Kategorie Innovation & Technologie - 6. Oktober 2017
Mit technischen Nasen Menschen erschnüffeln
Wien – Schon lange versuchen Forscher künstliche Nasen zu entwickeln. Fortschritte in der Messtechnik und der computerunterstützten Auswertung haben das im Prinzip möglich gemacht. Anders als menschliche Nasen, die mit ihren Rezeptoren 10.000 und mehr Gerüche erkennen, können Sensorsysteme mit dem Unbekannten nichts anfangen.
Die „künstliche Nase“ muss zuerst auf einen bestimmten Geruch trainiert werden. Am Institut für Atemgasanalytik an der Universität Innsbruck versucht die Bio-Ingenieurin Veronika Ruzsanyi nun eine künstliche Nase zu entwickeln, die den typischen menschlichen Körpergeruch erkennen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, den spezifischen Geruch eines einzelnen Menschen wahrzunehmen, sondern die typischen Charakteristika des menschlichen Geruchs. „Wir arbeiten dabei mit Gassensoren, die geringste Spuren von typischen gasförmigen Molekülgruppen des Atems, der Haut oder anderer Ausscheidungsorgane erkennen können“, sagt Ruzsanyi.
Flüchtige Luftkomponenten
Gemessen werden neben Kohlendioxid andere flüchtige Luftkomponenten wie Ammoniak, Ketone, zum Beispiel Aceton, oder der Aldehyd-Gehalt der Luftproben. Insgesamt werden sieben Sensorsysteme, darunter Metalloxidsensoren, elektrochemische Sensoren und ein Ionenmobilitätsspektrometer eingesetzt. Vor allem die Aldehyde können dabei die Genauigkeit der künstlichen Nase erhöhen. Die Stoffe, zu denen etwa Hexanal, Octanal, Nonanal oder Dekanal zählen, werden von der menschlichen Haut freigesetzt und tragen zum typischen menschlichen Geruch bei.
Mit zahlreichen Geruchsproben von Menschen hat Ruzsanyi nun die künstliche Nase auf den typischen menschlichen Geruch „trainiert“. Wird das Sensorsystem nun mit einem bestimmten Geruch konfrontiert, verändert sich das elektrische Signal der Sensoren. Umgewandelt in digitale Daten entsteht so am Computer ein typisches Muster, das mit den bereits gespeicherten Daten verglichen wird.
Die Sensoren – vor allem der Aldehydsensor – müssen besonders genau arbeiten. Denn die menschlichen Spurengase kommen oft nur in der Größenordnung von eins zu einer Milliarde Teilchen in der Umgebungsluft vor. Die „Riechgenauigkeit“ der künstlichen Nase wurde dabei auch durch Vergleichsmessungen mit gasanalytischen Verfahren getestet. Das bisherige Entwicklungsergebnis kann sich nach Ansicht der Wissenschafter sehen lassen.
Genauigkeit von 90 Prozent
Zwar erreiche man mit der künstlichen Nase noch nicht die Riechkraft von Hunden, sagt Ruzsanyi. Diese verfügen ja überhaupt über mehr als 22-mal so viele Rezeptoren wie eine menschliche Nase und können Menschen sehr genau riechen. „Derzeit sind wir aber bei einer Genauigkeit von 90 Prozent unter Laborbedingungen angelangt. Dieses Ergebnis ist noch steigerbar,“sagt Ruzsanyi.
Nach Feldversuchen, die nächstes Jahr stattfinden sollen, könnte die künstliche Nase bei der Aufdeckung von Schlepperei eingesetzt werden. Das Projekt wird deshalb über das Sicherheitsforschungsprogramm Kiras vom Verkehrsministerium finanziert.
Mögliche Einsatzszenarien wären beispielsweise die schnellere Überprüfung von Schiffscontainern in Häfen oder anderen Umschlagplätzen, ohne sie öffnen zu müssen. Denn jeder Container besitzt ein kleines Loch für den Abfluss von Kondenswasser, durch das ein Schlauch eingeführt werden könnte. So könnte man eine Luftprobe aus dem Container nehmen, die durch die künstliche Nase analysiert wird. So könnte innerhalb von 30 bis 60 Sekunden festgestellt werden, ob sich im Container Menschen befinden oder nicht.
Um die Einsatzszenarien der künstlichen Nase noch zu vergrößern, wird der Prototyp auch noch mit einer Infrarotkamera ausgerüstet werden. Kann das Gerät überzeugen, soll es bei vielfältigen Suchaktionen von Einsatzkräften des Innenministeriums oder Bundesheeres eingesetzt werden. (Norbert Regitnig-Tillian, 6.10.2017)