Kategorie Klima- & Umweltschutz - 3. Dezember 2020

Green New Deal: »Wir müssen Frieden mit der Natur machen.«

Bewältigung der Klimakrise ist die definierende Herausforderung des 21. Jahrhunderts – für die Welt, für Europa, für Österreich

Der Weg aus der Corona-Krise muss nach Ansicht von UN-Generalsekretär Antonio Guterres mit dem Weg aus der Klimakrise verknüpft werden. Mit deutlichen Worten forderte er zu mehr Klimaschutz auf. Bereits jetzt seien apokalyptische Feuer und Überschwemmungen die neue Realität. Bestätigung für seine Aussagen erhält er auch von neuen Studienergebnissen.

Der Triftgletscher in den Schweizer Alpen, aufgenommen 1948, 2002 und 2006, © Gesellschaft für ökologische Forschung

Zum Ende eines Jahres der Wetterextreme mit Hurrikanen, Waldbränden und Hitzewellen hat UN-Generalsekretär António Guterres die Menschheit zu einem Ende ihres Krieges gegen die Natur aufgerufen. Sie solle sich verpflichten, den Ausstoß von Treibhausgasen zu beenden, sagte er in einer Rede an der New Yorker Columbia University.

Angesichts der Coronapandemie könne der Weg aus der Coronakrise aber auch eine Chance bieten. „Die Corona-Erholung und die Reparatur des Planeten können zwei Seiten derselben Medaille sein“, so Guterres.

2019 mit CO₂-Rekord in der Atmosphäre

„Wir sind konfrontiert mit einer verheerenden Pandemie, neuen Höchstständen bei der globalen Erwärmung, neuen Tiefstständen beim ökologischen Niedergang und neuen Rückschlägen bei unserem Kampf für mehr globale Ziele für gerechtere, inklusivere und nachhaltigere Entwicklung“, sagte der UN-Generalsekretär.“Frieden mit der Natur zu machen ist die definierende Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Das muss für jeden überall die allererste Priorität sein“, sagte er.

Treibhausgasneutral wirtschaften

Um einen solchen Frieden zu erreichen, hat sich Europa das Ziel gesetzt, zum ersten klimaneutralen Kontinent zu avancieren. Mit dem Green Deal der Europäischen Komission soll eine neue Wachstumsstrategie in Gang kommen, um den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und klimafreundlichen Wirtschaft zu bewerkstelligen. Dafür sollen bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden sowie das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt werden. Nur so könnten das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten und der gefährlichen Erderhitzung entgegengewirkt werden.

Neue Klimaberichte zeichnen weiterhin ein düsteres Bild vom Zustand des Planeten und stützen Guterres drastisch erscheinenden Aussagen. Das Jahr 2020 dürfte nach vorläufigen Analysen der Weltwetterorganisation (WMO) eines der drei wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts werden. Auch sei jetzt schon klar, dass die Jahre seit 2015 die sechs wärmsten seit Messbeginn seien. Der Temperaturrekord wurde 2016 mit plus 1,2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erreicht.

Auch das UN-Umweltprogramm UNEP warnte, dass die derzeitige, globale Produktion und Nutzung von fossilen Brennstoffen viel zu hoch sei, um die Pariser Klimaziele bis 2030 erreichen zu können. Um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müsse die internationale Gemeinschaft ihre Produktion von fossilen Brennstoffen jährlich bis 2030 um rund sechs Prozent reduzieren. Derzeit sei aber ein jährlicher Anstieg um zwei Prozent geplant – damit würde bis 2030 fast doppelt so viel fossiler Brennstoff produziert werden, wie mit dem Pariser Klimaziel vereinbar.

Im Zentrum der europäischen Bemühungen steht das 2050-Ziel zur Klimaneutralität für den Kontinent, wofür auch ein Europäisches Klimagesetz vorgeschlagen wurde, um diese politische Verpflichtung in eine rechtliche umzuwandeln. Eine ganze Gesellschaft soll demnach vollständig ohne CO2-Emissionen auskommen. Bis 2050 wollen die Länder treibhausgasneutral wirtschaften, also netto keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre ausstoßen. Seit März beraten die wichtigsten EU-Institutionen – EU-Parlament, EU-Rat und Kommission – über das Klimagesetz.

Auf dem Weg dorthin sollen Investitionen in neue, umweltfreundliche Technologien die Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr unterstützen. Die Abkehr von Öl, Kohle oder Erdgas im Energiesektor und in der Mobilität soll einhergehen mit der Einführung umweltfreundlicherer, kostengünstigerer und gesünderer Formen des privaten und öffentlichen Verkehrs. Die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zur Verbesserung weltweiter Umweltnormen sollen ebenfalls die Erreichung des Ziels beitragen.

Ein Zwischenschritt auf dem Weg dorthin ist ein drastisch höheres Klimaziel bis 2030, wofür sich das EU-Parlament bei einem – durchaus knappen – Votum über das EU-Klimagesetz Anfang Oktober aussprach. Die Abgeordneten stimmten dabei für eine Reduktion der Treibhausgase um 60 Prozent im Vergleich zu den Werten von 1990 als wichtige Etappe Richtung Klimaneutralität der Europäischen Union.

Es ist geplant, dass der Europäische Rat Mitte Dezember eine Einigung hinsichtlich eines neuen ambitionierten Klimazieles bis 2030 trifft. Im Anschluss daran, hat sich der deutsche Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft die Erreichung einer gemeinsamen Linie zu einem EU-Klimagesetz zwischen Mitgliedstaaten und EU-Kommission vorgenommen. Die ersten Diskussionen mit dem EU-Parlament zu technischen Details haben bereits begonnen. Ein Abschluss der ganzen Verhandlungen ist für 2021 geplant.

Neue Zwischenziele für 2030, um das Paradigma der Klimaneutralität am Leben zu erhalten, fordern auch Expertinnen und Experten der AGORA Energiewende, die jüngst eine Studie über ein machbares Szenario für ein klimaneutrales Deutschland vorgelegt haben. Das Ergebnis: Klimaneutralität 2050 und ein neues Zwischenziel von minus 65 Prozent Treibhausgase bis 2030 sind machbar, brauchen aber eine komplett andere Gangart in der Klimapolitik. Damit sich die Nettonull in wenigen Jahrzehnten auch in Österreich ausgeht, müssten Emissionen auch hierzulande bis 2030 gegenüber 1990 jedenfalls bereits um die 60 Prozent sinken, rechneten die Experten vor. Österreich möchte im Gegensatz zu anderen Ländern und der EU hier noch einmal zehn Jahre vorangehen und bis 2040 Klimaneutralität erreichen.

Klimakrise: Erneuerbare Energien als Schlüssel für Österreichs Klimaneutralität

Dafür sei ein „Upgrade Österreichs“ nötig, wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler in diesem Zusammenhang vorschlug. Mit vornehmlich ökologischen Investitionen möchte sie „das Land ein Stück weit umbauen“ und sieht die Republik auf einem guten Weg, dass Österreich unter dem Eindruck der Corona-Pandemie einen ökosozialen Wiederaufbau der Wirtschaft mit ambitionierten Zielen zur Bewältigung der Klimakrise eng verknüpft. Green Recovery lautet hier das Stichwort: Klima- und umweltschonende Investitionen, die das Klimaschutzministerium (BMK) in den Konjunkturpaketen der Bundesregierung verankert hat.

Ein Klimainvestitionspaket, welches heuer in Österreich mit zwei Klimamilliarden, jeweils 2021 und 2022, beschlossen wurde, steht dabei im Zentrum. Darin enthalten sind umfassende Investitionsprämien, eine Sanierungsoffensive, der Ausbau Erneuerbarer Energien sowie klimafreundlicher Technologien für die Zukunft, deutlich erhöhte Mittel für den Klima- und Umweltschutz sowie Konjunkturpakete für Gemeinden, Schulen und den Öffentlichen Verkehr. Der European Green Deal bildet dabei einen zusätzlichen Rahmen, der den Kreis schließen lässt und Österreich auch über ein umfangreiches Aktionspro­gramm auf europäischer Ebene Unterstützung zusichert.

Für die Klimaschutzministerin ist klar: „Damit Österreich wie geplant bis 2040 klimaneutral werden kann, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden“, die nächsten fünf bis zehn Jahre seien entscheidend. „Wenn wir jetzt nicht agieren, dann wird der Krisenzustand zu einem Dauerzustand.“ Schon jetzt seien die vom Klimawandel verursachten Schäden durch Hagelstürme, Trockenheit oder Hochwasser enorm – zwei Milliarden seien es in Österreich jährlich und könnten bis 2050 auf bis zu 12 Milliarden Euro pro Jahr steigen.

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