Kategorie Klima- & Umweltschutz - 11. November 2024

Start der COP29 – Höchste Alarmstufe beim Zustand des Weltklimas

Weltwetterorganisation hält 1,5-Grad-Ziel aber noch für erreichbar – Kernaufgabe ist die Erarbeitung einer neuen Klimafinanzierung für die Zeit ab 2025 – Österreich wird durch Klimaschutzministerin Gewessler vertreten

Unter dem Eindruck zunehmender Klimakatastrophen in aller Welt hat am Montag in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku die 29. UNO-Klimakonferenz (COP29) begonnen. COP29-Präsident Mukhtar Babayev sprach zum Auftakt der zweiwöchigen Verhandlungen mit Blick auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens von einem „Moment der Wahrheit“. Dieses Jahr steht bei der Konferenz die Klimafinanzierung im Mittelpunkt.

 

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler wird die österreichische Delegation leiten und in der zweiten Verhandlungswoche in Baku erwartet. Zu den diesjährigen Aufgaben der Delegationen aus fast 200 Ländern gehört es, einen neuen Rahmen für die internationale Klimafinanzierung für die Zeit ab 2025 festzulegen. Bisher gilt für die Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung eine Zusage der reichen Industrieländer von mindestens 100 Milliarden Dollar (93,29 Milliarden Euro) pro Jahr.

Nach Expertenschätzungen wären künftig mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Einige Berechnungen kommen sogar auf 2,4 Billionen Dollar.

Passend dazu haben die Vereinten Nationen angesichts der Wucht des Klimawandels innerhalb einer einzigen Generation erneut die höchste Alarmstufe verhängt. Dies teilte die Weltwetterorganisation (WMO) bei der Vorstellung ihres Berichts über den Zustand des Weltklimas 2024 mit, der zum Auftakt der COP29 veröffentlicht wurde.

Die globale Durchschnittstemperatur habe von Jänner bis September dieses Jahres bei der Rekordmarke von 1,54 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) gelegen, berichtet die WMO auf der Weltklimakonferenz in Baku in Aserbaidschan. Klimaforscher rechnen kaum damit, dass sich daran bis Jahresende noch viel ändert. Dass 2024 das wärmste Jahr seit gewesen sein dürfte, hatte schon der EU-Klimawandeldienst Copernicus berichtet. Die WMO wertet für ihre Prognosen dessen Daten und die von fünf weiteren Instituten aus.

Bisher war 2023 das wärmste Jahr seit der Industrialisierung (1850-1900), mit einer globalen Durchschnittstemperatur von plus 1,48 Grad. Weil die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre weiter steigt, dürfte der Klimawandel sich mit höheren Temperaturen, steigendem Meeresspiegel, mehr Dürren und Waldbränden und Extremwetter weiter beschleunigen, so die WMO.

Das weltweite Ziel, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad zu halten, um die schlimmsten Klimawandelfolgen abzuhalten, ist mit einem Jahr mit über 1,5 Grad Erwärmung noch nicht verfehlt. Dafür gibt zu viele kurzfristige natürliche Einflüsse auf das Klima, so die WMO. Dazu gehört etwa das alle paar Jahre spürbare Phänomen El Niño, das 2023 und Anfang 2024 noch einen wärmenden Effekt hatte.

Für das Ziel wird ein Durchschnittswert über mindestens zwei Jahrzehnte angesetzt. Im langjährigen Mittel liege die Erwärmung nach Beurteilung von WMO-Experten zurzeit bei etwa 1,3 Grad über vorindustriellem Niveau.

„Die rekordverdächtigen Regenfälle und Überschwemmungen, die Wirbelstürme, die plötzlich rapide gefährlicher werden, die tödliche Hitze, die unerbittliche Dürre und die schlimmen Waldbrände, die wir in diesem Jahr in verschiedenen Teilen der Welt erlebt haben, sind leider ein Vorgeschmack auf unsere Zukunft“, sagte WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo.

Die Zehn-Jahres-Periode 2015 bis 2024 sei die wärmste Dekade seit Beginn der Beobachtungen vor 175 Jahren gewesen, so die WMO. Ozeane seien im vergangenen Jahr im Durchschnitt so warm gewesen wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Vorläufige Daten deuteten darauf hin, dass die Temperaturen in diesem Jahr ähnlich hoch lagen. 90 Prozent der Energie der Erde werde in den Ozeanen gespeichert. Die Erwärmung sei eine Veränderung, die auf hunderte bis tausende Jahre unumkehrbar sei.

Der Meeresspiegel sei wegen der Ausdehnung des wärmeren Wassers und der Eisschmelze von 2014 bis 2023 um 4,77 Millimeter pro Jahr gestiegen, mehr als doppelt so schnell wie 1993 bis 2002. Im vergangenen Jahr hätten die Gletscher weltweit mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Messungen 1953.

Die Erwärmung der Ozeane die Gletscherschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigten sich und Extremwetter richteten verheerende Schäden an.

Angesichts dieser Bedingungen rücken auf der COP29 auch die Verhandlungen um eine dringend notwendige Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemissionen in den Fokus – allerdings unter schwierigen Vorzeichen. Vor wenigen Tagen gewann der Klimawandel-Leugner Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl, am 20. Jänner tritt er sein Amt an. Es wird erwartet, dass die USA unter Trump erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Außerdem will der Republikaner die Förderung von klimaschädlichem Erdöl und Erdgas in den USA massiv ausweiten.

Von Dubai bis Baku: Hitzerekorde, Katastrophen, Politstreits

Seit der 28. Klimakonferenz in Dubai ist weniger als ein Jahr vergangen. Die vergangenen elf Monate waren von vielen alarmierenden Nachrichten im Zusammenhang mit dem Klima geprägt: Die globale Erwärmung nimmt ebenso zu wie die Intensität ihrer Auswirkung. Politisch waren indes sowohl Fort- als auch Rückschritte zu verzeichnen. Im Folgenden ein Überblick.

13.12.2023: Die UNO-Klimakonferenz in Dubai endet mit einem Schlussdokument, in dem erstmals die Abkehr von den fossilen Energiequellen Kohle, Öl und Gas als notwendig bezeichnet wird. Der Präsident der COP28, Sultan Al Jaber (Vereinigte Arabische Emirate), bezeichnete die Einigung als „historisch“, die Formulierung fällt jedoch deutlich schwächer aus als angestrebt. Für den postulierten „Übergang weg von fossilen Energieträgern in den Energiesystemen“ werden weder konkrete Maßnahmen noch Zeitpläne festgelegt.

6.2.2024: Die EU-Kommission schlägt vor, die Treibhausgas-Emissionen der Union bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Damit soll eine Lücke zwischen dem bestehenden Reduktionsziel für 2030 (minus 55 Prozent) und der geplanten Klimaneutralität bis 2050 geschlossen werden. Die Umsetzung wird der nächsten EU-Kommission überlassen.

19.3.2024: Die vergangenen zehn Jahre waren laut Weltorganisation für Meteorologie (WMO) weltweit das heißeste Jahrzehnt seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Zugleich war das Jahr 2023 das bisher heißeste seit Aufzeichnungsbeginn. Die Erwärmung der Ozeane, der Rückgang der Gletscher und das Schmelzen der Polkappen seien zutiefst beunruhigend, heißt es im WMO-Jahresbericht. UNO-Generalsekretär António Guterres sprach davon, dass die Klimaerwärmung den Planeten an den „Rand des Abgrunds“ bringe: „Die Erde sendet einen Hilferuf.“

7.4.2024: An der Wetterstation Bruck an der Mur in der Steiermark wird der erste Hitzetag – mindestens 30 Grad – des Jahres gemessen. Es ist der früheste Hitzetag in Österreichs Messgeschichte und zehn Tage früher als beim bisherigen Rekord.

9.4.2024: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg verurteilt in einem wegweisenden Urteil die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes. Die Richterinnen und Richter gaben einer Gruppe Schweizer Seniorinnen recht, die ihrer Regierung vorwerfen, nicht genug gegen den Klimawandel zu tun. Durch das Urteil könnten Regierungen zu einer ehrgeizigeren Klimapolitik gezwungen werden, meinen Experten.

17.6.2024: Das EU-Renaturierungsgesetz wird dank der Stimme Österreichs mit einer knappen Mehrheit im EU-Umweltrat angenommen. Möglich wird dies durch die Zustimmung von Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die sich auf eine dank des Ausscherens Wiens nicht mehr vorliegende einhellige Ablehnung des Gesetzes durch die Bundesländer beruft und damit gegen den Willen ihres Koalitionspartners ÖVP handelt. Die folgende Amtsmissbrauch-Anzeige der Volkspartei wird später von Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zurückgelegt, die angekündigte Nichtigkeitsklage bei der EU nicht weiter verfolgt.

20.6.2024: Wegen der extremen Hitze sterben über 1.000 Menschen bei der muslimischen Pilgerfahrt Hadsch in Saudi-Arabien.

21.7.2024: Für den EU-Beobachtungsdienst Copernicus ist dies der weltweit heißeste je gemessene Tag. Die Durchschnittstemperatur habe auf der Erde 17,09 Grad betragen. Hitzewellen in den USA, Russland und Europa waren dem neuen Rekord vorausgegangen. Seit Juni 2023 war jeder einzelne Monat der jeweils wärmste der Geschichte gewesen, heißt es.

14.-16.9.2024: Anhaltende schwere Regenfälle bescheren viele Regionen Österreichs Rekord-Niederschlagsmengen. Besonders stark betroffen ist das Tullnerfeld, das Kamptal und der Wiener Raum. Sechs Todesopfer sind zu beklagen. In Wien muss die U-Bahn teilweise gesperrt werden, an U-Bahn-Baustellen entstehen Millionenschäden. In Niederösterreich wird der Bahntunnel der Westbahnstrecke schwer in Mitleidenschaft gezogen und muss wochenlang wieder instand gesetzt werden.

2.10.2024: Die EU-Kommission verschiebt das für 1. Jänner 2025 geplante Inkrafttreten der Entwaldungsverordnung, die verhindern soll, dass Produkte auf den europäischen Markt kommen, für deren Herstellung es zu Entwaldung kam – also etwa eine Waldfläche dauerhaft in Agrarfläche umgewandelt wurde. Waren wie Holz, Rinder oder Soja müssen künftig eine Sorgfaltserklärung inklusive Geodaten haben. Den Bedenken der Wirtschaft wird jedoch Rechnung getragen, eine zusätzliche Übergangsfrist von zwölf Monaten eingeräumt, „um eine ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung zu gewährleisten“. Kritiker befürchten den Anfang vom Ende der eigentlich bereits 2023 beschlossenen Maßnahme und sehen dies als weiteres Beispiel für die schrittweisen Abkehr vom European Green Deal, der ambitionierten Klimaschutzziele der EU.

30.10.-1.11.2024: Bei schweren Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kommen über 200 Menschen ums Leben. An manchen Orten wird in acht Stunden mehr Niederschlag als beim jüngsten Hochwasser in Österreich innerhalb von fünf Tagen verzeichnet. Beklagt wird das zu späte Aktivieren der Warnungen. Viele Opfer werden in Tiefgaragen beklagt, die innerhalb weniger Minuten komplett unter Wasser stehen. Straßen verwandeln sich in reißende Flüsse, die Autos mit sich reißen und aufeinander türmen. Extreme Starkregenereignisse werden künftig durch die Aufheizung der Weltmeere häufiger, warnen Experten zum wiederholten Mal.

2.11.2024: Die UNO-Artenschutzkonferenz im kolumbianischen Cali geht ohne eine Einigung zu Finanzierungsfragen zu Ende. Umweltministerin Susana Muhamad erklärt als Vorsitzende die Konferenz vor einer finalen Abstimmung beendet, da viele Teilnehmer diese bereits verlassen hätten, um ihre Heimflüge nicht zu verpassen.

6.11.2024: Ex-Präsident Donald Trump wird erneut zum Präsidenten der USA gewählt. Der Republikaner leugnet die Klimakrise und kündigte im Wahlkampf einen drastischen Ausbau der Öl- und Erdgasförderung der USA an. In seiner ersten Amtszeit hatte er den Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen veranlasst, das das Ziel festschreibt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

7.11.2024: Laut dem EU-Klimawandeldienst Copernicus wird auch 2024 das wärmste Jahr seit dem Start der Messungen. Die durchschnittliche Temperatur weltweit könnte nach diesen Prognosen 1,55 Grad über dem weltweiten vorindustriellen Mittel liegen. 2023 waren es 1,48 Grad.

apa/red

Erderwärmung dieses Jahr praktisch sicher erstmals über 1,5 Grad