Kategorie Innovation & Technologie - 2. März 2016
Österreich will bei Sicherheitstechnologien mitschneiden
Wien – Attacken auf Firmennetze, Datendiebstahl beim Online-Banking, Missachtung des Datenschutzes, Finanzkriminalität: An Bedrohungsszenarien mangelt es in der Informationstechnologie keineswegs. Daher werden entsprechende Abwehrmaßnahmen benötigt und entwickeln sich zum guten Geschäft – wovon auch österreichische Forschungseinrichtungen und Unternehmen profitieren wollen.
Bei einer Ausstellung und einer Podiumsdiskussion in Wien, organisiert vom AIT (Austrian Institute of Technology), vom Kompetenzzentrum VrVis und von der Wirtschaftsagentur Wien, wurden konkrete Projekte vorgestellt und Vorteile sowie Hürden für die Akteure angesprochen. „An interessanten Entwicklungen mangelt es nicht“, meinte Helmut Leopold, Chef des Departments Safety & Security des AIT. Technologie müsse nicht unbedingt aus China oder dem Silicon Valley kommen, auch österreichische Entwicklungen hätten das Zeug dazu, international beachtet zu werden.
Die Voraussetzung dafür sei eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft. „Wenn die passenden Industriepartner da sind, können wir es auch auf den Weltmarkt schaffen“, sagt Leopold. So wurde vom AIT gemeinsam mit dem kanadischen Konzern Bombardier ein Sensorsystem entwickelt, mit dem Schienenfahrzeuge andere Fahrzeuge oder Personen erkennen können, um Kollisionen zu vermeiden. Das Fahrerassistenzsystem wird in Zukunft in Straßenbahnen des Herstellers zum Einsatz kommen.
Auch im Bereich der Netzsicherheit wurden einige Beispiele präsentiert: Unter dem Stichwort „Cyber Situational Awareness“ wurde am AIT etwa ein Lösungsportfolio zum Erkennen verdächtiger Aktivitäten in IT-Netzen entwickelt. Der Hintergrund: Das Erkennen von Anomalien ist schwierig, weil sich Schadprogramme meist nicht ungewöhnlich verhalten, sondern reguläre Aktivitäten setzen, etwa auf ein Mailprogramm oder auf Social-Media-Plattformen wie Facebook zugreifen.
Analysen an der Grenze
Dass sich Österreichs IT-Spezialisten derzeit ausgerechnet in puncto Technologien für Grenzkontrollen hervortun, könnte angesichts der politischen Entwicklung beinahe als Ironie des Forscherschicksals gesehen werden. Am AIT läuft unter dem Oberbegriff „Sicherheit im öffentlichen Raum“ eine Vielzahl von Projekten: So werden Geräte für die Erkennung von Fingerabdrücken und Gesichtern entwickelt, die von Beamten eingesetzt werden können; eine Suchmaschine soll die Analyse großer Datenmengen aus Videoarchiven ermöglichen, IT-Lösungen können auf Kamerabildern Personen und verdächtige Elemente (etwa zurückgelassene Gepäckstücke) identifizieren.
Eine weitere Entwicklung namens „Observ3D“ zählt die Anzahl von Menschen, die einen bestimmten Bereich passieren – damit beispielsweise Grenzkontrollen besser gesteuert werden können. „Es geht immer um das Spannungsfeld Sicherheit und Erleichterung“, sagt Projektkoordinator Andreas Kriechbaum-Zabini. Dazu passt auch ein System zur Erkennung der Länge einer Schlange von Wartenden, um die geschätzte Wartezeit und etwaige Staus prognostizieren zu können.
Sicherheitsthemen gibt es ausreichend, aber eben auch internationale Konkurrenz, war ein Tenor der Veranstaltung. Eine der größten Hürden im eigenen Land sei die Zurückhaltung der Unternehmen, wenn es um den Einsatz von Technologien junger, unbekannter Unternehmen geht: Lieber werde beim Großkonzern eingekauft, als der Innovation eines kleineren Anbieters zu vertrauen. Ulrike Huemer, IT-Leiterin der Stadt Wien, sieht zwar gute Voraussetzungen für den Standort, andererseits würde man sich allzu leicht auf dem Erreichten ausruhen. „Ich leide selbst unter dem starren Vergaberecht.“ AIT-Abteilungschef Helmut Leopold monierte einen Mangel an Selbstbewusstsein, mit neuen IT-Lösungen auf den internationalen Markt zu gehen.
Dabei wären die Chancen gar nicht schlecht, wie Andreas Dangl, Geschäftsführer von Fabasoft Cloud, anmerkte. „Die Ansprüche in der EU an Datensicherheit und Datenschutz sind hoch.“ Hier könnten österreichische Unternehmen mit eigenen Entwicklungen punkten. Als Positivbeispiel dient das Start-up Anyline, das sich auf Texterkennung via Smartphones spezialisiert hat und inzwischen 20 Mitarbeiter zählt. Anyline-Produktchef Matthias Gasser würde sich aber für junge IT-Unternehmen mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Bezahlung wünschen – in dieser Hinsicht sind große und kleine Unternehmen gar nicht so verschieden. (Robert Prazak, 2.3.2016)