Kategorie Klima- & Umweltschutz - 26. Juli 2021

Wie sich die Klimakrise bereits auf Österreich auswirkt – und was noch auf uns zukommt

Wer heute geboren wird, dürfte im Pensionsalter ein anderes Land erleben: mehr Hitzetage, viele Tropennächte und extreme Niederschläge im Sommer

In Österreich geht es jetzt schon heißer her. Während sich die Temperatur im globalen Mittel seit Beginn der Industrialisierung um rund ein Grad Celsius erhöht hat, ist sie hierzulande im gleichen Zeitraum schon um zwei Grad gestiegen. Dabei jagt ein Rekord den nächsten: Die Top 15 der wärmsten Jahre der 253-jährigen Messgeschichte Österreichs betreffen ausschließlich die jüngere Vergangenheit seit 1994. Der bisherige Sommer war ein Paradebeispiel dafür, wie sich die Klimakrise auf die Alpenrepublik auswirkt: Auf eine extreme Hitzewelle Ende Juni folgten in der vergangenen Woche Starkniederschläge inklusive Überschwemmungen.


Hitze, Dürre, Überflutungen: Die globale Erwärmung hinterlässt weltweit ihre Spuren. In Österreich sind die Folgen bereits stark zu spüren.
© APA/Hausberger

Die schlechte Nachricht: Das, was jetzt extrem ist, wird zum Normalzustand werden. So fasst Marc Olefs die Situation der vergangenen Wochen zusammen. Olefs leitet die Abteilung Klimaforschung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und weiß wie kaum ein anderer im Land, wie sich die klimatischen Bedingungen in den vergangenen Jahren in Österreich verändert haben.

Olefs weiß zum Beispiel, dass, wer heuer geboren wird, im Pensionsalter wahrscheinlich ein ganz anderes Österreich erleben wird. Als Beispiel nennt der Experte Hitzetage – also Tage mit mehr als 30 Grad Celsius. Diese haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen (siehe Grafik oben). Zuletzt gab es in extremen Jahren knapp 40 Hitzetage. Bis Ende des Jahrhunderts dürfte das zum Normalfall werden. Extremjahre werden dann ganz anders aussehen, sagt der Wissenschafter. Er rechnet damit, dass die 30-Grad-Schwelle an 60 bis 80 Tagen im Jahr überschritten werden könnte. Diese Zahlen gelten für das Worstcase-Szenario – also ungebremste Treibhausgasemissionen und einen Bevölkerungszuwachs auf zwölf Milliarden Menschen bis Ende des Jahrhunderts. Gelingt es, die globalen Emissionen signifikant zu reduzieren, werde es weniger gravierend, erklärt Olefs.

© ZAMG/DER STANDARD

Damit nicht genug: An vielen Tagen bewegt sich das Thermometer auch in der Nacht nicht nach unten. Laut ZAMG waren bis vor kurzem durchschnittlich ein bis zwei Tropennächte, mit einer Tiefsttemperatur von mindesten 20 Grad, üblich. Im Sommer 2015 gab es in der Bundeshauptstadt 16, im Jahr 2019 insgesamt zwölf Tropennächte.

Hitzestress für den Körper

Für den menschlichen Körper bedeutet das Stress. Zahlen dazu liefert die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in ihrem Hitze-Mortalitätsmonitoring. Demnach gab es in Österreich in den Hitzewellen 2017, 2018 und 2019 zwischen 198 und 550 Hitze-assoziierte Todesfälle. Welche Folgen die Klimakrise global mit sich bringt, verdeutlicht eine am Freitag von der Weltwetterorganisation veröffentlichte Analyse. Demnach kamen in den vergangenen 50 Jahren rund 650.000 Menschen durch Dürren ums Leben. Weitere 580.000 starben durch Stürme.

 

Wie stark sich die klimatischen Bedingungen bereits verändert haben, verdeutlicht eine Niederschlagsanalyse der ZAMG. Wird die Periode zwischen 1986 und 2010 mit jener zwischen 1961 und 1985 verglichen, zeigt sich, dass die Tage mit Starkniederschlägen deutlich zugenommen haben. Das Wetter wurde extremer: Im Sommer und Herbst ist die Zahl der extremen Starkniederschlagstage um 30 Prozent gestiegen. Schwache Regenfälle im Sommer sind hingegen zurückgegangen.

Tagung zu neuem Weltklimareport startet Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), im Deutschen oft als Weltklimarat bezeichnet, wurde im November 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als zwischenstaatliches Expert:innengremium ins Leben gerufen, welches nun nach mehreren Jahren wieder einen umfassenden Report veröffentlichen wird: Am 9. August soll der erste Teil seines 6. Sachstandberichtes erscheinen. Darin geht es um die naturwissenschaftlichen Aspekte der Erderwärmung und unter anderem um regionale Vorhersagen des Klimawandels. Der Weltklimarat forscht nicht selbst, sondern beauftragt namhafte Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die Studien zu allen Aspekten des Klimawandels zu sichten und zu bewerten. An dem neuen Bericht sind mehr als 230 Experten beteiligt. Die Berichte dienen politischen Entscheidungsträgern als Grundlage für Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und nötige Anpassungen.

Trotz der starken Auswirkungen der Erwärmung werden Klimaschutzmaßnahmen in Österreich von Kritikern oft abgetan. Österreich und die EU seien immerhin nur für einen kleinen Anteil des globalen Ausstoßes verantwortlich, ist da zu hören. Ein valides Argument? Nein, sagt Olefs. Es sei trotz des geringen Anteils wichtig, dass Nationenbündnisse wie die EU eine Vorreiterrolle bei Klimapaketen einnehmen. Wenn andere Länder sehen, dass es große Verbündete gibt, könne das soziale und gesellschaftliche Kipppunkte auslösen, argumentiert Olefs. „Es gibt keine Ausrede dafür, aufgrund des kleinen Beitrags nichts zu tun.“

Keine rosige Aussicht

Die Aussicht ist jedenfalls nicht rosig. Zwar hat sich die internationale Staatengemeinschaft weitgehend darauf geeinigt, alles zu tun, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die bisher gesetzten Maßnahmen deuten jedoch nicht darauf hin, dass das sehr wahrscheinlich ist. Angesichts der jetzigen Klimaschutzbemühungen dürfte die Temperatur im globalen Mittel um bis zu vier Grad steigen.

In Österreich wird die Erwärmung wiederum entsprechend höher ausfallen. Was das bedeutet? Zum einen würden Trockenheit und Dürre stärker zunehmen, erklärt der Meteorologe, einzelne Niederschläge deutlich intensiver werden. Mit jedem Grad Erwärmung erhöhe sich die Menge an Wasserdampf, die die Luft aufnehmen kann, um sieben Prozent, bei Gewittern um deutlich mehr als zehn Prozent pro Grad Erwärmung. Beides macht Starkniederschläge intensiver.

Eine zu volle Badewanne

Aufgrund der Langlebigkeit von CO2 in der Atmosphäre sei es wichtig, sofort mit Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion zu beginnen, erklärt der Klimaforscher. Denn selbst wenn jetzt sofort der gesamte Ausstoß gestoppt würde, wäre die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in 200 Jahren aufgrund der Langlebigkeit nur um zehn Prozent geringer. Daher sei laut Olefs zum einen eine Abmilderung der Symptome durch entsprechend dimensionierte Anpassungsmaßnahmen notwendig – als Beispiele nennt er mobilen Hochwasserschutz und Retentionsbecken. Doch es braucht auch die Reduktion versiegelter Fläche.

Nora Laufer / DER STANDARD / red

 

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