Kategorie Innovation & Technologie - 21. Februar 2016
Eine Übersetzerin und Dirigentin
Egal, ob Smartphones, Selbstbedienungsautomaten in Banken oder Fitness-Technologie – ihr Erfolg hängt maßgeblich von der Schnittstelle Mensch/Technik ab. „Und je komplexer die technischen Systeme werden, desto wichtiger ist es, dass diese Schnittstelle intuitiv ist“, sagt Margherita Kramer vom Austrian Institute of Technology (AIT). Als Business-Developerin für „Technology Experience“ berät sie Unternehmen dabei, diese Schnittstelle optimal zu gestalten.
Benutzerfreundlichkeit ist dabei nicht Anhängsel und letzter Schritt der Produktentwicklung, sondern Ausgangspunkt: „Wir sehen uns an, wie User und Userinnen mit den bisherigen Produkten interagieren, wo es Berührungspunkte gibt und wo Lücken – und damit Potenzial“, erklärt Kramer. Auf Basis dessen wird dann am AIT ein Prototyp entwickelt, zu dem dann gleich verschiedene Gruppen von Benutzern und Benutzerinnen befragt werden. „Das heißt, noch bevor das Ding technisch entwickelt ist, gibt es ein Feedback, ob es akzeptiert werden würde“, so die Elektrotechnikerin.
Das gelte auch für den Business-to-Business-Bereich oder Profisysteme. „Expertensysteme sind ganz oben auf unserer Liste.“ Denn egal, wie komplex die Technik – der Mensch ist immer involviert“, betont Kramer: „Sogar wenn in Japan Roboter Roboter zusammenschrauben, sitzt sicher noch irgendwo in einem überwachenden System ein Mensch.“
Selbst geforscht hat sie zuletzt für die Diplomarbeit ihres Studiums zur Elektrotechnik-Toningenieurin an der TU Graz: „Es ging darum, Kurzschlüsse hörbar zu machen, diese klingen je nach Distanz anders.“ Eigene Forschungen durchzuführen reizt sie aber weniger: „Bevor ich anfange, wieder zu forschen, gründe ich lieber ein Unternehmen.“ Denn Ideen für tolle Technologien gebe es genug, aber häufig fehle der „zum Markt hin orientierte Teil“. In ihrem heutigen Job sieht sich Kramer, die eben von der Initiative Femtech des Verkehrsministeriums zur Expertin des Monats gewählt wurde, als „Übersetzerin zwischen unterschiedlichen Sprachen“: der Technik, der Wissenschaft, der Industrie, der Wirtschaft.
Nach ihrem Studium absolvierte sie einen Master of Business and Engineering an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Aber auch ihre musischen Ausbildungen – Schauspiel und Dirigieren – nützten ihr beruflich: „Als Schauspielerin bringe ich Empathie mit und die Fähigkeit zu improvisieren“, erklärt sie, auch bei Vorträgen profitiere sie davon. Und das „meiste über Führung“ habe sie beim Dirigieren gelernt – sowie beim Trainieren von portugiesischen Stierkampfpferden während ihres Studiums.
Die 32-Jährige ist mit einem Amerikaner mit brasilianischen Wurzeln verheiratet. Ins Ausland zu gehen steht vorerst jedoch nicht auf dem Karriereplan: „Interessante Jobs gibt es zwar auf der ganzen Welt, aber so etwas wie den Wiener Singverein nur hier.“ Denn mittlerweile ist für sie Singen „wie ein zweiter Beruf“: Zwischen ein- und sechsmal die Woche singt sie beim Chor des Wiener Musikvereins, fährt auf Konzerttourneen nach Russland, Luxemburg oder Japan.
Beim AIT sei das kein Problem, „zwischendurch muss man halt balancieren – mal ist das eine, mal das andere wichtiger“. (Heidemarie Weinhäupl, 17.2.2016)