheitsstrategie soll Ausstieg aus Russen-Gas verankern

Es braucht einen unverzüglichen Beschluss der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie. Spätestens mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wurde das hohe Risiko der Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland schmerzhaft spürbar. Russland setzt seine Energieexporte gezielt als Waffe ein.

Das ist für Österreich besonders gefährlich, weil über Jahrzehnte keine Maßnahmen gegen eine wachsende Abhängigkeit ergriffen wurden. Deswegen soll in der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie die unabhängige Energieversorgung entsprechend berücksichtig werden. Das betrifft die vollständige Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen genauso wie die Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten von anderen Ländern in Zukunft.

Das BMK hat seinen Beitrag zur neuen Sicherheitsstrategie bereits erarbeitet. Nun braucht es einen raschen Beschluss der gesamten Strategie um die Sicherheitspolitik auf stabile Beine zu stellen – von militärischen Aspekten bis zur Energieversorgung.

Nächste Schritte

Das BMK wird diese Punkte nun nachdrücklich weiterverfolgen und die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zur Verankerung der Diversifizierungsverpflichtung für die Gasversorger erarbeiten. Die parlamentarische Beschlussfassung braucht voraussichtlich eine Verfassungsmehrheit. Daher sind nun alle Beteiligten in Österreich aufgerufen, im Interesse der österreichischen Unabhängigkeit weitere Schritte zu setzen.