Kategorie Innovation & Technologie - 23. Juli 2016
Wenn der Weg das Ziel ist
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, heißt es. Oder anders gesagt: Wer zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist, hat womöglich mit unangenehmen Folgen zu rechnen. Passiert das in der Welt der industriellen Abläufe von Produktionen oder in Verteilerzentren von Logistikfirmen, entstehen hohe Kosten, etwa durch Maschinenstillstände oder Falschlieferungen. Informationslogistikerin Susanne Altendorfer-Kaiser forscht als Assistenzprofessorin am Lehrstuhl für Industrielogistik der Montanuniversität in Leoben an Anwendungen für die Automobilindustrie und andere Branchen, in denen produzierte Komponenten und Informationen zum richtigen Zeitpunkt und in der geforderten Qualität von Maschine A zu Maschine B gehen müssen.
Beauftragt ein Unternehmen den Lehrstuhl mit einer Analyse, erhebt die Forscherin in einem ersten Schritt den Istzustand: Sie beobachtet die Abläufe und Wege der Teile, vor allem die notwendigen Daten und Informationen innerhalb der Arbeitsprozesse. Altendorfer-Kaiser dokumentiert sie und modelliert die Ergebnisse mithilfe eines Softwarewerkzeugs am Computer. „Dabei kann ich neue Zusammenhänge für Optimierungsmaßnahmen erkennen, die den Informationsfluss verbessern und somit die Effizienz steigern“, sagt die 33-Jährige.
Die richtigen Daten vernetzen
Die erfassten Daten gleicht sie mit den vorhandenen des Prozesses ab. Bei der Informationslogistik gehe es darum, die richtigen Daten miteinander am richtigen Ort zu vernetzen und zu liefern. Damit ein optimaler Arbeitsablauf daraus resultiert. „Meistens versucht man, nicht gravierend in die bestehende Datenstruktur einzugreifen, sondern sie nur zu modifizieren. Sind zum Beispiel schon kleine individuelle Softwareprogramme ausreichend, können diese Programmierungsaufgaben durchaus von Studenten der Industrielogistik erstellt werden“, so die Forscherin. Auf die Frage, ob es mit der Informationslogistik einen Bezug zur „Industrie 4.0“ gibt, meint sie, dass dieser Begriff noch sehr unspezifisch sei. Dabei entstünden enorm viele Daten mit unterschiedlicher Sensorik, die in Echtzeit zur Verfügung stehen müssen. So gesehen sei die Informationslogistik als ein Teil von „Industrie 4.0“ zu sehen: Vor allem wenn es um Cyber-Physical-Systems geht – die Kommunikation von Maschine zu Maschine.
Die Doktorin für Wirtschaftsinformatik wurde heuer vom Technologieministerium zur Femtech-Expertin des Monats März gewählt. Damit wurde sie für ihre Forschungsarbeit sowie für den Aufbau des Logistiklabors Logi-Lab zu Jahresbeginn belohnt. Herzstück des Labors ist die KiSoft-Vision-Datenbrille, die das steirische Logistikunternehmen Knapp entwickelte und für Forschungszwecke zur Verfügung stellte. Der große Nutzen der Laborarbeit sei es, mit der Datenbrille neue Anwendungsgebiete und moderne logistische Konzepte in der Praxis zu erforschen und zu simulieren.
In klassischen Lagern werden die Waren meistens manuell zusammengestellt. „Das passiert ganz einfach über einen Kommissionierauftrag, nach dem der Lagerbedienstete die Artikel für den Versand vorbereitet“, sagt Altendorfer-Kaiser. In großen Logistikzentren komme hinzu, dass es für neue Mitarbeiter schwierig sei, den richtigen Lagerort in der angemessenen Zeit zu finden. Die Datenbrille zeigt dem Kommissionierer die Informationen des Auftrages direkt in seinem Blickfeld an. Eine solche Kommissionierung mithilfe einer computergestützten Wahrnehmung bezeichnet man auch als Augmented Reality, als erweiterte Realität. Somit weiß der Kommissionierer, welches Produkt er aus dem Lager holen soll und wo es sich befindet. Die Brille unterstützt zusätzlich bei der Orientierung ähnlich einem Navi. „Der Vorteil der ,Cyber-Reality‘ besteht darin, dass fehlerfreies Arbeiten möglich ist und dass neue zusätzliche Services angeboten werden können“, erklärt Altendorfer-Kaiser.
In ihrer Rolle als Femtech-Expertin sei ihr wichtig, den Mädchen in der Schulausbildung das breite Spektrum der technischen Berufe aufzuzeigen. Auch seien die Synergien bei wirtschaftlichen Ausbildungszweigen oftmals nicht bekannt, so die Forscherin. Bei ihr selbst weckte das Vertiefungsfach Informatik in der Oberstufe eines neusprachlichen Gymnasiums das Interesse für IT-Technik. „Ich erkannte, was man mit dem Computer alles tun kann und fand das sehr spannend“, sagt Altendorfer-Kaiser. Trotz all der Automatisierung im Beruf nutzt sie im privaten Haushalt wenig „Spielereien“: Diesen organisiere sie noch immer sehr traditionell, sagt sie schmunzelnd. (Von Wolfgang Dorner, Die Presse)