Kategorie Energie - 20. Dezember 2022

Europäischer Marktkorrekturmechanismus: Höchstpreis für den Terminhandel von Gas beschlossen

In der Europäischen Union sollen die Großhandelspreise für Gas künftig unter bestimmten Umständen gedeckelt werden. Die Energieminister der EU-Staaten einigten sich am Montag auf die Möglichkeit eines solchen Markteingriffs. Der sogenannte Marktkorrekturmechanismus dient demnach quasi als Schutzschalter gegen extreme Preissprünge und könnte ab dem 15. Februar aktiviert werden.

Laut Europäischer Kommission wird rund 80 Prozent des in Europa gehandelten Gases auf der niederländischen TTF-Gasbörse gehandelt. TTF steht dabei für „Title Transfer Facility“, ein virtueller Handelspunkt im niederländischen Gasnetz, über den Erdgas für die Niederlande an den Terminbörsen in London und Chicago gehandelt wird. Der TTF-Index wird daher auch oft als Referenz für die europäischen Gaspreise verwendet.

Weil russisches Erdgas durch andere Quellen ersetzt wird, führten diesen Sommer Kapazitätsengpässe in bestehenden Netzen in Nordwesteuropas zu hohen Preisausschlägen beim TTF-Index, der nur begrenzt mit Preiserhöhungen von globalen Flüssiggas-(LNG)-Preisen erklärt werden konnte. Der Gaspreis im europäischen Großhandel soll mit diesem Mechanismus unter bestimmten Bedingungen nun begrenzt werden können, wenn er 180 Euro pro Megawattstunde übersteigt. Wird dieser Mechanismus ausgelöst, wird der Preis bei maximal 35 Euro pro Megawattstunde über dem internationalen Preis für LNG gedeckelt.

Die Befürchtung Deutschlands sowie der Niederlande und Österreichs blieb bis zuletzt, dass bei einem Deckel Flüssigerdgas nicht mehr nach Europa kommen könnte. Bei einem Mangel würden dann Verteilungskämpfe unter den Staaten ausbrechen, die die EU vor eine Zerreißprobe stellen würden.

Der Gaspreis am Handelsplatz TTF soll unter bestimmten Bedingungen die Grenze von 180 Euro pro Megawattstunde nicht übersteigen dürfen. Zuletzt lag der Gaspreis am TTF am Montag um 110 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte der Preis am TTF einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde.

Unter anderem Deutschland hatte sich lange gegen einen solchen Mechanismus gesträubt. Das Land hatte befürchtet, dass dann die Versorgungssicherheit gefährdet wäre, weil Lieferanten ihr Gas etwa an asiatischen Märkten verkaufen könnten, wo sie höhere Preise erzielen könnten. Deutschland stimmte nach Angaben von drei EU-Vertretern für den Kompromissvorschlag, Österreich enthielt sich.

„Ich bin überzeugt, dass er ein Beitrag sein kann, um in Zukunft absurde Auswüchse bei den Gaspreisen zu verhindern. Gleichzeitig wurde jedoch heute in letzter Minute eine Ausweitung auf weitere Gasbörsen neben dem TTF in die Verordnung aufgenommen. Und diese Ausweitung kann auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben. Das gilt gerade für Österreich. Auch wenn wir uns in großen Schritten von der russischen Abhängigkeit lösen, brauchen wir diese Lieferungen aktuell noch“, erklärte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nach dem Beschluss.

Das Vorhaben betrifft grundsätzlich Großkunden, die am TTF handeln – nicht Endverbraucher. Verbraucherpreise werden indirekt durch die Preise im Großhandel beeinflusst. Derzeit liegt der Gaspreis deutlich unter 180 Euro, im Sommer notierte er allerdings noch bei zeitweise 350 Euro. Experten halten es für möglich, dass er nach einem harten Winter wieder auf über 200 Euro steigt, wenn die Staaten zum Frühjahr ihre Speicher füllen müssen.

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