Kategorie Innovation & Technologie - 31. Juli 2016

Als Beobachter in fahrenden Robotern

Wien – Wird die Vision vom Pkw, der uns eigenständig zur Arbeit, in den Urlaub oder zum Heurigen kutschiert, tatsächlich Realität? Für Manfred Tscheligi ist das nur eine Frage der Zeit. Der Leiter des Center for Human-Computer Interaction der Universität Salzburg sowie des Fachbereichs Technology Experience des Austrian Institut of Technology (AIT) beschäftigt sich schon seit langem mit der Interaktion zwischen Mensch und Maschine – und genau das ist ein Faktor, der bei selbstfahrenden Autos eine große Rolle spielen wird.

„Je mehr Autonomie das Auto hat, desto mehr wird der Mensch zum Beobachter.“ In Forschungsprojekten soll diese Machtübernahme durch Maschinen und die Folgen für die Insassen untersucht werden. „Im Prinzip kommen ja Technologien wie in Robotern zum Einsatz, etwa Sensoren. Doch in Robotern sitzt man üblicherweise nicht drin.“ Es ist eben ein Unterschied, ob in einer Fabrik etwas zusammengebaut wird oder ein Mensch mit einer Geschwindigkeit von 130 Kilometern in der Stunde auf der Autobahn unterwegs ist.

Wie werden die Übergänge vom aktiven Tun zum Zuschauen gestaltet? Was muss, darf und will der Mensch im Auto noch machen? Das sind Fragen, die geklärt werden müssen – abseits aller technologischen Möglichkeiten. „Wir sollten den Mitfahrenden mehr Informationen geben, damit sich diese sicher fühlen“, sagt Tscheligi. Das könnte auch bedeuten, mehr Interaktion mit der Maschine zu ermöglichen, als rein technisch notwendig wäre, vor allem in einer Übergangsphase.

Vorbild Flugverkehr

Vorbild dafür können der Schienen- und der Flugverkehr sein, wo die Verkehrsmittel theoretisch schon mehr alleine machen könnten (etwa das Flugzeug landen), als getan wird. Von Bedeutung ist beim Autofahren auch das sogenannte Deskilling, also das Verlernen gewisser Fähigkeiten. Wenn mehr und mehr das Auto die Kontrolle übernimmt, könnten die Fahrer nicht mehr in der Lage sein, richtig zu reagieren. „Es wird wohl nötig sein, die Menschen immer wieder zu trainieren, sodass in heiklen Situationen richtig reagiert werden kann“, meint Tscheligi.

Das könnte durch Simulationstrainings geschehen, wie auch Piloten solche regelmäßig durchführen müssen. Denn bei Bedarf werden selbstfahrende Autos erst recht wieder den Menschen als Lenkrad lassen, etwa wenn die Sicht extrem schlecht ist. Die Forscher sehen sich auch an, wie solche Hand-over-Situationen ablaufen können.

Notwendige Überwachung

Aber werden die Menschen dann überhaupt ausreichend aufmerksam sein, um bei Bedarf reagieren zu können? „Es wird wohl ohne Überwachungskonzepte nicht gehen“, sagt Tscheligi. Überwachung der Menschen, wohlgemerkt: Wenn man in die Tageszeitung vertieft ist, wäre eine schnelle Reaktion im Notfall wohl nicht möglich.

Nicht das Steuern von Autos, sondern eher deren Verkauf steht bei einer kürzlich beschlossenen Forschungskooperation zwischen der Porsche Holding und der Universität Salzburg im Mittelpunkt: Beim „Automotive Retail Lab“ geht es laut Tscheligi um neue Ansätze, wie Pkws – darunter autonome Fahrzeuge – in Zukunft verkauft werden. Der Ansatz: Der Autokauf via Internet wird die Ausnahme bleiben, daher braucht es eine Neugestaltung der Schauräume mit digitalen Technologien. „Grundsätzlich sind solche Kooperationen mit der Industrie wichtig, weil die Erforschung komplexer Interaktionen stets den praktischen Konnex braucht,“

Der Forscher fordert aber eine sozialwissenschaftliche Beurteilung des Fortschritts, gerade bei selbstfahrenden Autos. Die jüngsten Unfälle mit Tesla-Fahrzeugen sind für Tscheligi der Beweise, dass derzeit „noch zu wenig ausprobiert wird und es an gesellschaftskritischer, wissenschaftlicher Begleitung mangelt.“ Man dürfe den Herstellern nicht die Antwort auf die Frage überlassen, ob die Technologie bereits den nötigen Reifegrad erreicht habe. „Wir sehen das ja schon im Straßenverkehr: Fahrer werden durch eingebaute Systeme immer wieder abgelenkt.“

Bei selbstfahrenden Autos sei die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ein Faktor, der bisher vernachlässigt wird. „Die oft probierte Praxis, zuerst die Technik auf den Markt zu bringen und dann zu erwarten, dass sich die Menschen daran gewöhnen, wird in diesem Fall sicher nicht funktionieren.“ (Robert Prazak, 27.7.2016)


Autonomes Fahren

Die Fantasie, kaffeetrinkend und zeitunglesend in einem selbstfahrenden Auto zu sitzen, gibt es schon lange. Nun ist sie rein technisch zwar realisierbar. Doch wie lässt sich der tiefgreifende Wandel in den Verkehrssystemen umsetzen, wie kann man Autofahrer zu Insassen von Roboterfahrzeugen machen, die natürlich nicht nur Kaffee trinken, sondern das maschinengesteuerte Fahrsystem beobachten und im Notfall auch eingreifen? Welchen Einfluss wird diese Technik auf den Energieverbrauch haben? Welchen rechtlichen Rahmen braucht das autonome Fahren?

Das Thema „Autopilot“ im Straßenverkehr ist nach den jüngsten Tesla-Unfällen in Verruf geraten. „Forschung Spezial“ widmet sich deshalb einigen der wichtigsten Fragen und wirft auch einen Blick auf die Basis von alldem: Wie lernen Maschinen überhaupt? (red)