Kategorie Energie - 2. Februar 2023

Kriegsschäden: Österreich hilft der Ukraine bei Umweltschutz & Energiewende

Russlands Angriffskrieg zerstört massiv die Umwelt – größte Schäden sind bei Wäldern & Gewässern zu erwarten – Naturschutzgebiete in Gefahr – Österreich wird die Zusammenarbeit im Bereich Umweltschutz & Energiewende mit der Ukraine intensivieren

Zu einem Solidaritätsbesuch sind Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Wirtschaftsminister Martin Kocher in der Ukraine angekommen. Die österreichische Delegation reiste mit konkreten Hilfen im Gepäck an, darunter etwa dringend benötigte Generatoren oder Materialien für den Bau von hunderten Häusern. Zudem wurden im Umwelt- und Energiebereich Memoranden zur verstärkten Kooperation unterzeichnet.

Van der Bellen sagte der Ukraine im Rahmen der Visite weitere Unterstützung und Solidarität zu. Österreich sei zwar militärisch neutral, aber nicht werteneutral, betonte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Kiew. Teil der Reise waren auch Besuche in Städten wie Butscha und Borodjanka im Umfeld von Kiew, die inzwischen synonym für grausame Kriegsverbrechen und Zerstörung durch die russischen Aggressoren in der Ukraine stehen. „Man kann nicht neutral bleiben, wenn Menschen ums Leben kommen“, so van der Bellen.

Neben diesem enormen menschlichen Leid ist ein weiterer Schandfleck des brutalen Angriffskrieges durch Russland die massive Zerstörung der Umwelt in der Ukraine. Die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt werden nach Schätzungen von Expert:innen die Gesundheit der Bevölkerung noch über Jahrzehnte bedrohen. Aufgrund der Zerstörung von Industrieanlagen treten in vielen Regionen der Ukraine seit Beginn des Kriegs giftige Chemikalien in die Umwelt aus, stellte beispielsweise Greenpeace in seiner Umweltbilanz 2022 fest. Trinkwasser und Luft würden infolge des Krieges immer weiter verschmutzt und Gewässer an vielen Orten kontaminiert.

Die durch die bewaffnete russische Aggression verursachten Umweltschäden übersteigen demnach bereits 46 Milliarden US-Dollar, wie Ruslan Strilets, der ukrainische Umweltminister, in einem Kommentar für das Magazin The Economist festhielt. Das ukrainische Umweltministerium stellt regelmäßig Bulletins zur Verfügung, um diese Schäden an Natur und Umwelt zu dokumentieren.

 

So gehörten durch Brände verwüstete Wälder, das durch Schwermetalle und giftige Chemikalien verseuchte Grundwasser und der Boden sowie die getöteten oder aus ihrem Lebensraum vertriebenen Wildtiere zu den weniger bekannten Opfern des Krieges. Selbst die bisher nur bruchstückhaft vorhandenen Daten zeichnen das Bild einer ökologischen Katastrophe. Trotz des Krieges führt die Ukraine aber bereits Projekte zur Beseitigung der Umweltschäden durch.

An dieser Art Wiederaufbau beteiligt sich nun auch Österreich. Der Schutz, das Monitoring und die Wiederherstellung der sensiblen Ökosysteme, die durch den Krieg zerstört würden, stehen dabei im Mittelpunkt . „Der brutale Krieg in der Ukraine entzieht den Menschen vor Ort die Lebensgrundlage – sauberes Wasser, fruchtbare Böden, gesunde Wälder, als das wird ganz gezielt von Putins Truppen vernichtet“, so Gewessler. Sie unterzeichnete in Kiew mit ihren ukrainischen Amtskollegen ein Memorandum of Understanding, um so die Zusammenarbeit im Bereich Umwelt zu intensivieren.

So soll ein Austausch von Know-how in der Überwachung der Luft-, Wasser- und Bodenqualität ein umfassendes Monitoring liefern, um die Biodiversität in der Ukraine so schnell wie möglich wieder herstellen zu können. Ein Informationsaustausch bezüglich bewährter Verfahren und Technologien in der Abfallwirtschaft sowie der Austausch von Erfahrungen im Bereich Vermeidung und Begrenzung von Emissionen aus Industrieanlagen soll zudem den Umweltschutz auch in Nachkriegszeiten unterstützen.

Naturwunder in akuter Gefahr

Als eines von vielen Beispielen für die Zerstörung der Natur in der Ukraine steht die Halbinsel Kinburn am Schwarzen Meer im Süden des Landes. In diesem Schutzgebiet sind mehr als 600 Pflanzenarten, von denen viele endemisch sind, beheimatet. Die Fauna umfasst 45 Arten von Säugetieren, 30 Vogelarten, darunter viele seltene, 74 Fischarten und etwa 4.000 unterschiedliche Insektenarten. Als Naturwunder der Halbinsel gilt das Orchideenfeld von Pokrowske, eines der größten Orchideenfelder Europas.

© Ministry of Environmental Protection and Natural Resources of Ukraine

Vorläufigen Berechnungen von Wissenschaftler:innen zufolge, die sich auf Satellitenbilder der europäischen Sentinel-2-Mission stützen, gab es allein 2022 auf der vom russischen Militär besetzten Halbinsel Kinburn mindestens 50 Brände mit einer Fläche von 10.000 Hektar – der Hälfte der gesamten Halbinsel.

Auf Kinburn hatten sich bisher ganz einzigartige Ökosysteme, wie etwa Sandsteppen, gebildet, Lebensraum dutzender Pflanzen, Pilze und Flechten. Zu den seltenen Tierarten gehören drei Delfinarten, mehrere Fledermausarten und die Sandblindmaus. Zudem gibt es auf der Halbinsel die große Saturnia, der größte Nachtschmetterling Europas, sowie die Riesenskolie, eine riesige, über vier Centimeter große Wespe.

 

Vor den verheerenden Bränden im Zuge der Invasion war die Nehrung zwischen Halbinsel und Festland ein geschütztes Brutgebiet mehrerer teils auch seltener Vogelarten. Regelmäßig versammelten sich dort Reiher und Rosapelikane. Zu Beginn der Brutsaison zerstörte ein Brand ein großes Schilfgebiet, eigentlich Herberge der größten Reiherkolonie verschiedener Arten in der Ukraine – mehr als 600 Paare nisteten hier. Auch eine große Kolonie von Pelikanen lebte hier – manchmal bis zu 2.500 Individuen.

 

Die Liste an teils unwiederbringlicher Zerstörung wertvoller Naturräume ließe sich mit vielen weiteren Kriegsschauplätzen in anderen Teilen der Ukraine fortsetzen. Klar ist: Es ist dringend geboten, auch diese Folgen des Krieges im Blick zu behalten und wenn möglich abzufedern.

Bedarf an Wiederaufbau erfordert auch der Energiesektor in der UKraine. Auch in diesem Bereich ist eine engere Partnerschaft mit Österreich geplant. Mit dem ukrainischen Energieminister Herman Haluschtschenko unterzeichnete Gewessler ebenfalls ein Memorandum, das Energiewende und Erneuerbaren Energien in den Fokus rückt.

Die Eckpunkte dabei sind unter anderem der Austausch über Verfahren bei der Energiewende wie etwa Energiesystemplanung oder staatliche Förderprogramme, sowie über die bewährte Technologien im Bereich erneuerbarer Energien wie Windkraft, Photovoltaik und Biomasse. „Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führt uns drastisch vor Augen, dass wir den Import von fossiler Energie vor allem aus Russland rasch beenden müssen. Die Ukraine verfügt über ein erhebliches Potenzial für die Entwicklung von erneuerbaren Energien und auch für die Zusammenarbeit mit der EU bei der Entwicklung von Projekten für diese“, so Gewessler. Auch die Beschleunigung des Einsatzes und der Nutzung von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen sind Teil dieser Energiepartnerschaft.

„Für die Ukraine ist dies nicht nur eine Gelegenheit, zum globalen Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. Heute ist dies eine Gelegenheit, die Probleme zu lösen, die wir nach dem 24. Februar 2022 hatten. Niemand wird bestreiten, dass es für uns wichtig ist, erneuerbare Energien zu entwickeln, weil unsere Energiesicherheit und die Energiesicherheit Europas davon abhängen. Es ist uns wichtig, dass jedes zerstörte Gebäude nach neuen Standards wiederaufgebaut wird und dass jeder Kindergarten, jede Schule und jede andere soziale Einrichtung nach modernen energiesparenden Technologien gebaut wird. Wir unternehmen bereits Schritte, um Investitionen in solche Projekte anzuziehen“, erklärte Ruslan Strilets.

Das Klimaschutzministerium (BMK) stellt zudem weitere fünf Millionen Euro für den „Ukraine Energy Support Fund“ zum Wiederaufbau beschädigter Energieinfrastruktur zur Verfügung und stockt Österreichs Beitrag zu diesem Fonds damit „als Akt der Solidarität und als Beitrag für den so wichtigen Wiederaufbau beschädigter Infrastruktur in der Ukraine“ auf insgesamt 10 Millionen auf. „Wir dürfen nicht zusehen, wie Putin den Winter als Waffe benutzt – und bei seinen brutalen Angriffen auf die Ukraine ganz gezielt versucht, die kritische Infrastruktur zu treffen. Millionen Menschen sind bei eisigen Temperaturen ohne Strom und oftmals ohne Heizung und Wasserversorgung“, so Gewessler.

Vorläufigen Berechnungen sehen nach fast einem Jahr Krieg diese Folgen für Natur & Umwelt*:

  • 280.132 Quadratmeter Boden sind mit gefährlichen Stoffen verseucht
  • 11.079.525 Quadratmeter Land sind mit den Überresten zerstörter Militär-Objekte und Munition übersät
  • 686.168 Tonnen Erdölprodukte wurden infolge der russischen Angriffe verbrannt, wodurch die Luft mit gefährlichen Stoffen verschmutzt wurde
  • 59.150 Hektar Wald und andere Plantagen wurden durch Raketen und Granaten verbrannt. Den optimistischsten Berechnungen zufolge kann ein Teil davon innerhalb von Jahrzehnten wiederhergestellt werden, der Rest ist jedoch für immer verloren;
  • 979.113 Quadratmeter Gebäude, einschließlich kritischer Infrastruktur, wurden zerstört, ihre Überreste verursachen nach wie vor Umweltschäden
  • 1.574 Tonnen – die Masse der Schadstoffe, die in Gewässer gelangten
  • 932.594 kg – Masse an fremden Gegenständen, Materialien, Abfällen und/oder anderen Stoffen;
  • 410.150.000 m3 – Volumen des gestohlenen Wassers

* alle Angaben laut ukrainischen Umweltschutzministeriums APA