Kategorie Klima- & Umweltschutz - 14. Juli 2022

Das »Nature Restoration Law« als Meilenstein im europäischen Natur- & Artenschutz

Mehrfach wurde es verschoben, im Juni endlich veröffentlicht: Die EU-Kommission hat den schon länger erwarteten Entwurf eines EU Restoration Laws, einem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur in der EU, vorgelegt. Hintergrund ist der weiter voranschreitende Verlust an Biodiversität in Europa, der trotz einer bestehenden Biodiversitätsstrategie und zahlreichen Richtlinien beispielsweise zum Vogel- und Gewässerschutz bisher nicht eingedämmt werden konnte.

© Paul Pastourmatzis unsplash

Aus diesem Grund wurde im EU-Green-Deal das Ziel formuliert, ein bindendes rechtliches Instrument zur Wiederherstellung der Natur zu erlassen, damit die langfristigen Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie ereicht werden können. Dementsprechend enthält der Verordnungsvorschlag des Restorations Laws EU-weit rechtlich verbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur in verschiedenen Ökosystemen, um Schäden an der europäischen Natur bis 2050 möglichst weiträumig zu beheben. Das Klimaschutzministerium (BMK) begrüßt diesen Gesetzesentwurf, der bereits jetzt als ein Meilenstein im europäischen Natur- und Umweltschutz gilt.

Auch Umweltverbände reagierten überaus positiv auf die Pläne. „Die Wiederherstellung von Ökosystemen wie Moore, Wälder und Seegraswiesen kann Emissionen reduzieren und jedes Jahr Millionen Tonnen Kohlenstoff binden. Das geplante Gesetz ist eine große Chance – wir müssen sie ergreifen, bevor die Klima- und Biodiversitätskrise weiter außer Kontrolle gerät“, äußerste sich etwa Arno Aschauer, Biodiversitätsexperte beim WWF Österreich.

Das Ziel des EU Nature Restoration Laws lautet:

»By 2050, ecosystems in the EU are restored and maintained in good condition.«

Die EU-Mitgliedsstaaten sollen für dieses Ziel vorrangig Maßnahmen behandeln, die positive Auswirkungen auf den Klimaschutz haben und/oder helfen Naturkatastrophen zu vermeiden. Die geplanten Wiederherstellungsmaßnahmen sollen jedoch auch Ökosysteme umfassen, die bisher von keiner Richtlinie erfasst sind und/oder außerhalb des N2000-Netzes von Schutzgebieten innerhalb der EU liegen – z.B. Wirtschaftswälder, städtisches Grünland oder agrarische Ökosysteme.

Die Evaluierung der EU-Biodiversitätsstrategie 2020 ergab, dass die verfehlten Ziele zur Wiederherstellung vor allem darin begründet lagen, dass diese rechtlich schlicht nicht verbindlich waren. Dieses Fehlen einer rechtlich bindenden Verpflichtung zur Zielerreichung soll nun mit dem neuen Restoration Law behoben werden. Auch beim Zeithorizont wir nochmal nachgeschärft, nachdem zwar einzelne Richtlinien die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands für Habitate und Arten vorsahen, für die Umsetzung jedoch keine zeitlich verbindlichen Fristen definiert waren.

Konkret sollen nach den neuen Regelungen alle Mitgliedsstaaten unverzüglich Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, Land-, Küsten-, Süßwasser- und Meeresökosysteme, die sich in einem schlechten Zustand befinden, wiederherzustellen und zwar auf mindestens 30 Prozent der Flächen bis 2030, auf 60 Prozent bis 2040 und auf 90 Prozent dieser Flächen bis 2050.

Flächen, auf denen diese Ökosysteme bereits verschwunden sind, sind Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen, bis 2050 das günstige Referenz-Flächenausmaß wieder erreicht wird. Darüber hinaus sind Ziele zur Wiederherstellung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Ökosystemen vorgeschrieben, die etwa die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, für die Erholung gefährdeter Arten und ihrer Lebensräume zu sorgen. Der Schutz von Bestäubern und der Artenvielfalt in sogenannten Agrar- und Waldökosystemen soll damit sichergestellt werden.

Auch gibt es strengere Verpflichtungen zum Erhalt renaturierter Lebensräume, die garantieren, dass wiederhergestellte Standorte langfristig der biologischen Vielfalt und dem Klima zugutekommen. Das trifft beispielsweise auf Moore zu, von denen auf zumindest 70 Prozent ihrer Fläche bis 2050 Renaturierungsmaßnahmen getroffen worden sein sollen, wobei mindestens die Hälfte davon wiedervernässt sein muss.

Jeder EU-Mitgliedsstaat muss spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Nationalen Wiederherstellungsplan erstellen, worin das Ausmaß der zu restaurierenden Flächen nach bestimmten Kriterien ersichtlich wird – zudem unter Berücksichtigung der Verluste der letzten 70 Jahre.

In diesen Inventaren sollen Restaurationsmaßnahmen zur Verhinderung einer weiterer Degradierung, Barrieren in Fließgewässern, ein Zeitplan für die Umsetzung der Maßnahmen, ein Plan zum Monitoring, der Klimanutzen und auch der Finanzbedarf ersichtlich sein. Ein Monitoring soll alle drei Jahre durchgeführt werden, damit verbunden ist ein Bericht über die Umsetzung des Nationalen Restaurierungsprogramms, der aller drei Jahre direkt an die Europäische Kommission übermittelt werden muss.


Bis spätetestens 2030 sollen zufriedenstellende Level dieser Indikatoren von jedem Mitgliedstaat definiert sein:



  • Stärkung der Bestäuberpopulationen bis 2030 und Steigerung der Bestände ab 2030

  • Kein Nettoverlust an städtischen Grünflächen bis 2030, eine Zunahme um fünf Prozent bis 2050, ein Mindestanteil von zehn Prozent an Baumkronen in jeder europäischen Stadt und jedem Vorort sowie ein Nettogewinn an Grünflächen, die in Gebäude und Infrastruktur integriert sind,

  • In Agrar-Ökosystemen: Schutz und Stärkung der biologischen Vielfalt sowie positiver Trend bei Grünlandschmetterlingen, Ackervögeln, organischem Kohlenstoff in Ackerboden-Mineralböden und eine Erhöhung des Anteils an landwirtschaftlicher Fläche mit high-diversity landscape features.

  • Wiederherstellung und Wiedervernässung von entwässerten Mooren unter landwirtschaftlicher Nutzung und von Torfabbaugebieten.

  • In Waldökosystemen: allgemeine Zunahme der biologischen Vielfalt und positiver Trend bei der Vernetzung der Wälder, dem Anteil von stehendem und liegendem Totholz, dem Bestand an organischem Kohlenstoff, dem Anteil der Wälder mit ungleichmäßigem Alter sowie den Waldvögeln.

  • Wiederherstellung von Meereslebensräumen wie Seegras oder Sedimentböden und Wiederherstellung der Lebensräume von ikonischen Meeresarten wie Delfinen und Schweinswalen, Haien und Seevögeln.

  • Beseitigung von Flussbarrieren, so dass bis 2030 mindestens 25.000 Kilometer Flüsse in frei fließende Flüsse umgewandelt werden.