Kategorie Klima- & Umweltschutz - 4. Oktober 2023

Felssturzgefahr: Gletscherregionen kommen im heißen Herbst nicht zu Ruhe

Nachdem Anfang Juni nahe des Jamtalferners im Tiroler Paznauntal im Bereich der Nordwestflanke des südlichen Fluchthorns mehr als eine Million Kubikmeter Material abstürzte, präsentiert sich die Umgebung vieler Gletscher Österreichs auch im Herbst äußerst instabil. Das teilte die Glaziologin Andrea Fischer der APA mit. Der sehr warme Herbst im Hochgebirge sorge für viele Felsstürze, besonders im Bereich der stark schmelzenden Gletscher, so die Forscherin, die zu Vorsicht rät.

Zum Beispiel in dem Gebiet des Jamtalferners waren alleine am Samstag drei Steinschlag- und Felssturzereignisse aus unterschiedlichen Einzugsgebieten zu beobachten gewesen, wie die Forscherin vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck, die sich gerade in der Region aufhält, erklärte. „Quasi neben dem Fluchthorn“, wo sich am Anfang des Sommer der spektakuläre Abbruch ereignete, verzeichnete man gestern einen Bergsturz „vom Kamm zur Signalspitze auf den Chalausferner“.

Bei Touren im Nahbereich von Gletschern sei es daher gerade jetzt besonders wichtig, auf Anzeichen von Massenbewegungen zu achten, etwa Steinschlaggeräusche (Knattern, Rauschen, oder auch tiefes Brummen und Krachen je nach Ereignisgröße), Staubfahnen oder Schwefelgeruch. Auch Ablagerungen von frischem kantigen Gestein oder Einschlagtrichter sind Warnzeichen, bei denen die Tour abgebrochen werden sollte, betonte die Wissenschafterin.

 

Offenbar lassen die nun schon ungewöhnlich lange extrem hohen Herbsttemperaturen auch in den Höhenlagen neue Schichten im insgesamt durch den Klimawandel schwindenden alpinen Permafrost auftauen. In Kombination mit dem heißen zurückliegenden Sommer führe dies nun beispielsweise im Jamtal zu zahlreichen größeren und kleineren Bergstürzen und Steinschlägen. In dieser Dichte der Ereignisse „habe ich so etwas noch nie gesehen“, so Fischer. Wanderern, die momentan im Hochgebirge unterwegs sind, rät die Glaziologin jedenfalls darauf, auf Gefahrenzeichen zu achten.

Konkrete Auswirkungen auf das Bergsteigen sieht auch Thomas Rabl, Präsident des Tiroler Bergsportführerverbands (TBSFV): „Die Bergwelt verändert sich in einer Geschwindigkeit, wie wir es nie zuvor gesehen haben.“ Daher werden gewisse Routen nicht mehr begangen oder Alternativen gesucht.

„Wir sind Risikomanagement gewohnt, aber auf einen Felssturz kann man sich nicht vorbereiten.“, sagte Rabl. Bei Kleinereignissen können die Bergprofis jedoch „flexibel auf Routen reagieren.“ Die Bergführer greifen dabei auf ein „internes Netz“ zurück, wo man sich gegenseitig von den lokalen, aktuellen Gegebenheiten berichtet.

Die Beobachtungen, die Experten im alpinen Raum machen, werden künftig strukturiert aufgearbeitet. Beim Projekt „Alpswatch“, das vom Land Tirol unterstützt wird, arbeiten der Tiroler Bergsportführerverband, das Österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit und das Institut für Geographie der Universität Innsbruck zusammen. Die Erfahrungen im teils hochalpinen Raum werden gebündelt und beispielsweise Land, Gemeinden, Tourismusverbänden oder Forschungsinstituten digitalisiert zur Verfügung gestellt. Dadurch sollen Naturgefahrenvorhersage und Gefahrenprognose verbessert werden, hieß es seitens des Landes.

apa/red