Kategorie Innovation & Technologie - 13. September 2023

Österreichischer Mini-Klimasatellit PRETTY wird Anfang Oktober ins All starten

Update 03. Oktober 2023

Start von PRETTY verschiebt sich leicht

Ursprünglich sollte der für die Europäische Weltraumagentur ESA gebaute österreichische Miniatursatellit PRETTY am Mittwoch (4. Oktober) mit einer Vega-Rakete seine Reise ins All antreten. Neuer geplanter Starttermin ist nun Samstag (7. Oktober) um 03:36 Uhr mitteleuropäischer Zeit, wie Raketenbetreiber Arianespace sowie der österreichische Weltraumzulieferer Beyond Gravity Austria (vormals RUAG Space) mitteilten.

 


 

Am 4. Oktober 2023 fliegt ein in Österreich gebauter und vom Klimaschutzministerium über die Europäische Weltraumagentur (ESA) finanzierter Klimaforschungssatellit in den Weltraum.

Der für die Europäische Weltraumagentur ESA gebaute österreichische Miniatursatellit namens PRETTY soll nach derzeitiger Planung am 4. Oktober an Bord einer Vega-Rakete seine Reise ins All antreten. Der Start erfolgt vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guayana) aus.

Als Teil der weltweiten Umwelt- und Wetterbeobachtung der ESA soll er den Klimawandel erforschen und zur Nachhaltigkeit im Weltraum beitragen. Entwickelt wurde der Satellit von Beyond Gravity Austria als Hauptauftragnehmer gemeinsam mit der TU-Graz sowie der Seibersdorf Labor GmbH für die ESA.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (rechts) besuchte im April 2022 die Weltraumelektronikproduktion in einem Reinraum von Beyond Gravity Austria in Wien.

Der von Österreich im Rahmen des ESA-Technologieprogramms GSTP finanzierte Nanosatellit trägt dazu bei, neue Technologien zur Erforschung des Klimawandels und zur Nachhaltigkeit im Weltraum zu etablieren. Eine solche neue Technologie ist insbesondere das PRETTY-Hauptinstrument, ein von Beyond Gravity entwickeltes Reflektometer. Es bestimmt Eisbedeckungen auf der Erdoberfläche sowie die exakte Höhe der Meeresspiegel und die Intensität von Meereswellen. Von der Seibersdorf Labor GmbH stammt das zweite Instrument, ein Strahlungsdetektor. Dieser misst die Weltraumstrahlung und beurteilt die Effekte auf die Elektronik des Satelliten und trägt mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen zur Nachhaltigkeit von Weltraummissionen bei. Beide Instrumente werden gänzlich neue Messverfahren anwenden.

 

„Das Schmelzen von Eisflächen und der Anstieg der Meeresspiegel zählen zu den sichtbarsten Beispielen für die Ausprägung der Klimakrise. Mit dem österreichischen Klimasatelliten PRETTY haben wir dafür eine neue und genauere Messmethode aus dem All. Die Daten werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Erkenntnisse aus der Mission tragen so zur Nachhaltigkeit auf der Erde und im Weltraum bei“, betont Klimaschutz- und Weltraumministerin Leonore Gewessler.

„Kleinsatelliten sind ein wichtiges Element, um die Weltraumforschung entscheidend voranzubringen. Mit Kleinsatelliten eröffnen sich viele Möglichkeiten, neue Weltraumtechnologien rasch und kostengünstig auszuprobieren“, sagt Andreas Geisler, Leiter der Agentur für Luft- und Raumfahrt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), die im Auftrag des BMK die österreichischen Weltraumaktivitäten fördert. „Aus diesem Grund haben wir mit der ESA eine Ausschreibung und technische Betreuung der Satellitenentwicklung konzipiert, die genau auf die österreichischen Bedürfnisse zugeschnitten ist.“

Entwickelt & gebaut in Österreich

Der Nanosatellit PRETTY (Passive REflectomeTry and dosimeTrY) wird der fünfte Satellit „Made in Austria“ im Weltall sein. Es ist bereits der dritte Nanosatellit aus den Labors der TU-Graz, die auch die Bodenstation der Satellitenmission betreibt. „Die Analyse des Klimawandels und wie wir dessen Herausforderungen begegnen, sind zentrale Forschungsthemen der TU-Graz. Der Satellit PRETTY wird hierfür einen wichtigen Beitrag leisten. Mit den anspruchsvollen wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen von Satellitenmissionen ist die TU-Graz bestens vertraut. Mit TUGSAT-1 und OPS-SAT konnten wir mit der Konstruktion und Produktion von Satelliten sowie deren Überwachung von der Erde aus über viele Jahre Erfahrung sammeln“, sagt Harald Kainz, Rektor der TU-Graz.

PRETTY ist ein Nanosatellit aus drei Würfeln von jeweils zehn mal zehn mal zehn Zentimetern. Der Satellit ist eine In-Orbit-Demonstrator-Mission der ESA und wird die Erde in einer polaren Umlaufbahn in rund 600 Kilometern Höhe umkreisen. Entwickelt und gebaut wurde der PRETTY-Klimasatellit vollständig in Österreich. „Zum ersten Mal hatten wir die Gesamtverantwortung für eine gesamte Raumfahrtmission, ein Ritterschlag für jedes Weltraumunternehmen“, so Kurt Kober, Geschäftsführer von Beyond Gravity Austria (ehemals RUAG Space), Österreichs größtem Weltraumzulieferer. Das Unternehmen mit Sitz in Wien-Meidling ist Marktführer etwa bei Produkten für die präzise Positionsbestimmung von Satelliten im All oder dem Hitze- und Kälteschutz von Satelliten.

Höhenmessungen bis auf cm genau

Das Hauptinstrument von PRETTY ist ein von Beyond Gravity in Wien entwickeltes Instrument zur sogenannten passiven Reflektometrie. „Dieses Instrument erlaubt besonders genaue Höhenmessungen bis in den Dezimeter- und Zentimeterbereich“, so Projektleiter Walter Hörmanseder von Beyond Gravity. Andreas Dielacher, der zuständige Systemingenieur bei Beyond Gravity, ergänzt: „Die interferometrische Methode wird erstmalig im All angewandt. Dabei werden empfangene Signale der EU-Navigationssatelliten Galileo und der US-Navigationssatelliten GPS verwendet, um sie mit an der Erdoberfläche reflektierten Signalen zu korrelieren. Daraus lassen sich unter anderem die Höhe von Wellen und Eiskappen bestimmen, aber auch Windgeschwindigkeiten oder Bodenfeuchte. Die gewonnenen Daten werden von einem internationalen Wissenschaftsteam ausgewertet, das auf diese dringend wartet.“ Die Daten werden der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt.

Satelliten sind im Weltraum einer sehr herausfordernden Umgebung ausgesetzt. „Weltraumwetterereignisse, wie beispielsweise Sonnenstürme, haben Auswirkungen auf den Flugverkehr, Kommunikations- und Navigationssysteme, sowie auf die Stromversorgung auf unserer Erde und können Satelliten und Astronauten im All gefährden“, so Peter Beck, Leiter Strahlenschutz, Weltraumwetter und Strahlungsfestigkeit bei Seibersdorf Laboratories. „Daher sind Prüfungen bezüglich Strahlungsfestigkeit von Satellitenkomponenten essenziell für die Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit von Weltraummissionen.“ Seibersdorf Laboratories stellt der internationalen Weltraumindustrie Prüfungen auf Strahlungsfestigkeit als kommerziellen Service zur Verfügung.

SATDOS, die zweite Nutzlast von PRETTY, wurde von Seibersdorf Laboratories entwickelt. SATDOS liefert mit Hilfe von mehreren Strahlungssensoren Erkenntnisse zu Sonnenaktivität und Weltraumwetter. Die im Rahmen von PRETTY entwickelte SATDOS Referenzdosimeter-Plattform misst den Einfluss der Strahlungsumgebung im Weltall auf Elektronikbauteile, wie sie vielfach in allen modernen Geräten und natürlich auch in Satelliten zum Einsatz kommen. „Die gemessenen Strahlungseffekte erlauben Rückschlüsse auf das aktuell vorherrschende Weltraumwetter und die Zuverlässigkeit von Elektronik in Satelliten“, erklärt Christoph Tscherne, Experte für Strahlungsfestigkeit und Projektleiter für PRETTY bei Seibersdorf Laboratories, „damit trägt die Referenzdosimetrie-Plattform SATDOS zur Nachhaltigkeit von Weltraummissionen bei.“

PRETTY ist der 5. Austrosatellit im All

PRETTY ist der dritte Satellit aus den TU-Graz-Laboren und wird der fünfte Austrosatellit im All sein. Die bisherigen österreichischen Satelliten (allesamt Kleinsatelliten) im Überblick:

  • TUGSAT-1 der Technischen Universität Graz
  • UniBRITE der Universität Wien (TUGSAT-1 und UniBRITE sind Teil einer Flotte von fünf Nano-Satelliten, die Helligkeitsschwankungen von Sternen messen; beide seit 2013 im All)
  • PEGASUS der FH Wiener Neustadt (untersucht die Beschaffenheit der Erdatmosphäre; seit 2017 im All
  • OPS-SAT der TU-Graz (weltweit erste öffentlich zugängliche in-orbit Testplattform zur Erprobung neuer operationeller Technologien und Weltraumsoftware; erste ESOC Nanosatellitenmission; seit 2019 im All)
INFObox: Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ist zugleich auch Weltraumministerium und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben. Alle Kleinsatelliten wurden vom BMK als Weltraumministerium entweder aus ESA- oder aus nationalen Mitteln über die FFG gefördert.