Kategorie Innovation & Technologie - 20. Oktober 2017

Produktionsstart in der Pilotfabrik Seestadt

Werft die Maschinen an: Die „Pilotfabrik Industrie 4.0“ der TU Wien geht nach der Aufbauphase in den Vollbetrieb. Anlässlich des Starts der regulären und vollvernetzten Demo-Produktion veranstaltete die TU Wien am 19. Oktober ihren ersten „Open Lab Day“, um die Produktionsabläufe vorzustellen.

Wie kann moderne Produktion funktionieren, wenn man Produkte in kleiner Stückzahl fertigen will? Was ist, wenn sehr spezifische Kundenwünsche zu berücksichtigen sind und im Extremfall jedes fertige Produkt ein maßgeschneidertes Einzelstück sein soll? Für diese Fragestellungen werden in der Pilotfabrik Lösungen entwickelt. Das Infrastrukturministerium (bmvit) fördert die Pilotfabrik in der Seestadt Aspern mit zwei Millionen Euro. Die gleiche Summe investiert die TU Wien gemeinsam mit Industriepartnern. Das Gebäude in der Seestadt Aspern stellt die Stadt Wien zur Verfügung.

Moderne Produktion am Forschungsstandort Wien

„In der digitalisierten Fabrik gilt der alte Gegensatz zwischen günstiger Fließbandproduktion und teuren Einzelstücken nicht mehr. Wir werden dann etwa unser Auto ganz nach unseren Wünschen zusammenstellen können, statt zwischen vorgefertigten Modellen zu wählen – vom Design über den Motor bis zur Innenausstattung. Heimische Unternehmen erproben die digitale Produktion von morgen bereits heute in unseren Pilotfabriken, ohne ihren eigenen Betrieb zu stören. So können wir neue Produktionsmethoden entwickeln und Arbeitsplätze in Österreich schaffen“, sagte Infrastrukturminister Jörg Leichtfried.

Die Produktion industrieller Güter wird in Zukunft ganz anders ablaufen als bisher. „Verschiedene Arbeitsschritte werden vernetzt, eine intelligente und durchgängige IT sorgt für mehr Effizienz, auch bei kundenindividuellen Wünschen und daher kleinen Stückzahlen“, erklärte Prof. Detlef Gerhard, Dekan an der TU Wien und Mitinitiator der Pilotfabrik. „Eine durchgängige Datenverarbeitung kann alle Schritte von der individuellen Konfiguration und Bestellung eines Produkts über notwendige konstruktive Anpassungen bis hin zur Teilefertigung und Montage automatisch miteinander verbinden“, so Gerhard weiter.

 

Industrie 4.0-Strategien anhand von 3D-Druckern

Welche Arbeitsschritte müssen demnächst erledigt werden? Wie kann man sie möglichst effizient zusammenfassen? Kann man die Reihenfolge der Schritte so wählen, dass Zeit und Energie gespart werden und die Maschinen optimal ausgelastet sind? Solche Entscheidungen lassen sich in einer modernen Fabrik nicht von Menschen treffen, dafür ist das Gesamtsystem zu komplex. Aber mit moderner Datenverarbeitung eröffnen sich dafür neue Möglichkeiten. Das Ziel ist es, die „Losgröße 1“ zu den gleichen Kosten wie eine großvolumige Produktion zu realisieren.

Moderne Produktionsplanung und Industrie 4.0-Strategien werden nun an der TU Wien anhand der Produktion von 3D-Druckern untersucht. „Das ist ein Produkt, das sich für unsere Zwecke sehr gut eignet“, meint Detlef Gerhard. „Es ist komplex genug, um als Beispiel für die erwähnten Fragestellungen zu dienen, vereint mechanische Komponenten mit elektrischen Antrieben, Elektronik und Software zur Steuerung und kann in vielen unterschiedlichen Varianten produziert werden, z.B. in verschiedenen Größen oder mit unterschiedlichen Druckköpfen. Das bringt entsprechende Herausforderungen für die Planung des Produktionsprozesses mit sich.“

Förderschwerpunkt des bmvit

„Seit mehr als sieben Jahren sind innovative Fertigungstechnologien ein zentraler Förderschwerpunkt, den die FFG für das bmvit abwickelt. Herzstücke dieser Bemühungen sind Pilotfabriken, wie sie gerade an der TU Wien, an der TU Graz und an der Johannes-Kepler-Universität Linz eingerichtet werden. Wir erwarten, dass Pilotfabriken eine aktive Rolle in den ganz zentralen Innovations-, Technologie- und Forschungsbereichen der Zukunft, nämlich Digitalisierung, Robotik und Automatisierung einnehmen werden, und wünschen der Pilotfabrik der TU Wien viel Erfolg!“, erklärte Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Neben der durchgängigen Datenverarbeitung, die alle Prozessschritte miteinander verbindet, gibt es noch einen weiteren Kernpunkt, der für das Umsetzen einer effizienten Produktion entscheidend ist und in der Pilotfabrik erforscht wird: Die Fabrik hat einen „digitalen Zwilling“, das heißt am Computer können alle Abläufe in der Fabrik virtuell simuliert werden. „Nur, wenn man schon im Voraus Änderungen an Produktprozessen simulieren und Alternativen durchspielen kann, lassen sich die Prozesse optimal gestalten,“ erklärt Gerhard. Darüber hinaus gibt es viele weitere Forschungsthemen, die in der Pilotfabrik untersucht werden – es geht dabei um die Kommunikation zwischen Maschinen, um kollaborative Robotik, aber auch um Sicherheitsaspekte und die Frage, wie man das umfangreiche Datenmaterial, das in einer automatisierten Fabrik anfällt, optimal auswertet und möglichst großen Nutzen daraus zieht.

INFObox: Was ist „Industrie 4.0“? Unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ werden verschiedene Veränderungen in der Produktion zusammengefasst, die zusammengenommen die Art, wie wir produzieren und arbeiten, völlig verändern. Die Digitalisierung und Vernetzung unseres Lebens, die wir beispielsweise mit Smartphone, Internetfernsehen und Navigationsgerät täglich erleben, macht auch vor den Fabriken nicht halt. Klassische Produktion verschmilzt mit digitalen Technologien. Menschen, Werkstoffe, Produkte und Maschinen kommunizieren in komplexen Systemen miteinander: von einer weiteren industriellen Revolution ist die Rede. Das bmvit fördert die industrielle Wende jährlich mit 185 Millionen Euro.