Kategorie Innovation & Technologie - 27. November 2015
Wenn Mixer und Fleischwolf die Richtung wechseln
Manchmal reicht es, die Dinge einfach umzudrehen. Der Geistesblitz, die Maschinen in die andere Richtung laufen zu lassen, kam vom Chef höchstpersönlich. Nachdem ein Kunde besondere Anforderungen äußerte, fuhr man bei Erema, einem oberösterreichischen Hersteller von Technologien für Kunststoffrecycling, mit den Werkzeugen einfach in die Gegenrichtung. Das Resultat: Die Maschine fasste mehr Material, lief stabiler, die Produktivität stieg. Mit dieser mittlerweile weltweit eingesetzten Erfindung überzeugte das Unternehmen auch die Jury des Inventum 2014. Mit dem Erfinderpreis kürten Technologieministerium und Patentamt gestern, Freitag, wieder die besten Innovationen.
„Wir sind international gesehen zu klein, um die Billigsten zu sein oder die größten Mengen zu produzieren. Wir müssen schneller die besseren Lösungen finden“, sagt Erema-Geschäftsführer Klaus Feichtinger. Jahrzehntelang arbeitete Erema mit einer Technologie, die ähnlich funktioniert, „wie wenn man einen Mixer und einen Fleischwolf verbindet“: Als ersten Schritt zerkleinert der Mixer den Kunststoff, der recycelt werden soll. Dann kommt er in einen Behälter, wo ihn eine Schnecke quetscht und das Material herausgedrückt und abgeschnitten wird.
Auf Basis dieser Erfindung wurde die Firma 1983 gegründet. So erzeugen Erema-Maschinen auch aus schwer verarbeitbarem, dünnem Material wie Verpackungsfolien für Lebensmittel oder auch für Silos ein Granulat, das zu neuen Produkten verarbeitet wird. „Das hat lange gut funktioniert“, sagt ihr Geschäftsführer heute.
Österreich, erfindungsreich
Doch dann kam ein Kunde mit einem Kunststoff auf Basis von Milchsäure, der auf dem bisherigen Weg kaum zu verarbeiten war. Fast ein Dreivierteljahr tüftelten die Techniker an einer neuen Lösung. Die Idee, dasselbe Werkzeug andersherum zu verwenden, schien zunächst trivial, funktionierte aber sofort: Die Schnecke ließ sich besser befüllen, dadurch deutlich mehr recycelbares Material herstellen.
Aber nicht nur die Produktivität stieg: Die alte Maschine wird mittlerweile nicht mehr verkauft, die neue ließ den Umsatz des Unternehmens um 20 Prozent wachsen. Bereits 2010 wurde die Erfindung zusammen mit zwölf weiteren zum Patent angemeldet, schließlich auf der Kunststoffmesse 2013 offiziell präsentiert. Als Krönung gab es nun beim Erfinderpreis Inventum Gold für das potente Patent.
Silber ging an die Tiroler Firma GE Jenbacher. Dort gelang es, die Verbrennung in Motoren durch Veränderungen an den Zylindern zu verbessern. Bronze erhielt das Start-up Solabolic: Unternehmensgründer und Erfinder Ahmed Adel entwickelte eine neue Generation von Sonnenkollektoren, die mit weniger Material mehr Wirkung erzielen.
Vor den Vorhang geholt wurden auch sieben weitere „Top Ten“-Patente. Sie reihen sich in die – durchaus beachtliche – Riege österreichischer Erfindungen ein: Insgesamt rund 6.000 Patente meldeten österreichische Erfinder allein 2014 beim Österreichischen oder Europäischen Patentamt sowie bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum an.
Patentrezept für den Erfolg gibt es übrigens keines, so Feichtinger. Gut zuzuhören, was der Kunde braucht, sei der erste Schritt. Und dann damit zu beginnen, neue Lösungen zu finden. (Von Alice Grancy, Die Presse)