Kategorie Innovation & Technologie - 20. August 2020

Wie ein Sinnesorgan für Automatisierte Fahrzeuge entwickelt wird

Forscherteam arbeitet an kompakten Sensoren, die autonomen Fahrzeugen ein 3D-Umgebungsbild liefern und Gefahren erkennen

Durch ein ganzes Bündel von Sensorsystemen sollen teilautonome oder künftig autonome Fahrzeuge sicher ihre Umwelt erfassen. Neben Kameras, Radar und Ultraschallsensoren sollen Lidar-Sensoren eingesetzt werden, um Fahrzeugen den besten Rundumblick zu bieten. Im Projekt „iLIDS4SAM“ bündeln elf österreichische Partner unter der Führung von Infineon Austria entsprechendes Know-how.

 

Geht es um die Mobilität der Zukunft steht die Zuverlässigkeit und Sicherheit von eigenständig agierenden Fahrzeugen an erster Stelle. Das Geschehen in der Umgebung muss umfassend und schnell erkannt werden – gerade im komplexen, urbanen Straßen- und Schienenverkehr.

Genau daran forscht das auf drei Jahre angelegte Projekt iLIDS4SAM (Integrated LiDAR Sensors for Safe & Smart Automated Mobility). Das Projekt wird von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) als Österreichisches Leitprojekt geführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) im Rahmen des Programmes „IKT der Zukunft“ co-finanziert. Drei Jahre soll es laufen, währenddessen dem Konsortium ein Forschungsvolumen von knapp 5,7 Millionen Euro zur Verfügung steht.

Für Stefan Rohringer, Leiter des Entwicklungszentrums bei Infineon, handelt es sich um „ein echtes Vorzeigeprojekt, das die gesamte Technologie-, Anwendungs- und Testkette umfasst“. Projektpartner sind u.a. AVL List GmbH, ams AG, Silicon Austria Labs GmbH, TU Graz und das Grazer Kompetenzzentrum Virtual Vehicle.

Radar- und Kamerasysteme ersetzen jetzt schon in etlichen Fahrzeugen das menschliche Auge. Für das vollautomatisierte Fahren gelten Lidar-Systeme als weitere Schlüsseltechnologie. In Graz entwickelt Infineon Mikroelektronik-Lösungen für diese laserbasierten „Sinnesorgane“, die etwa hinter der Windschutzscheibe, im Scheinwerfer oder in den Rückleuchten eingebaut werden sollen um in Kombination mit Radar- oder Kamerasystemen die Umgebung des Fahrzeugs zu kontrollieren.

Hohe Anforderungen im komplexen Stadtverkehr

Aktuelle Fahrerassistenzsysteme sind jedoch noch auf vergleichsweise einfache Verkehrsszenarien wie Autobahnverkehr oder Parkassistenz ohne Fußgänger, Radfahrer oder Querverkehr ausgelegt. Eine vorausschauende Gefahrenerkennung im komplexen städtischen Verkehr stellt allerdings weitaus höhere Anforderungen.

Automatisiertes Fahren: Forschung, Tests & Dialog für den Alltag für morgen

Das iLIDS4SAM-Projekt (Integrated LiDAR Sensors for Safe & Smart Automated Mobility) soll diese Herausforderung schaffen. Lidar ist ein Akronym für „Light Detection and Ranging“ und arbeitet ähnlich wie ein Radar: Statt Radiowellen werden aber Laserstrahlen im Infrarotbereich ausgesandt, um Objekte im Fernbereich des Fahrzeugs mittels Licht zu erkennen und ihren Abstand zu bestimmen. Dabei scannt ein Laserstrahl mithilfe von Mikrochip-Spiegeln das Umfeld millimetergenau, horizontal und vertikal ab. Mithilfe der Laufzeit, die das Licht zu den Objekten und zurück benötigt, werden Abstand, Position und Geschwindigkeit von Verkehrsteilnehmern und Objekten errechnet. Und hier hat das österreichische Projektkonsortium noch viel Entwicklungspotenzial erkannt.

Ziel ist es, ein leistungsfähiges und kostengünstiges Laser-Sensorsystem mit einem „Deep Learning“-Datenmanagement zu entwickeln. Das soll das Fahrzeug zu einem „intelligenten und vorausschauenden Verkehrsteilnehmer“ machen, wie es in der Aussendung von Infineon hieß. Um die Sensoren kompakt, robust und voll integrierbar zu gestalten, sollen die entsprechenden Komponenten, die Verbindungstechnologien und auch das Spiegel-Design optimiert und weiter miniaturisiert werden. In Testfahrten wollen die Forscher eine große Menge an realen Daten sammeln, um dann mittels Signalverarbeitungsalgorithmen das Verhalten vorherzusagen und eine Gefahreneinschätzung ableiten zu können. Das kompakte Sensorsystem soll im städtischen Straßen- und Schienenverkehr sowie bei landwirtschaftlichen Einsätzen getestet werden.

Ein Datenmanagementplan, der mit der Open Source Plattform des europäischen Forschungszentrum CERN verbunden ist, wurde bereits implementiert. Auf Basis dieses öffentlich zugänglichen Datenpools sollen weitere Forschungsprojekte, Entwicklungen und Verbesserungen aufsetzen können.

„Es geht hier um eine wesentliche Weiterentwicklung von zentralen Schlüsseltechnologien für das sichere autonome Fahren. Wir bündeln dabei herausragende österreichische Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft und stärken damit die europäische Technologiekompetenz im globalen Wettbewerb“, fasste Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG zusammen.

 


Das Aktionspaket Automatisierte Mobilität

Was uns morgen durch den Alltag begleiten soll, wird auch vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sorgfältig beobachtet. Es fördert mit vielfältigen Projekten im Bereich automatisierter und vernetzter Fahrzeuge Mobilität in all ihren Facetten.

„Automatisierte Mobilität ist ein Teil der Mobilität der Zukunft“, so Michael Nikowitz, Koordinator für Automatisiertes Fahren im BMK. Gemeinsam mit der Elektrifizierung, der gemeinsamen Nutzung und der Vernetzung stellt sie so eine der wichtigen Säulen auf diesem Gebiet. Seit 2016 beschäftigt sich das BMKintensiv mit dieser Thematik. Der unglaublich rasche Technologiefortschritt bedarf hierbei ebenso schneller Reaktionen auch von Seiten der öffentlichen Hand. „Es ist ganz essentiell, dass wir uns mit der Thematik möglichst breit und interdisziplinär beschäftigen, um sicherzustellen, dass wir als Ministerium die richtigen Fragestellungen und Themen adressieren“, so Nikowitz weiter.

Die Austria Tech ist die Kontaktstelle zum Automatisierten Fahren des BMK. Gemeinsam hat man das Aktionspaket Automatisierte Mobilität sowie das Forum Automatisierte Mobilität ins Leben gerufen, einem jährlichen Symposium, welches die Entwicklung automatisierter Mobilität bestmöglich abbilden und als Dialogveranstaltung dienen soll, um von allen Akteuren von der Industrie, über Verwaltung und Wissenschaft bis zu Start-ups sowohl den neuesten Stand zu bekommen als auch kritisches Hinterfragen der Entwicklungen zu ermöglichen, wie Nikowitz betont.

Für ihn ist ein transparenter und objektiver Wissensaustausch unumgänglich, damit im Falle der Automatisierung nicht vergeblich an der Entwicklung von Lösungen gearbeitet und erst im Nachhinein erkannt wird, dass Best-Practice-Beispiele bereits verfügbar gewesen wären.

Neue automatisierte Mobilitäts-Services gelten als eine der Tech-Revolutionen im 21. Jahrhundert, die neben anderen Zweigen fortschreitender Digitalisierung von großem Einfluß auf unseren Alltag sein wird. Entwicklungen auf dem Gebiet der automatisierten Mobilität – seien es Assistenzsysteme in privaten Pkw, sogenannte Robo-Taxis oder fahrerlose öffentliche Verkehrsmittel werden unsere Mobilität und die Möglichkeiten des [Vor]Ankommens in Städten und auch im ländlichen Raum stark verändern.

Service:

Verordnung zum automatisierten Fahren

Aktionspaket Automatisierte Mobilität

INFObox: Automatisiertes Fahren kann für mehr Verkehrssicherheit sorgen und ist zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Schon jetzt sind österreichische Autozulieferbetriebe in vielen Bereichen des automatisierten Fahrens international gefragt. Das neue Aktionspaket Automatisierte Mobilität für den Zeitraum 2019-2022 setzt den Fokus auf Straße, Schiene und Luftfahrt (Drohnen). 65 Millionen Euro an Förderbudget stehen zur Umsetzung von 34 Maßnahmen im Bereich Technologieförderung, legislativer Anpassung, gesellschaftlicher Dialog, Einbindung der öffentlichen Hand und Aufbau der Kompetenz im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion bereit.