Kategorie Innovation & Technologie - 20. September 2016

In 30 Sekunden zum Plastikkollektor

Der Energieverbrauch wächst enorm, wo Menschen der extremen Armut entrinnen. In vielen Ländern der Erde ist dies in den vergangenen Jahrzehnten hundertmillionenfach passiert. So hat sich laut „Millenniums-Entwicklungsziele-Bericht“ der Vereinten Nationen von 2015 die Zahl der Erwerbstätigen, die der Mittelschicht angehören, von 1991 bis 2015 fast verdreifacht.

Rund die Hälfte des dadurch wachsenden globalen Energiebedarfs betrifft Wärmeenergie. Das gute Recht jedes Menschen auf eine heiße Dusche in einer warmen Wohnung steigert den ohnehin schon großen Energiehunger der Welt noch weiter. Der Ressourcenausverkauf des Planeten scheint nur abwendbar, wenn erneuerbare Energien vom mühsam aufgepäppelten Herzensprojekt weniger reicher Länder zum weltweiten Kassenschlager mutieren. Was würde es nützen, wenn acht Millionen Österreicher ihre Klimaziele erreichten, während 1,2 Milliarden Inder alle Schlote unter Volldampf setzen?

Vor diesem Hintergrund drängt das Technologieunternehmen Sunlumo mit einem massentauglichen Sonnenkollektor zur Warmwassererzeugung auf den Markt, den sich auch die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern leisten können sollen. Laut Unternehmen wächst die weltweite Fläche an Sonnenkollektoren derzeit um „nur“ 60 Millionen Quadratmeter pro Jahr. Die Oberösterreicher wollen ein Potenzial von 300 Millionen Quadratmeter jährlichem Zuwachs errechnet haben. Ihr vom Klima- und Energiefonds geförderter Eine-Welt-Solar-Kollektor soll helfen, es auszuschöpfen.

Zu 100 Prozent aus Kunststoff

Geschäftsführer Robert Buchinger will dies durch die Verwendung alternativer Materialien erreichen. „Im Moment bestehen vergleichbare Sonnenkollektoren aus Kupfer, Aluminium und Glas. Diese Materialien sind jedoch sehr energie- und kostenintensiv,“ erklärt er.

Stattdessen setzen Buchinger und sein Team bei ihrem Kollektor zu 100 Prozent auf Kunststoff. Auch Komponenten wie Rohleitungen und Pumpen sind aus Plastik. Buchinger: „Der Eine-Welt-Solar-Kollektor ist hochstabil und ultraleicht, denn durch den Sandwichaufbau konnten Bauhöhe und Materialaufwand des Kollektorgehäuses extrem reduziert werden.“

Statt der üblichen 20 Kilogramm pro Quadratmeter bringt die Neuentwicklung lediglich acht Kilo auf die Waage. So will man die Anschaffungskosten um bis zu 50 Prozent reduzieren. Eine kleine Fotovoltaikzelle liefert den Strom für die Pumpe und kann nebenbei eine kleine Lichtquelle oder Handyladestation versorgen. Das System besticht vor allem durch Einfachheit. Es kann bei Bedarf auch mit einem alten Ölfass oder anderen bereits vorhandenen Behältern als Wasserspeicher betrieben werden.

Die Verwendung von polymeren Werkstoffen, also Plastik, geht in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unbedingt mit dem Umweltgedanken einher. Schließlich sind sie meist aus Erdöl gemacht und nagen am Rohstoffvorkommen. Für den Elektronik- und Informatikingenieur Buchinger sind sie dennoch der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit.

Weniger ökologische Belastung

Er verweist auf eine aktuelle Studie der Uni Linz, die für solarthermische Anlagen aus Kunststoff eine Verringerung der ökologischen Belastung um mindestens 70 Prozent gegenüber der Metall- und Glasvariante zeigt. „Viele Probleme liegen nicht am Werkstoff, sondern am Umgang des Menschen mit den Produkten. Auch ich bin gegen schwimmende Plastikmüllteppiche in den Ozeanen.“

Im Vorjahr wurde der Eine-Welt-Solar-Kollektor mit dem Ecodesign-Preis „Produkt 2015“ des deutschen Umweltministeriums ausgezeichnet. Derzeit sucht Buchinger u. a. in Indien Partner, die per Produktionslizenz in schlüsselfertig gelieferten Anlagen Kollektorensysteme bauen. Maschinen und Komponenten sollen aus Österreich kommen. Jede Anlage soll dann alle 30 Sekunden einen neuen Kollektor produzieren. (Von Timo Küntzle, Die Presse)