Kategorie Klima- & Umweltschutz - 15. März 2023

Trockenzeit: Ungewöhnliche Winterdürre macht Europa zu schaffen

Kaum Regen, sinkende Pegelstände, Wassersparmaßnahmen: Was nach Meldungen aus dem Sommer klingt, ist in vielen Ländern Europas schon im Winter Realität. Auch im Alpenraum fiel zu wenig Schnee und lässt nichts Gutes für die kommenden Monate verheißen.

Zu den für diese Jahreszeit durschnittlich viel zu hohen Temperaturen kommt in einigen Teilen Europas eine extreme Trockenheit. So erlebten Frankreich, die Schweiz und Norditalien, aber auch Irland und Großbritannien einen extrem trockenen Winter. Schon zu Beginn des Jahres herrschte dort Wasserknappheit und weckten Erinnerungen an das vergangene Dürre-Jahr. Damals verursachten nach einem trockenen Winter Dürre und Hitze im Sommer große Probleme in Landwirtschaft und Energieversorgung. Ausläufer der großen Trockenheit reichen aktuell auch bis in den Westen Österreichs.

„Die Situation hat sich im Februar wegen mangelnden Niederschlags verschlechtert“, teilte die zuständige Behörde für Geologie und Minen Anfang der Woche in Paris mit. Frankreich hat zu Beginn des Jahres 32 Tage ohne nennenswerte Niederschläge in Folge erlebt, so lang wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen.

Dadurch konnten die Grundwasserreserven nicht wie sonst im Herbst und Winter üblich, aufgefüllt werden. In 80 Prozent der Fälle sei der Grundwasserspiegel laut Behördenangaben „mäßig bis sehr niedrig“. „Die Situation der Grundwasservorräte hat sich verschlechtert und ist nicht zufriedenstellend“, betonten die Experten und Expertinnen.

Ob der Grundwasserspiegel wieder steige, hänge davon ab, wie viel es in den kommenden Wochen regne. Allerdings werde ein Großteil des Niederschlags von Mitte April an von den Pflanzen verbraucht.

Betroffen sind weite Teile des Kontinents, von Irland bis zur Türkei, wobei die Satellitendaten eine besonders kritische Lage in Westeuropa zeigen, wo nun bereits lange vor dem Sommer Maßnahmen ergriffen werden, um die Wasserknappheit einzudämmen.

Die katalanische Regierung hat angesichts der seit mehr als zwei Jahren andauernden Dürre die Wassersparvorschriften für fast sechs Millionen Menschen inklusive der Metropole Barcelona verschärft. Öffentliche Parks werden nicht mehr bewässert, die Wasservorräte in der Region sind auf 27 Prozent gesunken.

Bilder von schneefreien Hängen in den Westalpen, wo in dieser Saison weniger als die Hälfte der normalen Schneemenge gefallen ist, von ausgetrockneten Kanälen in Venedig, einer Lagunenstadt, die normalerweise zu Überschwemmungen neigt, von kritisch niedrigen Wasserständen, die den Schiffsverkehr auf dem Rhein, Europas größter kommerzieller Wasserstraße, beeinträchtigen, und von Vegetationsstress der des überlebenswichtigen Graslandes in Irland zeichnen ein durchaus dramatisches Bild.

Parallelen zu 2022

Wochenlang erlebten die Schweiz, Frankreich und Norditalien fast durchgehend die immer selbe Wetterlage. Stabile Hochdruckgebiete sorgten für Sonnenschein und blauen Himmel, Regen- und Schneefronten wurden immer wieder abgeblockt. Niederschlagsmengen fielen in diesen Ländern unterdurchschnittlich aus. Überdurchschnittlich waren hingegen bisher die dortigen Temperaturen. In Turin, der Hauptstadt der italienischen Region Piemont, hatten sich die Werte im zweistelligen Bereich eingependelt, zu Beginn des Februars stieg das Thermometer in Föhnlage sogar wiederholt über 20 Grad Celsius. Das Piemont zählt zu den von der Dürre besonders betroffenen Regionen. Seit Ende Dezember hat es in manchen Orten, so auch in Turin keine zehn Liter pro Quadratmeter geregnet – ein Bruchteil der klimatologisch durchschnittlichen Menge.

Die Dürre hat bereits jetzt einige Regionen veranlasst, Verordnungen zu erlassen, um den Wasserverbrauch einzuschränken. Ähnlich ist die Lage im südfranzösischen Departement Bouches-du-Rhone, hier gilt in manchen Gebieten Dürrealarm. Der Präfekt sprach von einer „Ausnahmesituation im Winter“. Und die Cote d’Azur könnte nicht erst wie letztes Jahr im Sommer, sondern schon im März von Wasserrationierung betroffen sein. Die Situation sei hier dramatischer als letztes Jahr, so die Behörden.

Erinnerungen an das letzte Jahr werden wach. Die Dürre hat schon 2022 begonnen, nach einem schneearmen Winter, der sich jetzt gerade wiederholt. Die Bilder von halb ausgetrockneten Flussbetten wie etwa der Loire und des Po im letzten Sommer sind vielen noch im Gedächtnis.

Bei Manerba di Garda sank der Wasserspiegel des Gardasees rund um die Isola San Biagio auf einen Pegel wie seit Jahrzehnten nicht mehr im Winter und bildete sogar neue Landbrücken. © apa

In Frankreich mussten 2022 im Sommer einige Atomkraftwerke ihre Leistung drosseln, denn das für die Kühlung benötigte Flusswasser reichte nicht aus, die Pegelstände waren zu niedrig und das Flusswasser durch schier endlose Hitzewellen schon zu warm. In Frankreich, der Schweiz und Italien war 2022 das wärmste Jahr der Geschichte. Die Wasserstände vieler Flüsse und Seen haben sich seit dem Sommer nie richtig erholt.

Die Regenarmut führte dazu, dass der Fluss Var in Nizza schon im Februar fast ausgetrocknet war. Der Pegel des größten Sees Italiens, des Gardasees, ist über den Winter kaum gestiegen, der Wasserstand lag kürzlich nur knapp über dem Tiefststand für Februar aus dem Jahr 1930. Damit der Wasserstand nicht weiter sinkt, wurde von den Behörden beschlossen, den Abfluss am Staudamms Salionze sul Mincio zu verringern.

Diese Maßnahme wird sich auf den Fluss Po auswirken. Der längste Fluss Italiens führt derzeit nicht einmal halb so viel Wasser wie normal zu dieser Jahreszeit. Am Pegel in der Stadt Piacenza (Emilia-Romagna) wurde mit einem Durchfluss von 269 Kubikmeter pro Sekunde ein neuer historischer Tiefstand für Februar gemessen. Angesichts weiter ausbleibender Niederschläge ist kaum Besserung für die Pegelstände in Sicht.

Wenig Schnee, weniger Schmelzwasser

Der wenige Schnee in den Bergen ist auch heuer ein schlechtes Vorzeichen für den Frühling und Sommer, die Schneeschmelze in den Alpen wird aller Voraussicht nach geringer ausfallen als normal und dann auch die großen Flüsse mit weniger Wasser versorgen – mit Folgen auch auf die Stromproduktion durch Wasserkraft.

Dürrephasen im Alpenraum, die durch Schneeschmelzdefizite ausgelöst werden, haben zugenommen, so eine aktuelle Studie. Wenn es so weitergeht mit der Schneelage in diesem Winter, könnte Trockenheit auch diesen Sommer ein Problem werden, warnte Studienautorin Manuela Brunner, Klimaforscherin am Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF: „Das Schneedefizit von heute ist die Trockenheit im nächsten Sommer.“

Den Gletschern in den Alpen droht ohne ergiebige Schneefälle im Frühjahr wie schon letztes Jahr eine dramatische Schmelze im Sommer, ein regelrechter Aderlass, so die Glaziologen. Ausläufer dieser großen Trockenheit in der Schweiz und Norditalien sind auch in Westösterreich zu spüren.

In Vorarlberg, Tirol und in Teilen Salzburgs hat es im Winter bisher viel weniger geschneit und geregnet als normal, in Kufstein z. B. nur etwa halb so viel wie im langjährigen Durchschnitt. In Reutte und Landeck zählen Jänner und Februar bisher zu den trockensten seit Messbeginn.

APA / ORF / Red

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