20. Juli 2021

Die Klimakrise als Chance & Gefahr für den heimischen Tourismus

Hitze, Dürre und Starkregen schaden dem Tourismus – Tourismuswirtschaft ist Betroffene, aber auch Verursacherin – auch hier besonders im Fokus: der Verkehr

Die Klimakrise stellt den österreichischen Tourismussektor vor große Herausforderungen. Einerseits kommt ihm, als einem der größten heimischen Wirtschaftszweige, zur Erreichung der österreichischen Klimaziele eine besondere Bedeutung zu. Andererseits sind Tourismusdestinationen und -angebote selbst stark von den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels betroffen.

© Klimafonds

Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Special Report Klimaschutz und Tourismus, der von 39 Wissenschaftler:innen interdisziplinär im Auftrag des Klima- und Energiefonds und mit Mitteln des Klimaschutzministeriums (BMK) erstellt wurde. Demnach verfüge der Tourismus auch über großes Potential puncto Klimaschutz, als größter Hebel gilt laut Report die Mobilität. Eine große Chance durch klimafreundlichen Tourismus auf dem Weg zum klimaneutralen Österreich 2040 bestätigen Tourist:innen, Tourismusbetriebe und –verbände auch in einer aktuellen Umfrage durch Karmasin Research.

Um Maßnahmen möglichst effektiv umsetzen zu können, plädieren die Autor*innen für konkrete rechtliche Rahmenbedingungen und eine Harmonisierung von Klimaschutzmaßnahmen, Handlungsoptionen und Anpassungsstrategien auf nationaler, regionaler und betrieblicher Ebene.

Im Besonderen streicht der Bericht die Potentiale im Bereich Mobilität hervor. Um die Klimabelastung des Tourismus zu reduzieren, bedarf es einer Verbesserung des öffentlichen Verkehrsangebots: Sowohl für die An- und Abreise, als auch für die Mobilität vor Ort in den Tourismusorten und -regionen, beispielsweise durch bedarfsorientierte Mobilitätslösungen.

„Auch der Österreichische Tourismus steht im Kampf gegen die Klimakrise vor einer großen Herausforderung. Durch die zunehmende Hitze verändern sich die Rahmenbedingungen – egal ob beim Ski-Fahren oder im Städte-Tourismus. Viele Betriebe und Unternehmen reagieren genau jetzt auf diese Herausforderung und nützen damit eine große Chance“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Auch Reisende würden sich mehr Nachhaltigkeit wünschen. „So kann der Österreichische Tourismus Erfolg und Klimaschutz verbinden.“

Klima- und Energiefonds-Co-Geschäftsführer Ingmar Höbarth ist überzeugt, dass ein klimaschonender österreichischer Tourismus für die Zukunft Wettbewerbsvorteile bringt und auch international Alleinstellungsmerkmale schafft, der die regionale Wertschöpfung nach oben treibt. „Um es mit den Worten der Expert:innen des Special Reports zu sagen: Machen wir gemeinsam aus dem ‚Paris-Lifestyle‘, also einem Lebensstil, der dazu beiträgt, die in Paris vereinbarten Klimaziele einzuhalten, den ‚Austrian-Lifestyle‘. Einen Lebensstil, der genau das transportiert, was unser Land ausmacht: höchste Lebensqualität bei größtmöglichem Respekt für Natur, Umwelt und zukünftige Generationen.“

 

Fakt ist: Die Klimakrise verändert längst die Rahmenbedingungen für den österreichischen Tourismus. Die zunehmende Hitze verschlechtert die Schneelage in vielen Regionen und gefährdet damit vor allem den Wintertourismus, aber auch der Sommertourismus leidet unter Extremwetterlagen wie Hitze oder Starkregen, das hat eine Studie des Austrian Panel of Climate Change (APCC) ergeben.

Besonders auf den Wintertourismus kommen dadurch große Umwälzungen zu. So zeigen Simulationen bis 2050 einen Rückgang der österreichweiten Nachfrage in Skigebieten von -2,2 Prozent bis -6,7 Prozent sowie eine große räumliche Verschiebung: Während am Alpenrand die Nachfrage bis zu 50 Prozent einbrechen könnte, ist im Gegensatz eine Zunahme von +50 Prozent im westlichen Tirol sowie in Teilen Kärntens möglich. Auch für den Sommertourismus werden die Auswirkungen des Klimawandels den Autor:innen zufolge deutlich spürbar. Vor allem wird die gesundheitliche Belastung durch längere Hitzeperioden zunehmen und auch Outdoor-Aktivitäten wie etwa Klettern (erhöhter Steinschlag) oder Wassersportarten (niedrige Wasserstände) könnten stark beeinträchtigt werden.

Für den Sommertourismus könnten sich aber auch Chancen bieten, wenn die höheren Temperaturen eine Verlängerung der Saison ins Frühjahr und den Herbst hinein erlauben. Außerdem könnte die Hitze in den Städten ein „Revival der klassischen Sommerfrische“ bedeuten. Es stehe viel auf dem Spiel: „die Wertschöpfung aus dem Tourismus hat 2018 über 32 Milliarden Euro betragen, das sind 8,4 Prozent des BIP“, erklärte Höbarth.

Die Tourismuswirtschaft sei einerseits Betroffene, aber andererseits auch Verursacherin: Die Branche ist laut APCC-Studie weltweit für acht Prozent der Emissionen verantwortlich. Der „größte Hebel für einen klimafreundlichen Tourismus ist die Mobilität, vor allem bei der An- und Abreise“, sagte Höbarth. Die Gäste in Österreich reisen zu 75 Prozent mit dem Auto an, zehn Prozent kommen mit den Flugzeug, nur acht Prozent nutzen die Bahn: „Da ist also noch gewaltig Luft nach oben.“ Es brauche daher eine Offensive für attraktive Angebote zur An- und Abreise, aber auch für die umweltfreundliche Mobilität vor Ort, besonders in peripheren Gebieten. Außerdem sei es notwendig, Hotels und Pensionen zu sanieren, um den Energieverbrauch zu verringern, zum Beispiel durch bessere Dämmung und die Nutzung erneuerbarer Energien.

Wie wichtig Nachhaltigkeit für Reisende ist, zeigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Karmasin: Für über 70 Prozent der österreichischen und deutschen Gäste ist Klimaschutz im Tourismus wichtig oder sehr wichtig. Das gilt auch für 89 Prozent der befragten Unternehmen und sogar 100 Prozent der Reiseverbände.

Die Umfrage zeige aber auch einen „Informationsmangel im Bezug auf Klimaschutz im Tourismus“ bei Tourist:innen. Bei Online-Suchmaschinen würden Auswahlkriterien zur Umweltfreundlichkeit fehlen. Neben mehr Angeboten wünschen sich Reisende auch mehr Aufklärung und transparente Kommunikation und beispielsweise Auszeichnungen für besonders umweltfreundliche Tourismusregionen und -betriebe. Der Preis sei immer ein Thema, aber „aktuell sind die Gäste viel zu wenig informiert was klimafreundliche Angebote kosten“. Die mangelnde Sichtbarkeit sei die erste Barriere, erst dann komme der Preis zum Tragen, so die Meinungsforscherin Sophie Karmasin.

Großen Erfolg gibt es aktuell aus der KEM Nassfeld-Pressegger See / Weissensee / Lesachtal zu berichten: Als erste Region Österreichs hat man einen internationalen Zertifizierungsprozess nach den Kriterien des Global Sustainable Tourism Council erfolgreich abgeschlossen und wird in Kürze das entsprechende Nachhaltigkeitssiegel tragen dürfen. Und die Modellregion Zell am See – Kaprun befindet sich durch umfassende Maßnahmen im Bereich Mobilität am Weg zum internationalen Best-Practice.

Beide genannten KEMs des Klima- und Energiefonds sind Schwerpunktregionen für nachhaltigen Tourismus und heben sich durch ihre Ambitionen und umfangreichen Maßnahmen von anderen Regionen ab. Sie dienen damit als nationale und internationale Inspiration für Nachahmer. Mehr Informationen zu den Klima- und Energiemodellregionen finden Sie unter [https://www.klimaundenergiemodellregionen.at/] (https://www.klimaundenergiemodellregionen.at/).

Der Special Report „Tourismus und Klimawandel“ wurde vom Klima-und Energiefonds in Auftrag gegeben und durch Förderung des Klimaschutzministeriums (BMK) ermöglicht. Er ist eine umfassende, interdisziplinäre Erhebung des aktuellen Forschungsstands zu den komplexen Beziehungen zwischen Tourismus, Veranstaltungen und Klimawandel. Für den vorliegenden Bericht haben 39 Wissenschaftler*innen führender Forschungseinrichtungen, unterstützt durch ein internationales Team an Begutachter*innen, mehr als zwei Jahre intensiv zusammengearbeitet. Das Austrian Panel on Climate Change (APCC) wurde auf Initiative des Klima- und Energiefonds gegründet und vereint renommierte Expert*innen der österreichischen Klimaforschungsgemeinschaft, die regelmäßig den aktuellen Stand der Forschung zum Klimawandel Österreich zusammentragen.


Ausführliche Informationen zum Bericht sowie das Gesamtwerk, eine Zusammenfassung für Entscheidungsträger:innen und eine technische Zusammenfassung stehen HIER zur Verfügung.

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