Kategorie Innovation & Technologie - 20. Juli 2020

Grazer Forscher wollen Betonbauten präziser auf den Zahn fühlen

Luftschadstoffe und Chemikalien können Betonbauwerken heftig zusetzen. Risse, Fugen, Korrosion im Inneren der stahlbewehrten Bauwerke und zuletzt fehlende Standfestigkeit sind die Folge. An einer Messmethode zur Analyse von Bauschäden an Betonbauten arbeitet ein österreichisches Konsortium gemeinsam mit drei Instituten der TU Graz. So werden etwa auch opto-chemische Sensoren eingesetzt.

Brutalismus ist wieder en vogue. Zurück zum Beton heißt aber auch, diesen Baustoff vor allem bei Zweckbauten besser konservieren und kontrollieren zu können. Im Bild: Norbert Heltschls Internat Mariannhill, Landeck, Tirol, 1964 © Architekturzentrum Wien, Sammlung, Friedrich Achleitner

Durch chemische Einflüsse von außen kann es mit der Zeit zu gravierenden Schäden an Betonbauwerken kommen. Risse in den Fassaden, bröckelnde Tunnelwände oder poröse Brückenpfeiler können die Folge sein. Besonders bei Bauwerken, die einer aggressiven Umgebung durch Tausalze oder auch Meerwasser ausgesetzt sind, wie etwa Brücken, Parkhäuser, Tunnel und andere Stahlbetonbauten, kann es zu Korrosionsschäden an der Bewehrung kommen. Eine regelmäßige Begutachtung ist daher unerlässlich, erklärte Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Graz gegenüber der APA. Er will mit seinen Kollegen Florian Mittermayr und Bernhard Müller die Beton-Diagnostik fundamental verbessern.

Problemstellen schneller ermitteln

In dem von der Österreichischen Bautechnik Vereinigung eingereichten und von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützten Projekt „LumAConM“ arbeitet das Konsortium aus Forschern und Unternehmen und Infrastrukturbetreibern an einem Verfahren, das etwaige Problemstellen an Bauwerken schneller und präziser ermitteln und bewerten können soll. Die Grundlage für die Diagnostik ist optisch-chemische Sensorik, wie sie bisher in der Biotechnologie und Medizintechnik eingesetzt wurde. „Wir wollen das Werkzeug nun auch in der Zustandserhebung von Betoninfrastruktur anwenden und damit eine völlig neue Generation von Sensoren für die Baubranche entwickeln“, erläuterte Bernhard Müller vom Institut für Analytische Chemie die Zielsetzung.

Jauntabrücke, © SimonBodzioch

An der TU wurde bereits ein bildgebendes Messsystem zur quantitativen Bestimmung des pH-Wertes in zementbasierten Materialien entwickelt und umgesetzt. Sinkt der pH-Wert des Betons unter einen gewissen Wert, ist der Korrosionsschutz für den innenliegenden Bewehrungsstahl aufgrund ungenügend hoher Alkalität nicht mehr gegeben. Wenn genügend Sauerstoff und Wasser hinzukommen, beginnt der Stahl zu rosten. Genaue pH-Bestimmung ist daher entscheidend für die Beurteilung des Korrosionsgrades und die Entwicklung von Präventionsstrategien.

Größe der Sensorfolie anpassbar

Das System zur Messung besteht aus einer Folie mit einer wasseraufnehmenden Polymerschicht, in der ein Indikatorfarbstoff sowie ein Referenzfarbstoff enthalten sind. Die Größe dieser Sensorfolie kann dabei an die Größe des zu untersuchenden Probekörpers angepasst werden. Zur Messung wird die nasse Folie auf den Probekörper aufgebracht und die pH-Verteilungsbilder dann mithilfe einer Spezialkamera erstellt. Mit dem System können Unregelmäßigkeiten im pH-Wert in verschiedenen Baustoffen bereits sehr genau erfasst und Schäden äußerst detailliert charakterisieren werden.

Im LumAConM-Projekt soll das System bis Ende 2022 weiterentwickelt werden. So wollen die Forscher das Messsystem auf weitere Parameter wie etwa in den Beton eindringendes Chlorid erweitern. Chloride schädigen die Stahlbewehrung wodurch schließlich der gesamte Bauteil geschwächt wird. Chloridschäden entstehen etwa durch Streusalze im Winter.

Aufwendigere Methoden ersetzen

Andererseits soll das für die Folien entwickelte Sensormaterial auch auf weitere Formate übertragen werden: Bei unebenen Betonoberflächen, für die sich Folien nicht eignen, möchte das Team aufsprühbare Sensorpartikel einsetzen und die Imaging-Technik auch für die gängige Praxis des Aufstemmens an Ort und Stelle verfügbar machen. Mit auf optischen Fasern basierten, miniaturisierten Sonden will man zudem über kleine Bohrlöcher tiefer in das Material eindringen und Tiefenprofile erstellen. „Ich denke, das Verfahren kann mittel- bis langfristig andere, teurere und aufwendigere Untersuchungsmethoden zu großen Teilen ersetzen und das Qualitätsmanagement im Betonbau entscheidend erleichtern“, schätzte Grengg das Potenzial der Messtechnologie ein. Das Projektvolumen beträgt rund eine Million Euro für drei Jahre, die Projektergebnisse werden der österreichischen Bau- und Betonbranche zur Verfügung gestellt.

Die Forscher erhoffen sich auch neue Erkenntnisse über den Verlauf der Korrosionsprozesse. „Dieses Wissen ermöglicht zielgerichtete und kostengünstige Sanierungen und ist wesentlich für die Entwicklung neuer, nachhaltiger und dauerhafter Materialien“, erklärte Florian Mittermayr vom Institut für Materialprüfung für Baustofftechnologie an der TU Graz.

apa/red

SERVICE: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0008884618307051, http://letters.rilem.net/index.php/rilem/article/view/72