25. März 2015

Wenn sich die Donau eingräbt

Wien – Sie liefert elektrischen Strom, ohne die Luft zu verpesten. Sie dient als Transportweg, auf dem jährlich Millionen Tonnen Güter bewegt werden. Gleichzeitig soll sie als Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen dienen. Die Ansprüche, die an die Donau gestellt werden, sind nicht einfach unter einen Hut zu bekommen. Um die Vorgaben der Wasserkraft, der Schifffahrt und der Ökologie bestmöglich vereinen zu können, muss man zuerst die natürlichen und menschengemachten Prozesse im und rund um den Fluss verstehen. Genau damit beschäftigt sich das Christian-Doppler-Labor „IM Fluss“ (Innovative Methoden in Fließgewässermonitoring, Modellierung und Flussbau).

Seit mehreren Jahren arbeiten Forscher in dem an der Wiener Boku eingerichteten Doppler- Labor in Kooperation mit der Österreichischen Wasserstraßengesellschaft Via Donau und dem Unternehmen Uwitec daran, Faktoren wie Sedimenttransport, Sohlenbeschaffenheit und Fließgeschwindigkeiten zu untersuchen. Das soll bei der Planung neuer Baumaßnahmen und Renaturierungen helfen. Als Vorzeigemodell einer Kooperation zwischen Forschung und Wirtschaft wurde das Labor vor kurzem mit dem science2business Award des Wissenschaftsministeriums ausgezeichnet.

Ein Sohldurchschlag wäre dramatisch

„Die Donau östlich von Wien gräbt sich pro Jahr um zwei Zentimeter weiter ein. In den letzten Jahrzehnten wurde das Flussbett um einen Meter tiefer“, sagt der Leiter des Labors, Helmut Habersack, der gleichzeitig dem Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau der Boku vorsteht. Die Eintiefung hat etwa zur Folge, dass der Grundwasserspiegel sinkt und Ufersicherungen und Brückenpfeiler unterspült werden. Dramatisch wäre ein Sohldurchschlag, also wenn der Schotter vollends weggespült und sich die Donau im Sediment darunter, dem Wiener Tegel, canyonartig eingraben würde. „Beim Hochwasser 2002 bildeten sich bei einem Sohldurchschlag in der Salzach in wenigen Stunden Erosionsrinnen von bis zu fünf Meter Tiefe“, erinnert sich Habersack. Das will man in der Donau verhindern.

Für die Schifffahrt wären schmälere Fahrrinnen sowie Turbulenzen, die dadurch entstehen, ein Problem. Die Forscher haben spezielle Methoden entwickelt, um den Vorgängen im Flussbett auf die Spur zu kommen. Der Sedimenttransport wird etwa mit künstlichen, mit Sendern versehenen Steinen gemessen. Lanzen, die in die Donausohle gerammt und mit flüssigem Stickstoff gefüllt werden, lassen Steine und Wasser anfrieren. Das in Scheiben geschnittene Eis-Schotter-Gemisch zeigt die genaue Kornverteilung. Alle Daten fließen in Modelle ein, aus denen etwa die ideale Steingröße abgeleitet wird, mit der man das Flussbett bestücken muss.

Derzeit werden noch hunderttausende Tonnen Kies in die Donau gekippt, was die Eintiefung östlich Wiens aber nicht vollends stoppt. Die Methode sei weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig, weil das Material beim Kraftwerk Gabcíkovo in der Slowakei wieder herausgebaggert und dort weiterverwendet werde, so Habersack.

Neben der Eintiefung kümmern sich die Forscher um eine Reihe weiterer Themen rund ums fließende Wasser. So sollen die ökologischen Folgen des Schwalls bei Speicherkraftwerken – also der kurzfristigen Erhöhung des Wasserspiegels beim Einschalten der Turbine – abgemindert werden. Oder man testet die schwimmenden Strombojen des neuen Firmenpartners Aqualibre. Als „moderne Wasserräder“, die im Flussboden verankert sind, könnten sie Kraftwerke in sensiblen Abschnitten wie der Wachau ergänzen.

Der Fluss im Labor

Habersack arbeitet zudem intensiv an der Vernetzung der europäischen Donauforscher. Im Rahmen des Projekts Dream (Danube River Research and Management) werden bestehende Labore verbessert, lückenlose Messnetze aufgebaut und Anschaffungen wie ein eigenes Forschungsschiff getätigt. In Wien entsteht etwa ein großes Labor, bei dem Wasser für Experimente ohne Pumpen durch einen künstlichen Kanal geführt wird. Habersack: „Die Donau selbst durch das Labor fließen zu lassen, ist für uns einzigartig.“

Gleichzeitig mit dem science2business Award wurde auch der vom gleichnamigen Unternehmen gestiftete Janssen Special Award vergeben. Er ging an eine Forschergruppe um Pidder Jansen-Dürr von der Universität Innsbruck, die gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen Mikrogen einen Test zur Früherkennung von Zervixkarzinomen entwickelt. Im zugrunde liegenden Projekt Pipavir wurde ein Biomarker gefunden, der auf eine beginnende Tumorentstehung am Gebärmutterhals hindeutet. Der science2business Award ist mit 8000, der Janssen Special Award mit 4000 Euro dotiert. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 25.3.2015)


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