Kategorie Klima- & Umweltschutz - 3. Dezember 2021

Die Krux mit dem Kohlendioxid

Wissenschaft, Wirtschaft und Politik suchen nach Lösungen für die CO2-Problematik. Ein neues APA-Science-Dossier beleuchtet, welche technologischen Ansätze vielversprechend sind, welche weniger.

Die globalen Auswirkungen der Treibhausgasemissionen, insbesondere des CO2-Ausstoßes, sind bekanntlich zu einem Dauerthema geworden. CO2 und Co. heizen den anthropogenen Treibhauseffekt an, indem sie sich übermäßig in der Atmosphäre ansammeln und einen Teil der Wärmestrahlung der Sonne nicht mehr ins All entweichen lassen. Die Folge ist eine stetige Erwärmung des Klimas. Wenn nicht gegengesteuert wird und die Emissionen drastisch sinken, sind dramatische Folgen zu befürchten. Wetterextreme, Dürren und Überflutungen werden sich häufen und die Meeresspiegel steigen, um nur einige der Folgen zu nennen.

Es muss schnell gehandelt werden, meint das Gros der Experten, damit man nicht das Pariser Klimaziel, die weltweite Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, deutlich verfehlt. Ein Mix an verschiedenen Lösungen wird wohl Linderung bringen, ist die mehrheitliche Meinung. Und eine Frage taucht in Permanenz auf: „Reichen technologische Lösungen alleine aus, oder braucht es Verhaltensänderungen?”

Vermeintlich positiv wirken die statistischen Daten, die Emissionskurve flacht etwas ab. Darauf verweist zumindest das Global Carbon Project hin. Bei weitem kein Grund zur Entwarnung, die Zuwächse verlangsamen sich nur. Die Corona-Pandemie hat zudem bremsend gewirkt. Die Wissenschafter des Global Carbon Projects erwarten jedenfalls für heuer wieder eine Rückkehr auf das Vor-Pandemie-Niveau. Die fossilen CO2-Emissionen dürften 2021 bei 36,4 Mrd. Tonnen liegen. Das sind etwa 4,9 Prozent mehr als 2020 und damit fast so viel wie im Vor-Pandemie-Jahr 2019 (36,7 Mrd. Tonnen nach aktuellsten Zahlen).

Österreich-Statistik

Für Österreich zeigte der Klimaschutzbericht 2021 des Umweltbundesamtes im Jahr 2019 die Emission von 79,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (siehe auch Treibhausgase – Mengen und Trends in Österreich und Wie die CO2-Emissionen ermittelt werden). Das waren 1,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Hauptverursacher sind: Energie und Industrie: 43,8 Prozent, Verkehr: 30,1 Prozent, Landwirtschaft: 10,2 Prozent und Gebäude: 10,2 Prozent. Der Rest entfällt auf die Abfallwirtschaft und Fluorierte Gase.

Die Emissionen der öffentlichen Kraft- und Fernwärmewerke  sind seit 1990 um 43,4 Prozent zurückgegangen, vor allem, weil dort statt Kohle und Öl vermehrt Gas und erneuerbare Energieträger genutzt werden. Im Gebäudesektor sind die Emissionen seit 1990 um 36,8 Prozent gesunken. „Das ist vor allem auf Maßnahmen im Bereich der thermischen Sanierung, auf den steigenden Anteil von erneuerbaren Energieträgern, die Erneuerung von Heizungsanlagen und den höheren Anteil von Fernwärme zurückzuführen“, heißt es im Bericht. In der Landwirtschaft sind die Emissionen ebenfalls gesunken, nämlich um 14,3 Prozent. Sie liegen aber noch knapp über den Klimaschutzgesetz-Vorgaben.

 

Die Emissionen aus dem Verkehr haben seit 1990 trotz immer strengerer Abgasnormen und modernerer Technik um 74,4 Prozent zugenommen. Sie steigen seit 2013 kontinuierlich, nachdem sie zwischen 2005 und 2012 sanken. Im Sektor Verkehr wurden die Zielwerte deutlich (um 2,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent gegenüber dem Zielwert 2019) überschritten. Im Sektor Landwirtschaft wurden sie knapp verfehlt. Eine Übererfüllung gab es bei Industrie/Energie (1,2 Millionen), Abfallwirtschaft (0,5 Millionen) und auch minimal im Gebäudesektor.

Zielwert Um das Ziel von „Netto-Null-Kohlendioxidemissionen“, das der Weltklimarat IPCC empfiehlt, um die globalen Temperaturen zu stabilisieren, bis 2050 zu erreichen, müsste der gesamte CO2-Ausstoß jedes Jahr um 1,4 Milliarden Tonnen sinken. Im Corona-Jahr 2020 waren es ausnahmsweise minus 1,9 Milliarden Tonnen. Eine Monsteraufgabe, wie die meisten Experten anmerken.

Wo ansetzen?

Dekarbonisierung ist die bekannte Devise. Fünf Ansätze, technologisch kombiniert, unterstützen diese, erklärt Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds (siehe auch: Dekarbonisierung mit Innovationen made in Austria): Effizienzsteigerung u.a. durch Elektrifizierung, Umstellung auf erneuerbare Energie, Umstieg auf neue Prozesstechnologien, Schaffung von Stoff- und Materialkreisläufen, End-of-Pipe-Ansätze wie Carbon Capture und Utilization und Storage (CCU, CCS).

Vogel ist für Österreich jedenfalls zuversichtlich: “Dekarbonisierung bedeutet nicht einfach nur, fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen. Sie zwingt uns vielmehr, Systeme neu zu denken und innovativ zu sein. (…) Am Ende stehen Klimaneutralität und die Aussicht auf ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem. Für Österreich als Technologieproduzent bietet sich die große Chance, mit Innovation die eigenen Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort zu stärken, für krisenfeste Green Jobs und eine hohe Lebensqualität zu sorgen.“

Steiniger Weg

Österreich könnte künftig also punkten, für eine globale Wende braucht es aber noch massive Anstrengungen. Das Umsteuern werde kein Kinderspiel, erklären Experten im Gespräch mit APA-Science (siehe auch: Innovation plus Veränderung: Umsteuern wird kein Kinderspiel). Technologische Innovation und die Reduktion des Ressourcenbedarfs seien nicht voneinander zu trennen. „Wir brauchen jede Reduktion, die wir kriegen können. Den Rest, bei dem das nur sehr schwer möglich ist, durch erneuerbare Energie zu decken, wird schwierig genug“, erklärt Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur (BOKU).

„Ein Großteil der Gebäude wird fossil beheizt, ein Großteil der Mobilität wird mit fossil befeuerten Autos und Lkws bewerkstelligt und im Produktionsbereich gibt es ganz harte Nüsse wie Beton und Stahl“, skizziert er die großen CO2-Problemfelder. Natürlich gebe es in diesen Bereichen vielversprechende Technologien. Letztendlich bedürfe es aber einer Gesamtumstellung, wie unsere Gesellschaft funktioniert: „Die Vorstellung, dass die Ingenieure irgendetwas machen und dann leben wir nachhaltig weiter als wäre nichts gewesen, halte ich für höchst naiv“, so Haberl.

Kleinstlebewesen

Ein Weg, der von Forschern – vor allem Biotechnologen und Chemikern – zusehends beschritten wird, ist der Einsatz von Mikroorganismen (z.B. Bakterien und Hefen), die CO2 effizient metabolisieren und damit binden (siehe auch: Kleine CO2-Fresser). Gemeinsam sind den Forschungen Carbon Capture and Utilization-Ansätze (CCU), wobei das CO2 in weiteren Prozessen verwertet wird. Statt des üblichen Zuckers wird den Kleinstlebewesen CO2 „verfüttert“ und somit gebunden. Außerdem könnten mit diesen Technologien die Abhängigkeit von fossilen Kohlenstoffquellen und die Ausbeutung von Schlüsselressourcen wie Energie, Rohstoffen, Land und Wasser reduziert werden. Im Idealfall würden am Ende der Prozesse Bausteine für die Kunststoffproduktion aber auch die Futter- oder Lebensmittelproduktion stehen.

„Die treibende Kraft ist momentan, dass der CO2-Ausstoß und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Klima in den Griff bekommen werden müssen“, erklärt zum Beispiel Regina Kratzer vom Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz und dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib). Prinzipiell findet die Forscherin diese Form dieser CO2-Verwertung „sehr cool“. Einerseits wolle man das Gas weitgehend aus der Luft bekommen, andererseits werde es irgendwann die einzige Kohlenstoffquelle sein, die man als Rohstoff einsetzen kann, will man nicht auf pflanzliche Rohstoffe zurückgreifen und damit die Nahrungsmittelherstellung konkurrenzieren.

Brückentechnologie Wald

Ohne Kohlenstoff kein Leben, das ist klar (siehe auch: Der Kohlenstoffkreislauf). Eingelagert wird er terrestrisch vorzugsweise in Böden und Wäldern (siehe auch: Die Natur inhalieren lassen). Zusammengefasst kann man sagen: „Laut aktuellem Klimaschutzbericht ist die Landnutzung in Österreich eine Netto-Senke, es wurde im Zeitraum 1990 bis 2019 in allen untersuchten Kategorien – Acker, Grünland, Feuchtgebieten, Siedlungsraum, sonstiges Land, Holzprodukte, Wald – also mehr Kohlendioxid aufgenommen als abgegeben.“ Es ist aber noch Luft nach oben, meinen sowohl Sophie Zechmeister-Boltenstern, Leiterin des Instituts für Bodenforschung und Simone Gingrich vom Institut für Soziale Ökologie, beide BOKU.

Wälder hätten jedenfalls das Zeug zur Brückentechnologie. „Gerade in den nächsten Jahrzehnten – bis andere Technologien zur Verfügung stehen, mit denen man vielleicht CO2 aus der Atmosphäre abziehen kann, stehen Wälder großflächig zur Verfügung. Bis dahin könnte eine Extensivierung von Wäldern durchaus auch dazu beitragen, dass diese noch stärkere Kohlenstoffspeicher werden. Als Brückentechnologie kann das eine sinnvolle Maßnahme sein“, erklärt Gringrich im APA-Science-Gespräch.

Was ist der Preis?

Was sollen also CO2 und CO2-Äquivalente kosten, das ist wohl der zentrale Punkt in der Diskussion um den Emissionshandel. Um CCU-Technologien voranzutreiben (vor allem bezüglich des Energieeinsatzes), komme es zum Beispiel sehr darauf an, ob man den richtigen Preis auf das Kohlendioxid „klebt“, um in die Richtung mehr erneuerbare Energien zu lenken, war unter den von APA-Science befragten Wissenschaftern häufiger zu hören. Das habe aber auch seine Grenzen, abhängig von den Gegebenheiten in den verschiedenen Ländern. Wenn einfach nicht die Flächen oder Bedingungen für mehr erneuerbare Energieerzeugung vorhanden seien, könne man nur wenig über den CO2-Preis machen. Da brauche es dann internationale Lösungen, hieß es.

„Bislang fehlen (…) überzeugende empirische Belege dafür, dass eine Bepreisung von CO2 den technologischen Wandel herbeiführen kann, der für eine vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft erforderlich ist“, schreiben WIFO-Forscher in ihrem Gastbeitrag „Nur ein hoher Preis reduziert CO2-Emissionen effektiv“.  Sie meinen, dass „Paketlösungen” kombiniert aus mehreren klimapolitischen Maßnahmen im Allgemeinen und preisbasierten Instrumenten im Besonderen sehr wahrscheinlich effektiver sind als Einzelmaßnahmen.

Zu Österreichs CO2-Preis-Plänen schreiben die Wirtschaftswissenschafter vom WIFO: „Zwar sind sowohl Einstiegspreis als auch Preispfad mäßig ambitioniert und werden zumindest kurzfristig kaum Lenkungseffekte haben. Die Wirksamkeit der CO2-Bepreisung wird jedoch verstärkt durch die Einbettung in Begleitmaßnahmen, insbesondere in Investitionen in den öffentlichen Verkehr sowie Förderungen und steuerliche Anreize, die den Umstieg auf klimafreundliches Wohnen und Mobilität unterstützen.“

Über CO2 sprechen

Klimawandel, Treibhausgas-Emissionen, CO2-Preise, IPCC, COP26 uvm.: Ein komplexes Themengebiet, genauso komplex ist es, darüber zu reden. Am MCI in Innsbruck wird im Sommersemester 2022 ein Carbon Literacy Training angeboten. Dabei lernen die Studierenden in Grundzügen den wissenschaftlichen Hintergrund der Klimakrise. Ein wichtiges Ziel des Trainings ist laut dem Gastbeitrag „Carbon Literacy Training am MCI: Wissen entwickeln, Bewusstsein schärfen, Verantwortung übernehmen“ die Befähigung, selbstsicher mit anderen über den Klimawandel sprechen zu können.

Resümee

„Im Großen und Ganzen versucht man (…) umzusteuern. Die Frage ist, ob es gesellschaftlich passieren wird. Das ist keine technische Frage und es ist grotesk, so zu tun als ob. Es geht auch nicht um eine Verzichtsdebatte. Möglicherweise ist es ein anderes Leben als das heutige, aber nicht unbedingt schlechter. Die Frage ist, ob man es will und ob es gelingt, in den Strukturen entsprechend umzusteuern. Aber ohne die politische Auseinandersetzung geht es nicht“, fasst BOKU-Forscher Haberl zusammen.

Von Hermann Mörwald – APA-Science

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