Kategorie Klima- & Umweltschutz - 3. Januar 2024
Natur des Jahres 2024: Von Hamster, Ammer, Schleie & Pillenwälzer
Naturschutzbund Österreich präsentiert diverse Arten, die dieses Jahr im Vordergrund stehen sollen
Alle Jahre wieder werden verschiedenste Pflanzen, Tiere, Mikroben und Steine von den jeweiligen Fachexpertinnen zur Natur des Jahres gekürt. Damit sollen teils unbekannte Arten in den Vordergrund gerückt, auf Gefährdungen, manchmal auch auf Besserungen ihrer Lebensbedingungen hingewiesen werden. 2024 gehören dazu etwa Feldhamster, Pillenwälzer, Kreuzottern, Mausohren, Muschelschüppchen, Magnesit und Pinscher.
Der Feldhamster (Cricetus cricetus) ist in einer öffentlichen Wahl zum „Tier des Jahres“ gekürt worden. Er hat laut Naturschutzbund kaum etwas mit dem als Haustier beliebten Goldhamster gemein, und sieht vor allem nicht putzig aus, wenn ihm alle Fluchtwege abgeschnitten sind: Dann stellt er sich auf die Hinterbeine, bläst die Backentaschen auf, fletscht die Zähne, faucht und knurrt. Mitunter springt er Fressfeinde sogar an. Dieser Überraschungsangriff rette häufig sein Leben, so die Experten. Der Feldhamster leidet an Nahrungsknappheit, weil man ihm bei der hocheffizienten Ernte in der intensiven heimischen Landwirtschaft kaum etwas für ihn übrig lässt. Zudem setzen Bewässerungen seine Baue unter Wasser. Auch die Verfolgung als Ernteschädling sowie der Verlust von Lebensraum durch Bebauung bringen ihn in Bedrängnis.
Acker-Schwarzkümmel (Nigella arvensis) stammt aus dem Mittelmeerraum und breitete sich mit dem Ackerbau vor 4.500 Jahren in Europa aus. Weil er die Landwirte nicht störte, durfte er lange Zeit zwischen den Getreidehalmen gedeihen. Seit den 1960er-Jahren fällt diese „Ackerbegleitpflanze“ aber vermehrt Unkrautvernichtungsmitteln zum Opfer und findet in den dichten Getreidereihen kaum Platz mit Licht. Sie ist stark gefährdet. Um dies publik zu machen, wurde der Acker-Schwarzkümmel von Naturschutzbund und Verein zur Erforschung der Flora Österreichs zur „Pflanze des Jahres 2024“ gemacht.
Ebenfalls per Abstimmung erlangte die Schleie (Tinca tinca) den Titel „Wassertier des Jahres„. Jener karpfenartige Fisch war eine der Arten, die Fischereiverbände, das Österreichische Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF) und des Bundesamtes für Wasserwirtschaft als Kandidaten nominierten. Ihren Namen bekamen die Wassertiere, weil ihre Haut große Mengen Schleim absondert. Schleien bewohnen Autümpel und naturbelassene Uferbereiche von Seen. Solche Lebensräume sind aktuell selten, das Überleben der Fische sei deswegen gefährdet, erklären die Experten.
Akut in Gefahr ist das Überleben des „Vogels des Jahres 2024„, die Grauammer (Emberiza calandra). Seit der Jahrtausendwende sind ihre Bestände um 95 Prozent niedergegangen, so BirdLife Österreich. Auch ihr setzt intensive Landwirtschaft zu, deswegen sollten Flächen zeitweise aus der Nutzung genommen werden, Raine, Grabenränder und Grundstücksgrenzen vollständig unbewirtschaftet bleiben, womit sie wieder Lebensraum gewänne. Die Vögel sind grau und braun gestrichelt und haben eine Flügelspannweite von rund zehn Zentimetern. Sie leben und brüten (noch) im Weinviertel (NÖ) und Burgenland.
Das Große Mausohr (Myotis myotis) wurde gemäß BatLife Europe die Fledermaus des Jahres, und wird diesen Titel ins Jahr 2025 mitnehmen. Es ist mit einer Flügelspannweite von bis zu 43 Zentimetern das größte Flattertier Österreichs, schläft in natürlichen Höhlen, Kirchen und Schlössern und ernährt sich von Käfern sowie Spinnen. Laubwälder, Wiesen und Weiden sind sein Lebensraum. Große-Mausohr-Fledermausmütter rotten sich zu Kolonien von bis zu 8.000 Tieren zusammen, wo Männchen extremen Seltenheitswert haben. Die Existenz der braun-weißen Batmänner und -Frauen ist noch nicht gefährdet, obwohl ihre Futterressourcen und zugängliche Schlafräume schwinden.
Die Kreuzotter (Vipera berus) ist „Reptil des Jahres“ 2024. Ihre Weibchen sind eher braun gefärbt, die Männchen grau, manchmal sind die Tiere aber auch kupferrot oder schwarze „Höllenottern“. Sie tragen ein charakteristisches Zickzackband auf dem Rücken und kommen in Europa und Asien überall dort vor, wo es ihnen nicht besonders warm ist, zum Beispiel in den österreichischen Alpen. Die Giftschlangen sind für gesunde erwachsene Menschen nicht gefährlich, aber ihr Biss ist oft schmerzhaft. Sie fressen Eidechsen, Frösche, Mäuse und Ringelnattern, und werden von Mardern, Mäusebussarden und Wildschweinen gefressen. Derzeit halten sie in Felsspalten, hohlen Baumwurzeln und Erdgängen starr Winterruhe.
Die Gefleckte Höhlenspinne (Nesticus cellulanus) ist sowohl Spinne als auch Höhlentier des Jahres 2024. Ihr gelbbraun-schwarzer Körper misst einen halben Zentimeter, sie lebt in Kellergewölben, Grotten, Bergwerkstollen und natürlichen Höhlen. Dort baut sie an den Decken Netze mit herabhängenden Fangfäden, an denen Klebetröpfchen aufgereiht sind. „Sobald sich ein Beutetier (wie etwa eine Stechmücke) an den Klebetröpfchen verfangen hat, wird es von der Spinne mit weiteren Fangfäden beworfen, dann mit mehreren Giftbissen getötet und anschließend zum Netzteppich emporgezogen“, so die Jury aus 84 Arachnologen von 27 europäischen Ländern und des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher.
Das Schöne Muschelschüppchen (Normandina pulchella) und Hängende Widerhakenmoos (Antitrichia curtipendula) sind bald „Flechte des Jahres“ sowie „Moos des Jahres“ und kommen mit durch Hausbrand schadstoffbelasteter Winterluft schlecht zurecht, so die Experten des Naturschutzbundes Österreich und der Bryologisch-Lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa (BLAM). Das Körperchen der schönen Flechte besteht aus blaugrünen, muschelförmigen Schüppchen, die rund zwei Millimeter messen, und besiedelt zumeist Moose an der Borke von Laubbäumen. Dort ist auch das Widerhakenmoos in Form von Hänge- oder Deckenrasen anzutreffen. Durch geringere Luftverschmutzung (vor allem weniger Schwefelverbindungen) geht es beiden aktuell besser als im vorigen Jahrhunderts. Die Flechte gilt nicht mehr als gefährdet, das Moos immer noch.
Der Stierkäfer (Typhaeus typhoeus) gehört in die Riege der Dung- und Mistkäfer. Die Männchen haben am oberen Halsschild zwei nach vorne ragende „Hörner“. Sie setzen diese gegen Rivalen und beim Nistplat-Verteidigen ein. Die glänzend schwarzen, bis zwei Zentimeter großen Stierkäfer rollen ihre Nahrung zu Kugeln. Sie bestehen aus Kaninchen-, Reh-, Rinder-, Schaf- oder Pferdekot. Sie wurden vom Naturschutzbund, der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft und dem Kuratorium Insekt des Jahres zum „Insekt 2024“ für den deutschsprachigen Raum gewählt. Weil Stierkäfer aber eher im westlichen und nordöstlichen Mitteleuropa vorkommen als in Österreich, huldigt man in der Alpenrepublik ersatzweise den „Pillenwälzer“ (Sisyphus schaefferi). Er rollt ebenfalls Futterkugeln aus Fäkalien herum.
In Quellen und Bächlein von Hügeln und Bergen lebt das österreichische „Weichtier des Jahres„, die Quellschnecke (Bythinella). Ihr Haus wird nicht höher als vier Millimeter, ihre Nahrung sind Bakterien und Algen, und es gibt Männchen und Weibchen (was etwa bei ihren großen Verwandten, den Weinbergschnecken als Zwitter nicht der Fall ist). Sie ist nicht akut gefährdet, aber lokal bedroht, wenn Quellen durch den Klimawandel austrocknen oder wärmeres Wasser zu Tage bringen, denn ihre Fortpflanzungsfähigkeit braucht eine gewisse Kühle.
Die Steppenkoralle (Phaeoclavulina roellinii) heißt die Österreichische Mykologische Gesellschaft „Pilz des Jahres„. Sie ist ockergelbfarben, hat korallenförmige Äste an einem Strunk, brüchiges Fleisch, schmeckt und riecht laut Experten nicht besonders, und wurde hierzulande bisher nur an zwei Stellen in der Steiermark und dem Burgenland gefunden.
Zum ungewünschten Eingeschleppten vulgo Alien des Jahres 2024 erklärte der Naturschutzbund den „Japanischen Staudenknöterich“ (Fallopia japonica). Allerdings schon im 19. Jahrhundert holte man ihn aus Ostasien nach Mitteleuropa, und zwar als Zierde und Futter für Wild und Vieh. Er führt mittlerweile ein verwildertes Dasein vor allem an Gewässer-Uferböschungen, wo er dichte Stauden mit großen Blättern sowie kleinen weißen Blüten bildet. „Er stellt zwar keine direkte Gefahr für den Menschen dar, aber unterdrückt heimische Pflanzen durch seine Größe und Dichte“, so die Experten. Man solle ihn laut Experten „abmähen, abstechen, abreißen und ausgraben.“
Die St. Veiter Pfelzkirsche aus dem Pongau in Salzburg ist „Streuobstsorte 2024„, so die ARGE Streuobst. Sie wird durch Pfelzen vermehrt, das heißt Pfropfen. Dafür wird ein Ästchen (eine Rute) der Sorte auf Sämlinge etwa der Vogelkirsche gesteckt. Mit dieser Technik würden die typischen Eigenschaften gut erhalten, so die Experten. Die Pfelzkirschenfrüchte sind außen schwarz und innen rot, können als Rohkost getafelt, zu Kompott verkocht, in Strudelteig gepackt, zu Essig vergoren oder zu Schnaps gebrannt werden.
Es gibt auch zwei „Nutztierrassen des Jahres 2024„. Der Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen – Arche Austria ernannte den Österreichischen Kurzhaarpinscher zum nächstjährig in Ehren zu haltenden Kleintier. Er fängt auf Bauernhöfen Ratten und Mäuse, was ihm den Spitznamen „Rattler“ einbrachte. Das Kärntner Brillenschaf ist das „große Nutztier 2024„, sei wunderschön und habe „vorzügliche Fleischqualität“, so die Experten. Es überlebte eine „massive Rassendiskussion mit Beginn des zweiten Weltkriegs“ kaum, weil man „das rein weiße Schaf als oberstes Zuchtziel sah“. Heute sind die Tiere mit ihren „hängenden bis leicht abstehenden Ohren“ und schwarzen und braunen Flecken um die Augen, die an Sehhilfen erinnern, keinen rassistischen Angriffen mehr ausgesetzt.
Die Cafeteria wurde von Expertinnen der Gesellschaft für Protozoologie zum „Einzeller des Jahres 2024“ erkoren. Getauft wurde sie von zwei Einzellerforschenden, die bei der Namenssuche in einem Kaffeehaus saßen und befanden, dass ihre Form einer Kaffeetasse gleicht. Cafeterien leben weltweit verbreitet im Meer- und Süßwasser.
Mg[CO3] vulgo Magnesit wird in Österreich in großem Maßstab abgebaut sowie verarbeitet und 2024 den Titel „Mineral des Jahres“ tragen, wozu ihm die Arbeitsgemeinschaft Mineral des Jahres verhalf. Er ist ein Schmuckstein, zentraler Rohstoff für Hochfeuerfestprodukte, sowie unverzichtbar für die Erzeugung von Stahl, Zement und Glas, so die Experten. Außerdem könnte er in Zukunft vielleicht klimaschädliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden.