Kategorie Innovation & Technologie - 19. April 2016

Heißes Eisen unter der Lupe

Linz/Wien – Produktionskosten senken, Umweltverträglichkeit steigern – das sind zwei Ziele, mit denen sich die Stahlindustrie in Europa derzeit auseinandersetzen muss, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Um das zu erreichen, wird in einigen Forschungsprojekten an neuen Produktionsprozessen und an der Verbesserung der bestehenden getüftelt.

Ein Beispiel dafür ist das Projekt, an dem die Geologin Birgit Kain-Bückner gerade arbeitet: Sie widmet sich im neuen Linzer Metallurgie-Kompetenzzentrum K1-Met der detaillierten Analyse jener eisenhaltigen Rohstoffe, die im Hochofen verwendet werden – und zwar soll diese Analyse automatisiert mithilfe einer neuen Software namens VisuMet ablaufen. Während die entsprechende Software für Eisenerz und Pellets (das kugelförmige Basismaterial für die Roheisenproduktion) bereits entwickelt wurde, geht es in der laufenden Forschungsphase nun um den Sinter, das ist das geschmolzene, eisenhaltige Endprodukt der Sinteranlage.

Der Hintergrund: Beim Sinterprozess wird Eisenerz mit anderen Stoffen unter Hitzeeinwirkung aufbereitet, sodass sich sogenannte Agglomerate bilden, die im Hochofen zu Roheisen verarbeitet werden können. Dieser Prozess ist energieintensiv und führt zu Emissionen wie Schwefeloxiden und Kohlenmonoxid.

Je besser man daher über die Eigenschaften des Sinters Bescheid weiß, desto effizienter kann der Prozess gesteuert werden. Eine Beurteilung der Sinterqualität ist allerdings aufwendig, mithilfe der besagten VisuMet-Software kann dies vereinfacht werden.

Konkret werden mit einem Auflichtmikroskop vom fertigen Sinterprodukt Teilproben abgebildet. Diese mikroskopischen Aufnahmen werden von der Software hinsichtlich ihrer mineralogischen Qualität beurteilt – es werden die eisenhältigen und mineralischen Anteile bestimmt.

„Wir wollen ein Modell entwickeln, das Rückschlüsse auf das Verhalten in der Produktion zulässt“, sagt Kain-Bückner. Damit soll sich unter anderem der Einsatz der nötigen Energie verbessern lassen, was Kosten und Auswirkungen auf die Umwelt verringern könnte. Das Projekt für das automatisierte Bildverarbeitungssystem läuft nun bis 2019.

VisuMet ist Bestandteil eines von fünf Forschungsprojekten des Bereichs Rohstoffe und Recycling bei K1-Met, einem auf Metallurgie spezialisierten Kompetenzzentrum. Es wird im Rahmen von Comet, dem Kompetenzzentrenprogramm von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium gefördert. Der gesamte Forschungsbereich soll entscheidend zur Verbesserung der Produktionsprozesse der Stahlindustrie beitragen.

Ersatz für Koks gesucht

„Es geht um die nachhaltige Sicherung der Rohstoffbasis, den effizienten Einsatz dieser Rohstoffe und um neue Möglichkeiten im Recycling“, erklärt Johannes Rieger, Leiter dieses Forschungsbereichs. Im ersten der fünf Projekte geht es um die Weiterentwicklung des Sinterprozesses, wozu eben auch VisuMet zählt. Darüber hinaus werden Untersuchungen angestellt, wie sich die Betriebsbedingungen im Sinterprozess auf die Bildung von Luftschadstoffen auswirken. Zudem werden Möglichkeiten zur Energierückgewinnung bei der Kühlung des Sinter-Endprodukts gesucht.

Im zweiten Projekt werden neue Methoden zur Charakterisierung von Kohlesorten entwickelt, die für einen Einsatz bei der Roheisenproduktion in fein gemahlener Form infrage kommen. Der Hintergrund: Koks ist als Rohstoff in Europa schwer verfügbar, daher sind die Stahlunternehmen von Lieferungen aus anderen Regionen – unter anderem aus China und den USA – abhängig. Andere Kohlesorten sollen daher die Kokskohle zumindest teilweise ersetzen.

Ein weiteres Projekt widmet sich dem Recycling: Stoffe wie Eisen oder Mangan sollen aus der im Stahlwerk entstehenden Schlacke abgetrennt und direkt im Hüttenwerk wiederverwendet werden; weiters sollen aus der Stahlwerksschlacke Endprodukte beispielsweise für die Baustoffindustrie entstehen. „Es geht um die Erfüllung umwelttechnischer Auflagen, und wir wollen einen Markt für unsere Recycling-Produkte schaffen“, erläutert Rieger.

Staub- und Schlammschlacht

Projekt Nummer vier dreht sich um die Behandlung und Aufbereitung von metallurgischen Stäuben und Schlämmen, die bei der Reinigung aus Gasströmen abgetrennt werden; diese Gase fallen in der Produktion an. Daraus sollen ebenfalls wertvolle Stoffe gewonnen werden, die wiederverwertet werden können. An der Montan-Uni Leoben (Lehrstuhl für Thermoprozesstechnik) ist bereits eine Pilotanlage zur Abtrennung von Zink aus jenem Gasstaub in Betrieb, der beispielsweise beim sogenannten Linz-Donawitz-Verfahren (LD-Verfahren) in der Stahlerzeugung anfällt.

Dazu passt das fünfte Projekt der Rohstoff- und Recycling-Gruppe von K1-Met: In diesem werden alternative Konzepte zur Reinigung metallurgischer Prozessgase entwickelt; dabei sollen die derzeit nass betriebenen Gaswäscher-Systeme durch trockene Systeme wie Gewebefiltertuchanlagen ersetzt werden. Weiters wird geforscht, wie Kohlenmonoxid aus dem Abgas von Sinteranlagen durch katalytische Behandlung eliminiert werden kann – dabei strömt das Gas durch einen Katalysator aus Keramik.

Die einzelnen Forschungsprojekte sollen einem großen Ganzen dienen: Nicht nur Kostensenkung und Klimaschutz stehen im Fokus, auch die Abhängigkeit von den weniger werdenden Rohstoffen soll gesenkt werden – und wenn sich mit den Resten der Produktion ein wenig Geld verdienen lässt, hätten die Unternehmen der Stahlbranche auch nichts dagegen.

„Das Potenzial für konkrete Auswirkungen auf die Stahlherstellung ist groß“, meint Rieger. „Unsere Arbeit ist nicht nur wichtig für die Industrie, sondern hat Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die Umwelt“, ergänzt Kain-Bückner – für sie eine große Motivation bei ihrer Forschungsarbeit. (Robert Prazak, 13.4.2016)