Kategorie Innovation & Technologie - 5. Januar 2016

Wie der Roboter andere Maschinen verdrängt

Wien – In der Vielzahl unterschiedlicher Werkstoffe, Werkzeuge und Gerätschaften, die sich in den Hallen der Dependance des Instituts für Fertigungstechnik der Technischen Universität Wien in der Engerthstraße türmen, lassen sich die hier befindlichen Roboter für das ungeschulte Auge auf den ersten Blick kaum ausmachen. Hauptsächlich bestehend aus grellorangen Greifarmen, haben sie kaum humanoide Züge. Selbst dem Experten fällt es schwer, eine klare technische Unterscheidung zwischen Roboter und Maschine zu machen: „Es gibt keine klare Definition von Robotern, da ist sich auch die Fachliteratur uneins“, sagt Florian Pauker, Uni-Assistent am Institut für Fertigungstechnik.

Pauker arbeitet seit vier Jahren mit Robotern, derzeit beschäftigt ihn vor allem die Frage, wie Produktionsprozesse auf Roboter ausgelagert werden können, ein Thema, zu dem eigenes Team des Instituts arbeitet. Dabei geht es nicht vordergründig darum, menschliche Arbeitskräfte zu ersetzen, sondern vor allem andere Maschinen wie Werkzeugmaschinen. Nicht weil Roboter besser sind – aber um einiges billiger. „Eine große Werkzeugmaschine kostet 700.000 Euro, ein großer Roboter 70.000 Euro“, sagt Pauker. Doch die geringeren Kosten haben auch ihren Preis: Der Roboter hat eine Genauigkeit von einem Zehntelmillimeter, die Werkzeugmaschine ist hundertmal so genau. Ein Vorteil des Roboters ist wiederum, dass er flexibler einsetzbar ist.

Mit dem Versuch, Fertigungsprozesse von Robotern erledigen zu lassen, leitet das Institut für Fertigungstechnik auch Vorarbeit für das technische Paradigma „Industrie 4.0“. In dieser Vision sollen statt Menschen vor allem Roboter und andere Maschinen, die miteinander in Kommunikation stehen, Fertigungsjobs in zukünftigen Fabriken übernehmen. Während Kritiker meinen, dass der Mensch dann nur mehr als Zaungast anwesend ist, meint Pauker, dass auch in der Industrie 4.0 „der Mensch der Dirigent der Wertschöpfung bleibt, unterstützt von technischen Lösungen“.

Maschinenkommunikation

Am Wiener Getreidemarkt und in der Engerthstraße entwickelt Pauker mit seinem Team etwa taugliche Software für die Kommunikation zwischen verschiedenartigen Maschinen. Dazu dient etwa der größte Roboter an diesem Standort: Der über einen Meter große Greifarm ist in einem derzeit laufenden Test darauf ausgelegt, Plastikteile mit beliebiger Krümmung zu biegen. Dieser Fertigkeit gilt allerdings nicht das vordergründige Interesse der Ingenieure. Der Roboter wird dazu verwendet, um Softwareschnittstellen zwischen Robotern und Werkzeugmaschinen zu entwickeln und zu testen.

Sobald Pauker mit seinen Kollegen eine Lösung gefunden hat, wird diese in die Industrie-4.0-Pilotfabrik in der Wiener Seestadt Aspern transferiert. Die erste Anlage dieser Art wurde vergangenen August vom Verkehrsministerium und der TU Wien eröffnet, auch das Institut für Fertigungstechnik ist daran beteiligt. Heuer feiert das Institut sein 200-jähriges Bestehen. Der Lehrstuhl zählt zu den ältesten seiner Art im deutschsprachigen Raum, aktuell wird das Institut von Friedrich Bleicher geleitet.

Ein anderes Labor in der Engerthstraße mit kleineren Robotern wird hauptsächlich von Studierenden betrieben. „Deswegen schaut’s hier auch immer so aus, alles ist stetig im Wandel“, sagt Pauker. In der Lernfabrik bekommen Studierende die Möglichkeit, den Umgang mit und die Programmierung von Robotern zu lernen.

Pauker selbst hat mit unterschiedlichen Robotersystemen Erfahrung. Generell geht es in seiner Forschung nicht darum, Roboter von Grund auf zu entwickeln. Er arbeitet mit bereits kompletten Systemen, einzig Anbauten wie Greifer und Zusatzentwicklungen fügt er hinzu. Wenn sich sein Institut einen neuen Roboter zulegt, wird auf verschiedene Faktoren geachtet. Etwa ist die Traglast ein wichtiges Kriterium.

Aktuelle Trends der Robotik

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Genauigkeit: Wie präzise lässt sich der Roboter positionieren? Wie exakt erfolgen Wiederholungen?

Aktuell sieht Pauker zwei Trends in der Robotik: Einerseits optische Systeme und Erkennung. „Diese Entwicklungen sind jetzt so weit, dass sie im Feld eingesetzt werden können.“ Andererseits die Interaktion zwischen Robotern und Menschen. „Dabei geht es um Roboter, die mit Sensorik ausgestattet sind, um mit dem Menschen interagieren zu können.“

In diesem Feld gibt es Konfliktpotenzial: „Der Roboter polarisiert, weil er meistens dazu eingesetzt wird, Arbeitsplätze wegzurationalisieren. Arbeiten, die zuvor ein Mensch verrichtet hat, werden dann durch Roboter erledigt.“ Was in der Diskussion untergehe, ist, dass viele Tätigkeiten nicht nur von Robotern, sondern auch von anderen Maschinen übernommen werden können.

Zudem wäre es ein Irrtum, zu glauben, dass automatisierte Produktion ganz ohne Menschen auskommt. „Die Annahme, dass man einen Roboter kauft, einschaltet, und alles läuft von selbst, stimmt nicht. Es braucht hochqualifizierte Menschen, die sich um das System kümmern“, sagt Pauker. „Doch das wird in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.“ (Tanja Traxler, 5.1.2016)


Info:

Der Begriff Industrie 4.0 kam 2011 in Deutschland auf, vor etwa zwei Jahren auch in Österreich. Gemeint ist damit die vierte industrielle Revolution: Nach der Mechanisierung, der Elektrifizierung und der Automatisierung soll es nun zur Vernetzung in der Fabrik kommen, dergestalt dass der Produktionsprozess weitgehend ohne menschlichen Eingriff von selbst vor sich geht. Künstliche Intelligenz und Robotik spielen dabei eine entscheidende Rolle.

In Österreich hat das Schlagwort vor allem das Verkehrsministerium aufs Tapet gebracht, doch auch die Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die Wirtschaftsagentur Wien und andere Institutionen haben die Industrie 4.0 zum Gegenstand von Förderprogrammen und Veranstaltungen gemacht. Im August 2015 wurde in Wien die erste Pilotanlage eröffnet.