Kategorie Klima- & Umweltschutz - 10. November 2023
Mehr Moore & Wälder: Einigung auf EU-Gesetz zur Rettung der Natur
Damit sich die Natur in der EU erholt, sollen künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich in der Nacht auf Freitag mit dem Renaturierungsgesetz auf ein heiß diskutiertes Naturschutzvorhaben. Hintergrund des Gesetzes ist, dass nach EU-Angaben rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand sind.
Zudem seien zehn Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in einem ungesunden Zustand. Die EU-Staaten teilten mit, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der wild lebenden Insektenbestäuber in Europa dramatisch zurückgegangen sei. Um dem entgegenzuwirken, sehe die Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen müssten, um den Rückgang bis spätestens 2030 umzukehren.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sieht den Kompromiss zur Wiederherstellung der Natur grundsätzlich positiv. „Die destruktiven Kräfte in der Politik haben sich nicht durchgesetzt“, erklärte sie am Freitag bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Biodiversität. Es sei gelungen, Angriffe auf die Wirksamkeit des Vorhabens abzuwehren. Die Übereinkunft sei nicht perfekt, aber ein wichtiger Schritt.
Ich bin sowas von happy. Als ich vor ewigen Zeiten dieses in AT übernehmen durfte, habe ich nicht daran geglaubt, dass sich hier je eine Einigung erzielen lassen lässt. Aber es zeigt sich wieder einmal: Bretter bohren lohnt sich.
😎Restore nature or die trying! 😁 https://t.co/kwkvpOxjhx
— Georg Waldmensch 🌳 (@GWaldmensch) November 9, 2023
Dem Gesetz, im Englischen „Nature Restoration Law“ genannt, war ein heftiger Streit vorausgegangen, unter anderem weil strenge Auflagen für Landwirte befürchtet wurden. Vor allem die Christdemokraten waren gegen das Vorhaben Sturm gelaufen und versuchten, es komplett auf Eis zu legen. Ein Antrag, das Gesetz zurückzuweisen, bekam im Sommer im Parlament jedoch keine Mehrheit.
Mit dem nun ausgehandelten Kompromiss werden Landwirte künftig nicht verpflichtet sein, einen bestimmten Prozentsatz ihres Landes für umweltfreundliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, was Bauern befürchtet hatten. Der gefundene Kompromiss muss noch formell von den EU-Staaten und den dem Europaparlament abgesegnet werden. Normalerweise ist das Formsache. In diesem Fall ist jedoch nicht ganz sicher, dass genug Christdemokraten von der EVP dem Kompromiss zustimmen, um eine ausreichende Mehrheit im Parlament zu bekommen.
Damit ist sichergestellt, dass sich wichtige Lebensräume erholen bzw. renaturiert werden können. Und es ist gesichert, dass wir alle eine tatsächlich nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln und Rohstoffen haben werden. #NatureRestorationLaw (2/3)
— Leonore Gewessler (@lgewessler) November 10, 2023
Die EU-Kommission begrüßte das Verhandlungsergebnis. Die EU-Staaten sollen bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen Maßnahmen durchführen, um einen guten Zustand wiederherzustellen.
Der WWF Österreich begrüßte die politische Einigung, kritisierte aber mehrere Schlupflöcher bei der künftigen Umsetzung: „Gut, dass es eine Einigung gibt, aber der aktuelle Kompromiss ist stark verwässert worden“, betonte WWF-Biodiversitätssprecher Joschka Brangs am Freitag in einer Aussendung. Der WWF Österreich forderte die Bundesregierung und alle EU-Abgeordneten daher auf, bei den finalen Abstimmungen für eine ambitionierte Fassung des Gesetzes einzutreten.
Der Umweltdachverband Österreich sprach von einer wegweisenden Entscheidung, gleichzeitig würden Schlupflöcher aber einen bitteren Beigeschmack hinterlassen. Als einer der kritisierten Punkte wurde die sogenannte „Notbremse“ bezeichnet. Demnach können die Bestimmungen für landwirtschaftliche Ökosysteme unter „außergewöhnlichen“ Umständen vorübergehend ausgesetzt werden. „Wir müssen darauf achten, dass wichtige Biodiversitätsflächen nicht unter dem Vorwand der Lebensmittelproduktion aufgelassen werden. Es ist jetzt an den Bundesländern, die Blockadepolitik endlich aufzugeben und sich konstruktiv auf die Umsetzung des Gesetzes vorzubereiten“, sagte Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.