8. September 2020
Neues Pfandsystem für Österreich: 3-Punkte-Plan vorgestellt
In Österreich fallen derzeit jährlich 900.000 Tonnen Plastikabfall an. Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes werden es bis 2021 eine Million Tonnen sein. Plastikverpackungen machen davon knapp ein Drittel aus, jährlich werden hierzulande etwa 45.000 Tonnen Einweg-Plastikflaschen verkauft. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat im Rahmen einer Pressekonferenz nun einen 3-Punkte-Plan vorgestellt, um gegen die Einweg-Plastikflut in Österreich anzugehen.
Ab 2021 wird die EU von ihren Mitgliedstaaten eine Abgabe auf nicht recycelte Kunststoffverpackungen einheben. Diese Plastiksteuer wird Österreich 160 bis 180 Millionen Euro pro Jahr kosten. Diese Summe wird aus dem laufenden Buget bezahlt, sprich mit den Geldern der Steurzahlerinnen und Steuerzahler. Aus diesem Grund fehlt ein Lenkungseffekt, denn wenn ohnehin Steuergelder für die Abgabe aufkommen, fehlt der Anreiz für Unternehmeinnen und Unternehmer Kunststoffverpackungen zu reduzieren oder die Recyclingquote zu erhöhen. Darüber hinaus macht es dann auch für Konsumentinnen und Konsumenten keinen Unterschied, ob sie beim Einkauf versuchen, Plastik zu vermeiden.
Heute habe ich den 3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut präsentiert. 💪🏻 Denn eines muss klar sein: Wir haben in 🇦🇹 ein Problem mit Plastikmüll. Weniger Plastikabfälle in der Natur und weniger Steuergeld für die Plastiksteuer nach Brüssel – genau dort müssen wir hin. (1/4) pic.twitter.com/SFAzJPOGkl
— Leonore Gewessler (@lgewessler) September 7, 2020
Der 3-Punkte-Plan
Vor dem Hintergrund der steigenden Menge an Plastikmüll und dem durch die Corona-Pandemie ohnehin massiv belasteten Staatshaushalt hat Bundesministerin Gewessler einen Gegenvorschlag entwickelt. Das Ziel: Deutlich weniger Plastikmüll in Österreich und deutlich weniger Steuergeld für die Plastiksteuer an die EU. Die drei Punkte schlüsseln sich wie folgt auf:
1. Mehrwegquote
Derzeit werden nur etwa 19 Prozent (Handel und Gastronomie) aller Getränke in Pfandflaschen abgefüllt. 1995 waren es – auch aufgrund einer gesetzlich verbindlichen Mehrwegquote – noch 80 Prozent. Der Anteil an Mehrweggetränkeverpackungen (typischerweise Mehrweg-Glasflaschen) im österreichischen Einzelhandel soll spürbar gesteigert werden. Dazu werden verbindliche Quoten für den Anteil an verkauften Mehrwegverpackungen im Einzelhandel festgelegt:
- ab 2023 mindestens 25 Prozent Mehrweganteil
- ab 2025 mindestens 40 Prozent Mehrweganteil
- ab 2030 mindestens 55 Prozent Mehrweganteil
In jedem Geschäft in Österreich werden in Zukunft Mehrwegprodukte erhältlich sein.
Konsumentinnen und Konsumenten bekommen so echte Wahlfreiheit. Wer Mehrweg will, kann Mehrweg kaufen. Werden Plastikflaschen durch Glasflaschen ersetzt, sinkt die Menge an Plastikmüll automatisch. Mehrwegflaschen werden bis zu 50 Mal wiederbefüllt, das spart Energie und Ressourcen. Ein solches System hat sich in Österreich bereits in den 1990er Jahren bewährt.
2. Einwegpfand
Künftig soll beim Kauf von Einweggetränkeverpackungen (Plastikflaschen und Dosen) ein Pfand eingehoben werden.
Ein entsprechendes Pfandmodell wird gerade gemeinsam mit Stakeholdern (Getränkehersteller, Sammel- und Verwertungssysteme, Handel, Entsorger und Zivilgesellschaft) im Klimaschutzministerium erarbeitet.
Werden Plastikflaschen zurück ins Geschäft gebracht, können sie danach einfacher recycelt werden. Die Recyclingquote steigt dadurch und die Abgabenlast durch die EU-Plastiksteuer sinkt. Darüber hinaus verhindert ein Pfand, dass Flaschen und Dosen achtlos weggeworfen werden und in der Natur landen.
3. Herstellerabgabe für Plastikverpackungen
Dem Verursacherprinzip folgend wird von Produzenten und Importeuren künftig eine Abgabe in Höhe von durchschnittlich 80 Cent pro Kilogramm in Verkehr gebrachter Plastikverpackungen eingehoben. Die Herstellerabgabe soll ökologisch gestaffelt werden, sprich, eignen sich Verpackungen besonders gut für Recycling oder enthalten Anteile an recyceltem Material, sinkt die Abgabe. Darüber hinaus ist sie an die Höhe der zu entrichtenden EU-Plastiksteuer gekoppelt: Steigt Österreichs Recyclingquote, sinkt auch die Abgabenlast durch die Plastiksteuer. Die Einsparung wird durch eine gesenkte Herstellerabgabe an Produzenten und Importeure weitergegeben.
Die Abgabe bringt einen dreifachen Lenkungseffekt. Sie belohnt den Einsatz von alternativen Verpackungsstoffen sowie von Plastik mit Recycling-Anteil und führt zu einer höheren Recyclingquote.
Plastik-Pfand als europaweites Erfolgsmodell
Der 3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut, bei dem das Pfandsystem eine zentrale Rolle spielt wird auch von wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationale Erfahrungswerten gestützt. Auch die Ergebnisse der Studie „Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkegebinde, Pfandsysteme und Mehrweg“ untermauern diesen Weg des BMK. Zudem würde einer Mehrbelastung heimischer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit der von der EU geplante Plastiksteuer vorgebeugt. Diese würde laut aktuellen Berechnungen rund 180 Millionen Euro pro Jahr für Österreich ausmachen.
Dies zu vermeiden und Plastikmüll aus der Natur zu holen, würden Pfandsysteme und verpflichtende Mehrwegquoten maßgeblich Vorschub leisten. Viele europäische Staaten setzen solche Modelle bereits erfolgreich um – wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass ein Pfandsystem in Österreich die beste Alternative zur Erreichung einer Sammelquote von 90 Prozent und mehr wäre.
„Ein Pfandsystem ist insgesamt die effizienteste Lösung, EU-Sammelquoten zu erfüllen. In vielen Ländern Europas funktioniert Pfand schon jetzt: Deutschland hat eine Sammelquote von 98 Prozent, Kroatien 96, die Niederlande 95 Prozent. Das heißt: Mit Pfand als einer von drei nötigen Maßnahmen – neben Mehrweg und der Herstellerabgabe – schaffen wir in Österreich einen großen Schritt zu weniger Plastikmüll in der Natur und für eine geringere Steuerlast“, erklärte Gewessler bei einer Präsentation von Studien zu europäischen Pfandsystemen.
Expertinnen und Experten des Technischen Büros Hauer, der Universität für Bodenkultur und der Montanuniversität Leoben haben Maßnahmen zur Erreichung der in der EU Single-Use-Plastics-Richtlinie vorgegebenen Sammelquoten untersucht, Lösungsansätze erhoben, die dafür erforderlichen Aufwendungen berechnet und bestehende Pfandsysteme in Europa analysiert.
Über 90 Prozent Sammelquote
Laut Studie ist das Erreichen von Getrenntsammelquoten über 75 Prozent unrealistisch. Hingegen bestätigt die Studie, dass ein Pfandsystem die effizienteste und kostengünstigste Variante ist, um die von der EU bis 2029 vorgeschriebene Getrenntsammelquote von 90 Prozent zu erreichen. In anderen Varianten müssten bis zu 1,1 Millionen Tonnen Restmüll mit hohem Kostenaufwand nachsortiert werden. Die Studie ergab des Weiteren, dass in europäischen Ländern mit Pfandsystem die Sammelquoten von Plastikflaschen und Dosen auf weit über 90 Prozent ansteigen (Deutschland erfasst 98 Prozent der PET-Flaschen über das Pfandsystem).
Auch die Recyclingrate bzw. die Kreislaufwirtschaft wird dadurch begünstigt und die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll verringert. Schon zehn Staaten – Deutschland, Schweden, Island, Niederlande, Kroatien, Litauen, Finnland, Norwegen, Dänemark und Estland – haben ein solches Pfandsystem erfolgreich eingeführt. Weitere acht Staaten haben bereits beschlossen, ebenfalls ein solches System einzuführen.
Auch aktuelle Umfragen sehen hohe Zustimmungswerte für Pläne zur Einführung eines erweiterten Pfandsystems: Bereits 83 Prozent der Bevölkerung befürworteten demnach ein solches.
Die Studie und weiterführende Infos: https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/abfall/publikationen/kgv.html
Europäischer Plastikpakt
Zudem rückt ein Beitritt Österreichs zum Europäischen Plastikpakt verschiedener EU-Mitgliedstaaten rückt ebenfalls immer näher. In einem Vortrag zum Ministerrat bekräftigten Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Staatssekretär Magnus Brunner ihr Vorhaben, den Europäischen Plastikpakt, der eine rechtlich unverbindliche gemeinsame Absichtserklärung darstellt, für Österreich zu unterzeichnen.
„Der Kampf gegen die Plastikflut und gegen Plastikmüll in der Natur ist uns allen ein großes Anliegen. Die Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich hier wirksame Maßnahmen – und uns geht es genauso. Aus diesem Grund freut es mich besonders, dass Österreich dem EU-Plastikpakt beitreten wird. Denn der EU-Plastikpakt ist eine Vereinbarung von europäischen Vorreiterinnen und Vorreitern, von Staaten, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, die sich gemeinsam zur Reduktion von Plastikmüll bekennen.“
Beide wiesen auch darauf hin, dass bei der Implementierung einzelner Maßnahmen auf die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze in Österreich besonders Bedacht zu nehmen ist. Ziel sei es, gemeinsam mit den europäischen Partnern gegen die Entstehung und Zunahme von Plastikabfällen weitere, ambitionierte Maßnahmen zu setzen, um Mensch und Umwelt vor negativen Auswirkungen der Plastikabfälle zu schützen und Österreich hin zu einer modernen Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. „Unser Ziel ist es, auch einen gemeinsamen Weg mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu gehen.“ Alle seien eingeladen, dem Pakt beizutreten, betonten Gewessler und Brunner.