Kategorie Energie - 17. September 2020

Green Recovery: So gelingt der ökologische Wirtschaftsaufschwung

Wirtschaftskrisen waren noch nie gut für die Umwelt. Was zunächst wie ein Paradoxon klingt, entspricht leider immer wieder der Realität. Auch 2020 hat das Coronavirus die Klimakrise zwar nicht aus der Wirklichkeit, aber aus vielen Debatten und politischen Diskussionen, verständlicherweise auch aus dem Bewusstsein vieler Menschheit verdrängt.

Die globale Wirtschaft ist nun zwar nicht mehr in jener Schockstarre, wie noch am Anfang der Pandemie, als Millionen Menschen nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit fuhren, kaum mehr Flieger in die Luft gingen und viele Fabriken stillstanden. Der damit verbundene kurzfristige Rückgang schädlicher Klimagase hat dem Planeten jedoch nur kaum Verschnaufpause gegeben.

Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie ist es nun umso mehr an der Zeit, einen ökosozialen Wiederaufbau der Wirtschaft mit ambitionierten Zielen zur Bewältigung der Klimakrise eng zu verknüpfen. Wie kann gerade Corona eine Chance und ein Experimentierfeld dafür sein? Green Recovery ist hier das Stichwort: Klima- und umweltschonende Investitionen, um im Idealfall gleich zwei Krisen auf einmal zu überwinden.

Wachstum in grün

Österreich geht hier voran und hat über das Klimaschutzministerium (BMK) wichtige klimarelevante Maßnahmen in den Konjunkturpaketen der Bundesregierung verankert. Ein großes Klimainvestitionspaket mit zwei Klimamilliarden, jeweils 2021 und 2022, steht dabei im Mittelpunkt. Die Schwerpunkte dessen liegen in einer Sanierungsoffensive, im Ausbau Erneuerbarer Energien, in klimafreundlichen Technologien für die Zukunft, deutlich erhöhter Mittel für den Klima- und Umweltschutz sowie in Konjunkturpaketen für Gemeinden, Schulen und den Öffentlichen Verkehr.

„Klimaschutz ist das beste Konjunkturprogramm und wir wollen gerade jetzt den Menschen in Österreich sichere Arbeit, eine stabile Wirtschaft und eine gute Zukunft geben. Investitionen in den Klimaschutz schaffen Arbeitsplätze, sie sorgen für regionale Wertschöpfung und sie stellen vor allem eines sicher: Dass wir auch in Zukunft einen Planeten haben, auf dem wir gut leben können“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zu den angekündigten Investitionen. „Darüber hinaus werden wir noch in diesem Jahr mit umfangreichen Investitionen beginnen. Und das, zusätzlich zu den schon bislang geplanten und budgetierten Maßnahmen.“

Erst gestern ist das Erneuerbaren Ausbau Gesetz 2020 (EAG 2020) in Begutachtung geschickt worden, mit dem das Fördersystem zu sauberer Energie grundlegend umgebaut wird, um die Produktionskapazität für Strom aus regenerativen Quellen bis 2030 um 27 TWh auszubauen. Das Gesetz soll am 1. Jänner 2021 in Kraft treten und ist dann im Stande, einen deutlichen Investitionsschub rund um erneuerbare Energien zu initiieren.

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) ist das größte Energiepaket seit Jahrzehnten auf dem Weg

260 Millionen Euro stellt das BMK in den nächsten drei Jahren für den Ausbau erneuerbarer Energien zusätzlich zur Verfügung. In den über unseren Klima- und Energiefonds abgewickelten Förderungen enthalten sind ein Impulsprogramm für großthermische Solaranlagen, die intensive Förderung von Energiegemeinschaftsanlagen, eine Sonderförderung für das Ende der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas in der Nah- und Fernwärme, ein Beratungsprogramm für den Ausbau der Kleinwasserkraft sowie die Photovoltaik-Förderung von Kleinanlagen.

750 Millionen Euro werden in den Jahren 2021 und 2022 für thermische Sanierung und den Umstieg auf saubere Heizungen zur Verfügung gestellt. Allein über die Fortsetzung des Heizkesseltauschprogramms „Raus aus Öl“ fließen dazu jeweils 200 Millionen Euro an Förderungen in den nächsten beiden Jahren. Damit wird sichergestellt, dass Gebäude künftig deutlich weniger Energie verbrauchen und dass der Umstieg von fossilen Öl- und Gasheizungen auf neue, nicht-fossile Alternativen vorangetrieben wird. Zudem wird damit ein wichtiger, stimulierender Impuls für regionale Beschäftigung und die heimische Wirtschaftsentwicklung sowie ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Klima- und Energieziele erwartet. Ein Schwerpunkt soll hier auf energiearmen und einkommensschwachen Haushalten liegen.

Heizkesseltausch – BMK fördert Umstieg auf saubere Heizungen heuer mit 100 Millionen Euro

Darüber hinaus sollen in den kommenden Monaten bestehende rechtliche Barrieren im Wohn- und Mietrecht abgebaut und steuerliche Anreize für entsprechende Investitionstätigkeiten entwickelt werden.

Auch die Förderung von grünen Technologien und Zukunftstechnologien könnte sich abermals als Konjunkturmotor erweisen. Konjunkturrelevante Forschungs- und Innovationsprogramme, die eine höhere Ressourceneffizienz, geringeren Energieverbrauch und CO2-Reduktion ermöglichen – wie die „Vorzeigeregionen Energie des Klima- und Energiefonds, Beteiligung an europäischen Forschungsinitiativen Horizon Europe oder IPCEI insbesondere mit den Schwerpunkten Batterien und Wasserstoff – werden mit zusätzlichen Budgetmitteln im Ausmaß von jährlich 100 Millionen Euro in den Jahren 2020 bis 2022 ausgestattet. Ebenso sollen dadurch Potenziale der Digitalisierung zukünftig noch stärker genutzt werden, um den Ressourcen- und Energieverbrauch sektorenübergreifend zu reduzieren.

IÖB-Summer-Call sucht Klimaschutz-Innovationen aus und für Österreich

Der Ausstieg aus fossiler Energie im Mobilitätssektor ist ein zentrales Anliegen im Kampf gegen die Klimakrise. Innovative Forschung im Bereich Fahrzeugtechnologien könne zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen. Innovative Unternehmen stärken dabei Österreich als Wirtschaftsraum, was wiederum Arbeitsplätze im Land sichere. „Unser Ziel ist es, dass alle Menschen im Land umweltfreundlich und emissionsarm mobil sein können – und dass Mobilität dabei leistbar und bequem bleibt“, so Gewessler.

Eine Umsatzsteuersenkung in Höhe von 100 Millionen Euro auf Reparaturen sollen einen Beitrag gegen die Wegwerfgesellschaft leisten und entsprechende Dienstleistungen und entsprechende Beschäftigung sowie die Kreislaufwirtschaft unterstützen. Ziel ist es Anreize zu schaffen, Geräte nicht wegzuwerfen, sondern reparieren zu lassen, und zugleich Betriebe im Reparaturbereich durch einen reduzierten Umsatzsteuersatz zu entlasten. Erfasst sind davon im Sinne des EU-Rechts jedenfalls kleine Reparaturleistungen, etwa von Fahrrädern, Schuhen und Änderungsschneidereien. Eine Umsetzung ist noch für dieses Jahr geplant.

Bereits vor dem Beschluss des Konjunkturpakets wurde für das Jahr 2020 durch den Budgetbeschluss eine deutliche Erhöhung der Mittel für den Klima- und Umweltschutz festgelegt: Neben der Verdoppelung der Mittel für den „Raus aus Öl“-Bonus auf 100 Millionen Euro sind 21 Millionen für den Radverkehr und klimafreundliche Mobilität, 16 Millionen für die E-Mobilitätsoffensive, zusätzliche sieben Millionen für den Ausbau der Photovoltaikförderung sowie 18 Millionen für nachhaltigen Natur- und Umweltschutz vorgesehen.

Auch der öffentliche Verkehr profitiert von umfangreichen Investitionen: Insgesamt 300 Millionen Euro zusätzliche Mittel, die davor im Bundesfinanzrahmengesetz noch nicht budgetiert waren, werden in den Ausbau der Infrastruktur – insbesondere bei Regionalstrecken – sowie in eine Erweiterung des Angebots fließen. Zudem werden in den bestehenden Investitionspläne Projekte vorgezogen, so werden etwa Bahnhöfe ausgebaut bzw. modernisiert werden. Insgesamt können durch das Gesamtpaket im Bereich Öffentlicher Verkehr 53.000 Jobs erhalten bzw. neu geschaffen werden. Auch werden Nachtzüge ab 2024 jährlich mit 10 Millionen Euro subventioniert. Das BMK setzt neben dem umfassenden Ausbau von Infrastruktur und Angebot auch auf günstige Öffi-Tickets für ganz Österreich. „Bereits im nächsten Jahr machen wir mit der Österreichstufe des 1-2-3-Klimatickets den nächsten Schritt. Um umgerechnet drei Euro pro Tag, mit allen Verkehrsmitteln durch ganz Österreich. Und das ein Jahr lang“, so Gewessler.

Mit dem Beschluss des Schulentwicklungsplans bis zum Jahr 2030 kommt auch Schulen das Konjunkturpaket zu Gute. Hier werden in den nächsten zehn Jahren 2,4 Milliarden Euro investiert, schwerpunktmäßig erfolgt dabei sowohl der Neubau als auch die Sanierung der Gebäudesubstanz und Adaptierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Schulfunktionen unter Berücksichtigung ambitionierter ökologischer Kriterien für den nachhaltigen Schulbau mit klimaaktiv-Silber als Standard.

Eine Investitionsprämie wird besonderen Fokus auf Klimaschutzinvestitionen legen: 14 Prozent der Investitionen in die Zukunft sollen künftig in Form einer Steuergutschrift zurück zu den Unternehmen fließen. Neben Digitalisierung und Gesundheitsinvestitionen werden Ökoinvestitionen ab September 2020 für ein halbes Jahr besonders gefördert. Damit würden für Unternehmen klimafreundliche Investitionen wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz aber auch Investitionen in die Verringerung von Luftschadstoffen und anderen Umweltbelastungen besonders attraktiv. Und: Klimaschädliche Investitionen sind davon explizit ausgeschlossen.

Kommunales Investitionsprogramm für Gemeinden: Von den Investitionszuschüssen für Kommunen im Zuge des Konjunkturpakets, in welchem der Bund 50 Prozent von Investitionsprojekten übernimmt, sollen 20 Prozent der Mittel für ökologische Maßnahmen verwendet werden, wodurch 200 Millionen Euro für Klimaschutzprojekte in Städten und Gemeinden zur Verfügung stehen.

Gemeinden können im Erweitert wurde die Zweckliste der förderwürdigen Projekte insbesondere durch Klimaschutz- und ökologische Maßnahmen, etwa für die Erneuerbare Energie Versorgung in Gemeindegebäuden, Energieeffizienzmaßnahmen, Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur oder thermisch-energetische Sanierungsmaßnahmen. Auch die Errichtung neuer Gemeindegebäude wird gefördert, sofern der klimaaktiv Silber Standard eingehalten wird. Eine Milliarde Euro zur Verfügung, jede Gemeinde hat dabei Anspruch auf einen – entsprechend der Gemeindegröße und anderer Faktoren – ermittelte Förderung, welche darüber hinaus kombinierbar mit weiteren Mitteln für Klima- und Umweltschutz in Gemeinden ist. So ergibt sich, beispielsweise kombiniert mit der Umweltförderung im Inland oder weiteren Förderungen des Klima- und Energiefonds eine einmalige Chance für Fördersätze von teilweise 80 Prozent.

Das im Juli beschlossene Waldfondsgesetz sieht die Einrichtung eines aus Bundesmitteln zu dotierenden Waldfonds vor, aus dem Förderungen von bis zu 350 Millionen Euro vergeben werden können. Gemeinsam mit dem BMLRT wurde dieses Maßnahmenpaket erarbeitet, welches essenzielle Maßnahmen und Forschungsprojekte zur Etablierung klimafitter Wälder liefern soll. Ein wesentlicher Baustein dessen sind Biodiversitätsmaßnahmen, die unter anderem durch den Ausbau des Naturwaldreservatenetzes die Vielfalt in unseren Wäldern fördern soll.

SERVICE: Wie laut OECD Länder Möglichkeiten für eine umweltfreundliche und integrative wirtschaftliche Erholung von der COVID-19-Pandemie schaffen können.

Österreich ist Teil der ambitionierten Biodiversitätsstrategie der EU. Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 30 Prozent der europäischen Land- und Meeresflächen geschützt sein, ein Drittel davon streng. Im Programm dieser wird auch ein strengerer Schutz der verbleibenden Primär- und Urwälder in der EU sowie ein neuer Rechtsrahmen für Renaturierung festgeschrieben, zudem soll der Einsatz chemischer Pestizide um die Hälfte gemindert sowie auf einem Viertel der Agrar-Flächen ökologischer Landbau betrieben werden. Zudem plant die österreichische Bundesregierung die Schaffung eines Biodiversitätsfonds für die Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Biodiversitätsstrategie.