Kategorie Klima- & Umweltschutz - 20. März 2023

»Gefahr für das Wohlergehen von Mensch & Umwelt« – Weltklimarat legt Abschlussbericht vor

Vertreter aus Politik und Wissenschaft stritten in der Schweiz tagelang über die Grundlagen für kommende Klimaverhandlungen – nun gibt es ein Ergebnis – und von den österreichischen Co-Autor:innen einen klaren Auftrag für die Politik.

Der Weltklimarat (IPCC), einst vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ins Leben gerufen, hat sein Abschlussdokument des 6. Sachstandszyklus veröffentlicht. In dem Zyklus sind seit 2018 sechs Einzelberichte erschienen, die alle Erkenntnisse der modernen Klimaforschung zusammenfassen und für Entscheidungsträger:innen pointiert präsentieren.

Die Kernaussagen sind klar: der Klimawandel schreitet rascher voran als erwartet und die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die Erwärmung auf 1,5 oder zumindest auf weniger als 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Ärmere Länder brauchen viel mehr finanzielle Unterstützung, um klimaschädliche Emissionen zu vermeiden und sich für die bereits stark gestiegenen Risiken von Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen zu wappnen.

Auswirkungen auch in Österreich deutlich spürbar

In Österreich bekommt just dieser Bericht zusätzliche Aktualität: Fällt er doch in eine Zeit, in der es selbst an höchster Stelle für das Verständnis für die Dringlichkeit der Herausforderungen und auch das wirtschaftliche Potential der Lösungen zu fehlen scheint. In einer selbsterklärten „Zukunftsrede“ hatte zuletzt der Bundeskanzler den menschengemachten Klimawandel heruntergespielt und vor einem Untergangsirrsinn gewarnt – wohl in Anspielung an ein umstrittenes Buch eines noch umstritteneren US-Publizisten, dem von Klimaforschenden bereits mehrmals grob fehlerhaftes Arbeiten nachgewiesen werden konnte und der zudem auch als Lobbyist für Atomkraft in Erscheinung tritt.

Dem entgegen steht der nun als wissenschaftlich gesetzt geltende, im IPCC Synthesebericht zusammengefasste, derzeitige Stand des Wissens zum Klimawandel, seinen Auswirkungen und den nötigen Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen. Basierend auf den Einzelberichten des IPCC der letzten drei Jahre ist damit nun ein Referenzwerk geschaffen, auf das sich Entscheidungsträger:innen in der ganzen Welt in den nächsten Jahren stützen werden.

„Nicht nur die Wissenschaft ist hier sehr klar. Die Klimakrise spüren wir alle auch in Österreich“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Im Kampf dagegen müssten alle gemeinsam mutig und entschlossen handeln. Das bedeutet auch, „die Klimakrise und die Sorgen der Menschen in Österreich ernstzunehmen“, damit Österreich weiterhin lebenswert bleibt. „Das sollte auch der Kanzler tun“, so Gewessler.

„Wir müssen uns dazu bekennen, die Nutzung fossiler Brennstoffe zu beenden. Jede Tonne Kohle die wir verbrennen, heizt die Klimakrise weiter an. Je schneller wir damit Schluss machen, desto besser“, rief Gewessler dazu auf, die „fossile Vergangenheit“ zu überwinden.

Am aktuellen Bericht des IPCC beteiligt sind auch österreichische Autor:innen, die sich über die Klimaforschungs-Plattform Climate Change Centre Austria (CCCA) vernetzen und auch das Klimaschutzministerium (BMK) über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und der Handlungsoptionen für die Transformationen zu einer klimaneutralen und klimafitten Gesellschaft beraten. Sie betonen unisono, dass die globalen Entwicklungen und Herausforderungen auch Bedeutung für das Geschehen und Handeln in Österreich haben. Es seien „alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betroffen“, nicht nur was den Klimawandel selbst, die rapide ansteigenden Risiken, teilweise irreversiblen Veränderungen und Extremereignisse, sondern auch „was Österreichs Wirtschaft betrifft, die durch globale Lieferketten eng mit anderen Regionen der Erde verknüpft ist“.

Fest steht: Die globale Erwärmung schreitet mit all ihren Auswirkungen weiterhin nahezu ungebremst voran. Auch in Österreich sind die Folgen des menschengemachten Klimawandels von Jahr zu Jahr stärker spürbar. 2022 war das zweitwärmste Jahr in der Messgeschichte Österreichs mit Temperaturen, die um 2,3 °C höher lagen als der langjährige Durchschnitt.

Viele Menschen, vor allem ältere und kranke Personen, leiden bereits heute unter den intensiveren Hitzeperioden. Die Intensität und Häufigkeit von Wetterextremen und Unwettern steigt, Dürren häufen sich, Gletscher schmelzen und verschwinden, den Schigebieten schmilzt der Schnee und somit ihre finanzielle Grundlage weg – auch in Österreich. Seen und Flüsse trocknen aus und bedrohen unsere Trinkwasserversorgung und die Energieversorgung, die sehr stark auf Wasserkraft basiert.

Veranstaltungstipp Der globale Wissensstand zum Klima: Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Synthese aller Teilberichte des sechsten Berichtszyklus werden im Rahmen eines Symposiums an der ÖAW am 24. März, 2023 ab 10:00 Uhr in deutscher Sprache präsentiert. Das Symposium mit dem Titel „Synthese des 6. IPCC Sachstandsberichts“ wird von der Kommission Klima und Luftqualität der ÖAW gemeinsam mit dem CCCA (Climate Change Centre Austria), dem Klimaschutzministerium (BMK) organisiert. Führende Autor:innen des IPCC werden die wichtigsten Ergebnisse der Berichte vortragen und Fragen der Teilnehmenden beantworten. Details und Anmeldung finden Sie auf der Kommission Klima und Luftqualität der ÖAW.

„Der Klimawandel ist global, national und regional spürbar und es muss ihm auf allen Ebenen begegnet werden“ halten die Klimaforschenden des CCCA fest. Der Bericht lasse keine Zweifel darüber offen, dass der Klimawandel „in vollem Gang ist, bereits heute massive negative Auswirkungen hat und dass diese mit jedem weiteren Zehntel Grad Erwärmung weiter zunehmen werden“.

Sie sehen auch die bisherigen Bemühungen, den Klimawandel zu mindern, überaus kritisch. Die bisher gesetzten Maßnahmen verfehlten demnach eine Stabilisierung des Klimas bei +1,5 °C und 2 °C deutlich. „Anpassungsstrategien sind weitgehend unzulänglich, da fragmentiert, inkrementell, sektor-spezifisch und regional ungleich verteilt“, so ihre Einschätzung. Kleinbauern und Haushalte an niedrig-liegenden Küsten sowie einige Ökosysteme in den Tropen, an Küsten, in den Polargebieten und in Gebirgen hätten die Grenzen ihrer Anpassungsmöglichkeiten bereits erreicht und bei weiterer Erwärmung würden diese immer mehr werden.

Noch ist es nicht zu spät

Somit ist der fortschreitende Klimawandel eine Gefahr für das Wohlergehen der Menschheit und ihrer Umwelt. „Das Fenster zur Sicherung einer erträglichen und nachhaltigen Zukunft für alle schließt sich sehr schnell. Unmittelbare und weitreichende Transformationen in allen Sektoren und Gesellschaftssystemen sind notwendig, um die Emissionen von Treibhausgasen zu drosseln. Vorhandene effiziente und kostengünstige Optionen dafür müssen schnell umgesetzt werden“, lautet das Fazit der Forschenden.

Auch die aktuellen österreichischen Maßnahmen reichten momentan nicht aus, um den erforderlichen nationalen Beitrag zur Emissionsreduktion und zur Stabilisierung des Klimas zu leisten. Das BMK arbeitet deshalb mit Hochdruck an der Beschleunigung der Energiewende und an einer nachhaltiger Energieautonomie. Auch die Arbeit an einer grünen Verkehrswende, einer transformative Innovationspolitik und die Umsetzung einer Biodiversitätstrategie 2030+ sowie einer Kreislaufwirtschaftstrategie sollen die notwendigen Hebel in Gang setzen, um die Klimaziele weiterhin zu erreichen.

Ohne diese Maßnahmen würden wir unsere Lebensgrundlagen und Versorgungssicherheit zusehends gefährden. Dennoch bleibt der Blick in die Zukunft auch aus Sicht der Wissenschaftler:innen vorsichtig optimistisch: „Noch haben wir die Möglichkeit, gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Dafür brauchen wir positive Zukunftsbilder. Sie helfen uns, handlungsfähig zu bleiben und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, damit Österreichs Natur intakt und die heimische Wirtschaft erfolgreich bleibt.“ Gleichzeitig warnen sie jedoch davor, „die Augen vor unbequemen Fakten zu verschließen“, da wir beides bräuchten: „Hoffnung und Realitätssinn“.

Hintergrund: Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – oder auch Weltklimarat – ist eine Institution der Vereinten Nationen. Er wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. In seinem Auftrag tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. Der IPCC bietet Grundlagen für wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen, indem er unterschiedliche Handlungsoptionen und deren Bedeutung aufzeigt, ohne jedoch konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder Handlungsempfehlungen zu geben. Der IPCC erstellt regelmäßig Berichte über das aktuelle Wissen zum Klimawandel, in denen die besten wissenschaftlichen Informationen zusammengestellt und bewertet werden. Ziel ist es, Regierungen und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, bestinformierte Entscheidungen treffen zu können. Die Mitgliedsländer sind an der Begutachtung intensiv beteiligt und müssen der Veröffentlichung der Berichte zustimmen. Dadurch haben seine Aussagen ein hohes politisches Gewicht und sind eine der Grundlagen im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen. Die Reputation dieser Organisation ist vor allem auf die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik und auf eine der Grundsätze der Arbeit begründet, nämlich zwar politikrelevant, aber trotzdem politikneutral, niemals jedoch „policy-prescriptive“ zu sein.