Kategorie Klima- & Umweltschutz - 28. Juli 2023

Monat der Extreme: Juli war global heißester Monat seit Jahrtausenden

Dieser Juli war ein Monat der Extreme. Vielerorts war es so heiß, dass der Juli 2023 nicht nur als bislang heißester Monat seit Beginn der Aufzeichnungen sondern als bisher heißeste Monat seit Tausenden von Jahren in die Geschichte eingehen wird. Wetterdienste, Forschungsstationen und Satelliten der Erdbeobachtungsprogramme verzeichneten Rekordwerte – und zwar sowohl an Land als auch im Wasser.

Klimaforschende der Weltwetterorganisation (WMO) und des europäischen Erdbeobachtungsdienstes Copernicus haben dazu Daten bis zum 23. Juli ausgewertet. „Die Welt sitzt auf einem heißen Stuhl“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres.

Der neue Chef des UN-Klimarats, der Brite Jim Skea, sagte, es sei nun klar, dass die Welt das Ziel einer maximalen Erderwärmung um 1,5 Grad nicht erreichen werde. Die Regierungen hätten keine Maßnahmen ergriffen, die ehrgeizig genug gewesen seien, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. „Das ist absolut sicher.“

„Wir müssen nicht bis Ende des Monats warten, um das genau zu wissen. Wenn es in den nächsten Tagen keine Mini-Eiszeit gibt, wird der Juli alle Rekorde brechen“, meinte Guterres. Klar ist schon: Die drei Wochen Anfang Juli waren der wärmste jemals gemessene Dreiwochenblock. 2023 könnte den bisherigen Rekord von 2016 als heißestes Jahr brechen, sagte Chris Hewitt, Direktor für Klimadienstleistungen bei der WMO.

„Ära des globalen Kochens ist angebrochen“

Der heißeste einzelne Tag war nach diesen Angaben der 6. Juli, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,08 Grad, dicht gefolgt vom 5. und 7. Juli. Der vorherige Rekord stammte vom 13. August 2016 mit einem Wert von 16,8 Grad. Dieser Rekord wurde in diesem Jahr an mindestens 17 Juli-Tagen übertroffen. „Die Ära der globalen Erwärmung ist vorüber. Die Ära des globalen Kochens ist angebrochen“, sagte Guterres. Er rief Politiker auf, umgehend drastische Schritte zur Eindämmung des Klimawandels zu beschließen.

Copernicus bezieht sich zwar auf konkrete Messdaten unter anderem von Wetterstationen und Satelliten, die nur bis 1940 zurückreichen, wie Carlos Buontempo, Copernicus-Direktor beim Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) sagte. Die Klimaforschung, die das historische Klima aus indirekten Beobachtungen wie etwa Baumringen oder Luftblasen in Gletschern rekonstruiert, lege aber nahe, dass die Juli-Temperaturen beispiellos seit Tausenden von Jahren seien. Die Erderwärmung durch den menschengemachten Klimawandel schreitet seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts langsam voran. Sie hat sich seit den 1980er-Jahren sehr stark beschleunigt.

Zwar war das Wetter in Nordeuropa in diesem Juli gefühlt weniger warm als in anderen Sommern, aber im globalen Durchschnitt waren Hitzewellen in Nordamerika, Asien und Südeuropa ausschlaggebend. Ebenso habe dazu die hohe Wassertemperatur der Ozeane zu dem besonders warmen Juli beigetragen, berichtete die WMO.

Globale Durchschnittstemperatur 16,95 Grad

In den ersten 23 Juli-Tagen lag die globale Durchschnittstemperatur nach diesen Angaben bei 16,95 Grad. Bisher war nach den europäischen Berechnungen der Gesamt-Juli 2019 mit 16,63 Grad der heißeste. NOAA nennt den Juli 2021 als heißesten Monat. Der Unterschied könne damit erklärt werden, dass die NOAA-Berechnungen große Teile der Polarregionen nicht einrechneten, teilte Copernicus mit.

Die WMO geht mit 98-prozentiger Sicherheit davon aus, dass eines der nächsten fünf Jahre das heißeste je gemessene sein wird. Das bisherige Rekordjahr ist 2016 schlug mit einer globalen Durchschnittstemperatur von rund 1,3 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) zu Buche. Die WMO geht mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass in mindestens einem der nächsten fünf Jahre die globale Durchschnittstemperatur den Wert von 1,5 Grad überschreitet. „Dies bedeutet nicht, dass wir das im Pariser Abkommen festgelegte Niveau von 1,5 Grad dauerhaft überschreiten werden“, betonte die WMO. „Das bezieht sich auf eine langfristige Erwärmung über viele Jahre hinweg.“

Der Juli folgte auf einen Juni, der bereits so heiß war wie kein anderer Juni. „Menschengemachte Emissionen sind letztlich der Hauptgrund für die ansteigenden Temperaturen“, sagte Copernicus-Direktor Carlo Buontempo. „Eine Reduzierung der Treibhausgase ist dringender als je zuvor“, sagte WMO-Chef Petteri Taalas. „Klimamaßnahmen sind kein Luxus, sondern ein Muss.“

Aufgeheizte Meere

Nach vorläufigen Daten von US-Forschern ist auch der Nordatlantik so heiß wie nie seit Beginn ihrer Datenreihe vor rund 40 Jahren. Seine Durchschnittstemperatur lag nach Daten der Plattform „Climate Reanalyzer“ der University of Maine am 29. Juli – dem bis Montagnachmittag letzten ausgewerteten Datum – bei 25,0 Grad. Der Rekordwert betrug bisher 24,9 Grad und wurde in den Tagen 1. bis 7. September 2022 erreicht.

Bei den Auswertungen von „Climate Reanalyzer“ handle es sich um sogenannte Reanalysen, erklärte Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel kürzlich. „Es fließen nicht nur real gemessene Wetterdaten ein, sondern auch Modellrechnungen.“ Die endgültigen Temperaturanalysen folgen später.

Als Hauptgrund für den Anstieg gelten die menschengemachten Treibhausgase. Über 90 Prozent der durch sie entstehenden Wärme werde von den Ozeanen aufgenommen, sagte Latif am Montag. Dadurch seien sie in bis zu 2.000 Meter Tiefe, in wenigen Gebieten auch noch tiefer, deutlich wärmer geworden – mit Folgen nicht nur für die Ökosysteme. So bestimmt der Nordatlantik das Wetter für Europa maßgeblich.

Für die Wissenschaft ist das ein schrilles Alarmsignal in Sachen Klimawandel und Extremwetter – auch für die Situation an Land. „Es braucht sehr viel Energie, um Wasser zu erwärmen“, sagt Anders Levermann, Wissenschafter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Bereits ein Anstieg um 0,1 Grad im Ozean entspricht dabei einer gigantischen Energiemenge. „Die Wärmekapazität des Wassers ist sehr viel höher als die der Luft oder des Landes“, ergänzt er. „Man kann daran sehen, dass wir selbst innerhalb der globalen Erwärmung so weit außerhalb der normalen Schwankungen sind, dass das besorgniserregend und beunruhigend ist.“

„Temperaturen im Meer sind ein absoluter Masterschalter“, sagt auch Thorsten Reusch, Biologe am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Kleinste Veränderungen können das globale Klimasystem durcheinanderwirbeln. „Was wir jetzt sehen, ist jenseits aller bisher aufgezeichneten Wassertemperaturen. Das ist auf jeden Fall bemerkenswert bis bedenklich.“

Für Laien möge sich ein Anstieg von 0,2 Grad nach wenig anhören. Das sei aber der globale Mittelwert. Meerwasser könne sich regional viel stärker erwärmen, in den Tropen bis über 30 Grad Celsius. Das hat Folgen. „Bei vielen Organismen im Meer ist die Wassertemperatur die Körpertemperatur.“

Besonders krass war das im Meer vor den Florida Keys, der Inselkette südlich von Miami, zu spüren, wo die US-Ozeanografiebehörde NOAA jetzt Rekordwassertemperaturen von über 38 Grad Celsius maß. Auch im restlichen Golf von Mexico war es nicht besser – eine Folge weltweit gestiegener Meerestemperaturen. Bedroht sind davon vor allem die Korallenriffe.

Schon seit März weist die Oberfläche der Meere global Rekordtemperaturen für den jeweiligen Monat auf. Nun komme allmählich das Klimaphänomen El Niño hinzu. Das natürliche Wetterphänomen könne die im Zuge der Klimakrise ohnehin steigenden Temperaturen zusätzlich in die Höhe treiben.

Im Schnitt ereignet sich alle zwei bis sieben Jahre ein El Niño. Das Phänomen tritt nicht dauerhaft auf, sondern periodisch. Es dauert üblicherweise mehrere Monate. Laut einer Abteilung der US-Klimaforschungsbehörde NOAA besteht dieses Mal eine mehr als 90-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass El Niño über unseren Winter hinaus anhalten wird.

Im Jahr 2021 erklärten die Uno-Klimawissenschaftler des Weltklimarats IPCC , dass die Ereignisse, die seit 1950 aufgetreten sind, stärker sind als die zwischen 1850 und 1950 beobachteten. Es heißt aber auch, dass Baumringe und andere historische Belege auf Schwankungen in Häufigkeit und Stärke seit 1400 hindeuten. Inwiefern sich der Klimawandel auf das Phänomen auswirkt, versuchen Forschende derzeit herauszufinden.

 

Juli-Hitzewelle in Südeuropa wäre ohne menschengemachten Klimawandel nicht möglich gewesen