22. November 2017

Wiener Schüler bauen einen Roboter für den Mars

Von Mariele Schulze Berndt

Um den Namen „Tumbleweed“ zu verstehen, gilt es für einen Moment in die Westernwelt einzutauchen: Zwei Cowboys stehen sich in der Wüste Arizonas gegenüber. Schaurige Musik ertönt. Plötzlich treibt ein kniehohes braunes Etwas durch die Szene: ein Tumbleweed oder Steppenroller, also eine Wüstenpflanze, die der Wind fortbläst.
Der Physiklehrer Josef E. Pürmayr erzählt diese Geschichte. Er ist offenbar in der Lage, seine Schüler über die bloße Wissensvermittlung hinaus zu begeistern. Als Mentor betreut er drei Schüler der Sir-Karl-Popper Schule, die einen neuartigen Mars-Roboter entwickeln. Er ist von der windgetriebenen Fortbewegungsweise des Tumbleweed inspiriert. Inzwischen ist der Prototyp fast fertig und das Team hat mit seinem Projekt kürzlich den „Odysseus Contest“, einer der größten Raumfahrtwettbewerbe für Jugendliche, gegen hunderte Mitbewerber aus ganz Europa gewonnen. Die Jury stellen ehemalige Astronauten und Experten von Airbus und anderen Aerospace – Unternehmen sowie der Europäischen Weltraumagentur ESA.

Energie aus Sonnenkollektoren

„Der neue Roboter unterscheidet sich von herkömmlichen Mars-Rovern vor allem durch seine Form und seine Fortbewegungsart. In der Regel handelt es sich bisher um ,große Metallkisten mit sechs Rädern‘“, erklärt Moritz Stephan (17). „Diese bewegen sich nur langsam, legen innerhalb einiger Jahre nur wenige Kilometer zurück und sammeln nur sehr punktuell Daten.“ Der vom Wind vor sich her gewehte Tumbleweed wird mit Sensoren für meteorologische Daten ausgestattet und kann Gesteinssorten analysieren. „Er kann sehr viel schneller und kostengünstiger Daten über weite Gebiete sammeln, als andere derzeit verfügbare Technologien“, so Stephan.
Der Roboter wird unter anderem aus Titan und reißfester Nylonfallschirmseide hergestellt. „Auf 71 Prozent der Fläche der Segel sind Sonnenkollektoren angebracht“, so Stefan Rietzinger (18). Sie liefern die Energie für die Sensoren und den Hauptcomputer, der die gesammelten Daten mittels künstlicher Intelligenz analysiert, die für relevant befundenen Daten an die Missionsleitung beim Österreichischen Weltraumforum (ÖWF) in Innsbruck sendet und außerdem die Messungen autonom an die Umgebung anpasst.
Das ÖWF als Netzwerk für Raumfahrtspezialisten und Weltrauminteressierte plant in Kooperation mit dem Sultanat Oman eine Mars-Analogmission „AMADEE“ für Februar 2018. In den Wüsten von Dhofar ähnelt eine große, vom Menschen praktisch unberührte Region der Marsoberfläche. Dort wird das Tumbleweed-Team seinen Prototypen testen können. Außerdem wird ein Team aus Analogastronauten und Science Support Staff des ÖWF Experimente aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen, wie Ingenieurtechnik, Astrobiologie, Geologie und Geophysik und Biowissenschaften durchführen. Es will so die Entwicklung von Technologien für bemannte Marsmissionen vorantreiben.
„Vorrangig ist jetzt für uns, dass wir noch bessere Kontakte mit weiteren Aerospace-Firmen aufbauen und neben den Titanteilen auch Composite-Komponenten erhalten“, sagt Julian Rothenbuchner (17) der sich beruflich im Bereich des Aerospace-Engineering sieht. Bisher wird das Projekt von zwei industriellen Partnern Voest Alpine und Böhler Schmiedetechnik unterstützt.
Fraglich ist, ob die Gruppe auch in Zukunft zusammen arbeiten kann. Moritz Stephan möchte der Naturwissenschaft und Technik treu bleiben, interessiert sich aber auch für Diplomatie. Stefan Rietzinger interessiert Teilchenphysik, er hat bereits die Summerschool beim CERN absolviert. „Unser Ziel ist ultimativ der Mars“, sagt Rothenbuchner. „Dazu brauchen wir die Unterstützung internationaler Forschungseinrichtungen, die Erfahrung mit Raumfahrttechnik haben“.
Zuvor wird die Arbeit des Teams Ende November von der Universität Graz ideell anerkannt. Es bekommt dort den Titel „Weltraumbotschafter“.