Kategorie Energie - 19. April 2023
EU-Taxonomie: Umweltorganisationen reichen Klage beim EuGH ein
Nach abgewiesenem Einspruch kritisieren WWF & Greenpeace „Greenwashing-Programm für Atomenergie und fossiles Erdgas“
Greenpeace hat am Dienstag Klage gegen die EU-Kommission (EK) wegen der Einstufung von Gas- und Atomkraftwerken als klimafreundlich in der sogenannten Taxonomie-Verordnung eingereicht. Die Umweltschutzorganisation klagt nach eigenen Angaben beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg dagegen, dass Gaskraftwerke und Atomkraftwerke als nachhaltige Investitionen deklariert werden können. Auch der WWF reichte gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen Klage gegen die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie der EU ein.
Damit folgen sie einer Nichtigkeitsklage Österreichs beim Gericht der Europäischen Union (EuG), die sich gegen die ergänzende delegierte Verordnung zur Taxonomie richtet. Darin werden Atomkraft und fossiles Gas als ökologisch nachhaltig eingestuft. Mit dieser und weiteren Verordnungen soll festgelegt werden, welche Finanzinvestitionen künftig als klimafreundlich gelten. Österreich hat das Vorhaben, fossiles Gas und Atomkraft aufzunehmen, seit Bekanntwerden gemeinsam mit Umweltorganisationen scharf kritisiert. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nannte die Pläne der EK ein „Greenwashing-Programm für Atomenergie und fossiles Erdgas“.
Anders als die Mitgliedstaaten haben Umweltorganisationen keinen direkten Zugang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Um einen Fall wie diesen einzureichen, müssen sie zunächst einen Verwaltungsschritt, einen sogenannten „Antrag auf interne Überprüfung“, einbringen. Dieser erste Schritt ist im September 2022 erfolgt. Nach einer negativen Antwort der EK war der Weg zum EuGH nun frei.
„Atom und Gas können nicht nachhaltig sein. Die EU-Kommission will auf Drängen der Industrielobby ein jahrzehntelanges Problem als Lösung verkaufen“, so Lisa Panhuber, Sprecherin bei Greenpeace in Österreich. „Jetzt noch mehr Geld in Industrien zu stecken, die uns erst in die Natur- und Klimakrise geführt haben, ist ein Desaster.“ Alle verfügbaren Mittel müssten stattdessen in erneuerbare Energien, Sanierungen, neue Mobilitätskonzepte und entschleunigte Kreislaufwirtschaft fließen, fordert Greenpeace.
„In ihrer jetzigen Form ist die Taxonomie legalisiertes Greenwashing“, betonte auch Jakob Mayr, Experte für nachhaltige Finanzen beim WWF Österreich. Da das Thema Atomkraft bereits in einem eigenen Verfahren behandelt werde, richtet sich die Klage des WWF-Büros in Brüssel gemeinsam mit den Umweltschutzorganisationen ClientEarth, Transport & Environment und BUND gegen die Aufnahme von fossilem Gas in die EU-Taxonomie. „Auch viele Finanzinstitute sind bereits einen großen Schritt weiter und haben fossiles Gas aus ihrer Kreditvergabepolitik ausgeschlossen – so etwa die Europäische Investitionsbank seit 2019“, kritisierte Mayr.
Greenpeace wies zudem darauf hin, dass die Taxonomie-Entscheidung fossilen Gas- und Atomkraftwerken den Zugang zu Geldern öffnet, die sonst in erneuerbare Energien fließen würden. „Mit der Aufnahme von Gas und Atom in die Taxonomie sendet die EU-Kommission ein fatales Signal an den europäischen Finanzsektor und untergräbt die eigenen Klimaziele. Wir fordern die EU-Kommission auf, den delegierten Rechtsakt komplett aufzuheben und das Greenwashing von fossilem Gas und Atomkraft sofort zu beenden“, so Panhuber.
Drei Fragen & Antworten zur EU-Taxonomie
Warum benötigen wir eine EU-Taxonomie Verordnung?
Um die Klima- und Energieziele der EU zu erreichen, müssen Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten gelenkt werden. Eine klare Definition des Begriffs „nachhaltig“ ist daher erforderlich. Diesem Zweck dient die EU-Taxonomie Verordnung gemeinsam mit den detaillierten Ausführungsbestimmungen in den sogenannten „delegierten Verordnungen“. . Österreich unterstützt ausdrücklich die EU Sustainable Finance Strategy und die EU Taxonomie-Verordnung. Denn eine transparente und wissenschaftsbasierte EU-Taxonomie befähigt Anleger:innen dazu, ihr Geld in ökologisch nachhaltige Tätigkeiten zu lenken und kann Greenwashing verhindern.
Warum hat Österreich gegen die EU-Taxonomie Verordnung geklagt?
Österreich hat nur gegen die ergänzende delegierte Verordnung zur EU-Taxonomie-Verordnung geklagt, welche Gas und Atomkraft als ökologisch nachhaltig einstuft. Für Österreich ist es ganz besonders wichtig, dass die Kriterien der EU-Taxonomie wissenschaftsbasiert und glaubwürdig sind. Nur so kann sichergestellt werden, dass Anleger:innen wissen, in welchen Wirtschaftsaktivitäten sie ihr Geld anlegen. Atomkraft erfüllt die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung nicht, darunter ein zentrales Kriterium: Grüne Technologien dürfen keine Schäden an der Umwelt (also bspw. am Wasser oder an der Biodiversität) anrichten. Reaktorunglücke wie Tschernobyl oder Fukushima zeigen das Gegenteil. Erdgas wiederum ist grundsätzlich ein klimaschädlicher, fossiler Energieträger. Eine Zertifizierung von fossilem Gas als nachhaltig sorgt für schädliche Parallelstrukturen bei Investitionen, welche die Transformation in eine nachhaltige Zukunft behindern.
Wie ist der aktuelle Stand zur österreichischen Nichtigkeitsklage?
Nach Einreichung der Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) wurde die Zusammenfassung der Klageschrift am 23. Jänner 2023 veröffentlicht. Bis März haben weitere Mitgliedstaaten Anträge auf Streithilfe auf Seiten Österreichs bzw. der EK eingebracht. In einem weiteren Schritt wurde Ende Februar die Klagebeantwortung der EK übermittelt. Österreich hat nun bis Mai die Möglichkeit, eine Erwiderung zur Klagebeantwortung der Europäischen Kommission beim EuG einzureichen.
Da es sich bei dieser Klage um ein rechtlich und fachlich sehr komplexes Verfahren handelt, wird mit einer überdurchschnittlichen Verfahrensdauer gerechnet.
Österreich hat Klage gegen umstrittene Teile der EU-Taxonomie eingereicht