Kategorie Klima- & Umweltschutz - 20. Dezember 2022

UN-Artenschutzkonferenz endet mit historischer Einigung

Mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden

Die Staatengemeinschaft hat sich in einem nervenaufreibenden Endspurt am Montag nach rund zweiwöchigen Verhandlungen auf eine gemeinsame Abschlusserklärung des Weltbiodiversitätsgipfels (COP15) geeinigt. Die rund 200 Teilnehmerstaaten haben sich demnach in Montreal vorgenommen, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Außerdem setzen sie sich darin unter anderem das Ziel, mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt ausgeben zu wollen.

Nach der Verabschiedung des rechtlich nicht bindenden Dokuments brach bei der Plenarsitzung, die eigentlich bereits für Sonntagabend angesetzt war und dann wegen anhaltender Verhandlungen zeitlich immer weiter in die Nacht hinein verschoben worden war, Beifall und lauter Jubel aus. Organisatoren, Wissenschaftler:innen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen hatten bis zuletzt gehofft, dass bei dem Treffen noch ein richtungsweisendes globales Abkommen für den Artenschutz verabschiedet werden kann.

„Die Einigung auf der Weltbiodiversitätskonferenz sendet ein historisches Signal in die Welt. Wir machen den Schutz unserer Artenvielfalt – unserer Lebensgrundlage – zur Priorität“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Man wolle künftigen Generationen einen intakten und lebenswerten Planeten übergeben. „Jetzt beginnt die Arbeit der Umsetzung. Jetzt sind wir alle gefordert, den notwendigen Beitrag zu leisten.“

Wichtig ist dieses Abkommen vor allem deshalb, weil rund eine Million Arten in den kommenden Jahren vom Aussterben bedroht sind, wenn wir unseren Umgang mit der Natur nicht drastisch ändern. Vögel, Säugetiere und Amphibien sterben hundertmal schneller aus als in den Jahrmillionen bevor es uns Menschen überhaupt gab. Ihr Bestand ist in den letzten 50 Jahren bereits um 68 Prozent zurückgegangen.

Die UN-Konferenz zur Biodiversität in Montreal (COP 15) galt nun als eine der letzten Gelegenheiten, diese Kurve des Verlustes an Biodiversität noch abzuflachen. Bereits im Vorfeld der Konferenz betonte Gewessler, dass „Österreich Seite an Seite mit der Europäischen Union stehe, wenn es darum geht, „einen ambitionierten neuen globalen Deal zur Biodiversität einzufordern“.

Im Umkehrschluss also eine Verpflichtung, die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme weltweit zu gewährleisten. „Wir brauchen mehr Agrarökologie, weniger Umweltverschmutzung und einen geringeren Einsatz an Pestiziden, ein Einhalt bei der Abholzung und eine stärkere Rückbesinnung auf die Kreislaufwirtschaft. Die Ziele der Biodiversität müssen in allen Politikbereichen und in allen Sektoren unserer Wirtschaft fest verankert werden“, so Gewessler.

In Montreal gab es langes Bangen, ob man eine Einigung zum Stopp des Biodiversitätsverlusts erzielen könnte. Mit guten Ausgang, wie wir nun wissen. © UNEP

In dem verabschiedeten Dokument wurde unter anderem auch die Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinden in weltweiten Naturschutzbemühungen betont, was viele Beobachtende als Erfolg werteten. Zudem setzt das Papier das Ziel, die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide bis 2030 zu halbieren und umweltschädliche Subventionen abzubauen. Auch sollen ärmere Länder des globalen Südens bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar jährlich bekommen, um in den Artenschutz investieren zu können.

Fakt ist: Der Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen kosten Geld. Sehr viel Geld. Ein weiteres Kernziel von Montreal ist daher die Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel aus öffentlichen und privaten Quellen auf nationaler und internationaler Ebene. Dazu müssten die öffentlichen und privaten Finanzströme mit den Zielen der Biodiversität in Einklang gebracht werden, was auch die offizielle Entwicklungshilfe für Biodiversität betrifft.

Neue Vision für Schutz der Artenvielfalt in Österreich

Die Europäische Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für den Zeitraum 2021–2027 eine Verdoppelung der von der EU für internationale Maßnahmen für Biodiversität gewährten Unterstützungen auf sieben Milliarden Euro versprochen. Nun gelte es, die bestehenden Rahmenbedingungen zu verbessern und innovative Ansätze zu erforschen. In Montreal hatten sich die EU und Österreich um eine klare und praktische Lösung bemüht, die Rechtssicherheit schaffen und den offenen Zugang für die Wissenschaft bewahren soll.

Österreich tue alles, „um mit gutem Beispiel voranzugehen“, sagte Gewessler auch hinsichtlich der neuen Biodiversitätsstrategie 2030+, die eine neue Vision für die Biodiversität in Österreich bis 2050 voranstellt. Darin verpflichtet sich Österreich, die biologische Vielfalt zu schützen, ihre Komponenten nachhaltig zu nutzen und Verantwortung für den Erhalt der globalen Biodiversität zu übernehmen.

Erarbeitet wurde die Strategie im Rahmen eines nationalen Jugendwettbewerbs. Sie greift die von der Europäischen Union sowie auf internationaler Ebene formulierten Zielsetzungen und Maßnahmen für den Erhalt der Biodiversität mit einem Zehn-Punkte-Programm auf. Dazu gehören beispielsweise die Verbesserung von Status und Trends von Arten und Lebensräumen, ein effektiver Schutz und die Vernetzung aller ökologisch wertvollen Lebensräume, die Wiederherstellung für Biodiversität und Klimaschutz besonders wichtiger Ökosysteme, sowie eine entscheidende Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und Fragmentierung hierzulande.

Auch die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Biodiversitätserhalt wird in der Strategie festgehalten, ebenso wie die Sicherstellung der Finanzierung von Biodiversitätserhalt und Unterstützung für biodiversitätsförderndes Handeln. Die Umsetzung der BiodiversitätsStrategie wird durch die Nationale BiodiversitätsKommission regelmäßig überprüft. Dazu sollen 2026 ein Zwischenbericht und 2030 ein Endbericht zur Überprüfung der Umsetzung vorgelegt werden.

Unterstützung, um diese ehrgeizigen Ziel zu erreichen, liefert insbesondere auch der nationale Biodiversitätsfonds. Dieser trägt schon jetzt dazu bei, die Umsetzung der BiodiversitätsStrategie in Ergänzung zu den Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union und des Waldfonds, sowie der Förderungen zur Verbesserung des ökologischen Zustandes von Gewässern zu unterstützen.

Biodiversität und Investitionen in den Schutz und die Wiederherstellung der Vielfalt in der Natur werden dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Der Verlust der Biodiversität hat dramatische Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Und ist obendrauf eine wahnsinnig teure Geschichte: Allein die Kosten der NichtUmsetzung der für die Natur relevanten EU-Rechtsvorschriften werden von der Europäischen Kommission mit 50 Milliarden Euro pro Jahr beziffert.

Vor ihrer Abreise nach Montreal bekräftigte Gewessler in einem gemeinsamen Statement mit EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, sie würden fest daran glauebn, dass es noch Hoffnung gibt und der derzeitigen Kurs des Biodiversitätsverlustes zu ändern ist. Diese Hoffnung lebt nach dem Beschluss der COP15 nun weiter. Aber, um es mit den Worten Jane Goodalls zu formulieren: Hoffnung darf nicht nur Wunschdenken sein. Sie muss jetzt in die Tat umgesetzt werden.