Kategorie Energie - 30. März 2023

REN21-Bericht: Erneuerbare gewinnen angesichts multipler Krisen weltweit an Bedeutung

Das globale Netzwerk für erneuerbare Energien REN21 hat seinen jährlichen Renewables Global Status Report (GSR) veröffentlicht, worin Trends und Chancen für den Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft weltweit untersucht werden. Österreich ist 2021 dem REN21-Netzwerk beigetreten, um damit den anhaltenden und ambitionierten Einsatz für die Energiewende auf nationaler und internationaler Ebene zu stärken.

Der jüngste Bericht des Netzwerks zeigt, dass die Nutzung erneuerbarer Energien in diesen vier Endverbrauchssektoren als Reaktion auf die weltweite Energiekrise zunimmt. Steigende Preise für fossile Brennstoffe und die Gefahr einer Energieknappheit – in Verbindung mit strengeren Klimaverpflichtungen, zielgerichteten politischen Rahmenbedingungen und jüngsten technologischen Entwicklungen – sehen die Analyst:innen als Hauptantriebskräfte für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien in diesen Sektoren, insbesondere von Wind- und Solarenergie.

Sie verweisen jedoch auch darauf, dass Erneuerbare Energien nach wie vor auf Hindernisse stoßen, da sie im Wettbewerb mit stark subventionierten fossilen Brennstoffen nicht mithalten können.

Erneuerbare Energien haben ihren Wert in allen Nachfragesektoren als widerstandsfähige, zuverlässige, stabile und erschwingliche Energiequellen unter Beweis gestellt, und sie haben erfolgreich auf die sich verschärfenden Krisen reagiert, die unsere Welt derzeit im Griff haben, so der heute veröffentlichte Bericht der REN21-Initiative.

Der Bericht besteht aus vier Modulen, die das Wachstum der Nachfrage nach erneuerbaren Energien in allen vier führenden energieverbrauchenden Sektoren – Gebäude, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft – untersuchen. Vier weitere werden bis zur Jaresmitte folgen um den Bericht zu vervollständigen. Die nächsten Module werden sich auf erneuerbare Energien in der Energieversorgung, erneuerbare Energiesysteme und -infrastruktur und erneuerbare Energien für die wirtschaftliche und soziale Wertschöpfung sowie den globalen Überblick konzentrieren.

„Es handelt sich um ein typisches Beispiel, wie Herausforderungen sich in Chancen verwandeln“, so Rana Adib, Executive Director von REN21. „Die multiplen Krisen haben den politischen Entscheidungsträgern und den führenden Vertretern der wichtigsten energieverbrauchenden Sektoren die Vorteile der erneuerbaren Energien als lokale Energiequelle vor Augen geführt, welche die Versorgungssicherheit und die Kostenstabilität gewährleistet.“

Österreich beim Erneuerbaren-Ausbau in Vorreiterrolle

Auch in Österreich haben hohe Inflationsraten und drastisch gestiegene Energiepreise die Bundesregierung veranlasst, diese Krisen mit mehreren Hilfspaketen abzufedern. Entlastungspakete, vom Energiekostenzuschuss für Unternehmen über Direktzahlungen wie Klima- und Antiteuerungsbonus bis hin zur Stromkostenbremse für Haushalte oder Zahlungen für Familien und vulnerable Gruppen sowie preisdämpfende Maßnahmen wie etwa die deutliche Senkung der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe waren die wirksamen Antworten auf die multiplen Krisen.

Auch zur Beschleunigung der Energiewende in Österreich wurden zuletzt konkrete Maßnahmen beschlossen. Damit das gelingt, sollen die Verfahren für große erneuerbare Kraftwerke schneller werden. Kleine Photovoltaik-(PV)-Anlagen können einfacher errichtet und gefördert werden. Zudem soll es dank der Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) quasi eine Überholspur für Energiewendeprojekte geben.

„Unzählige Menschen in unserem Land wollen Teil der Energiewende sein. Sie wollen das Klima schützen und die Unabhängigkeit unseres Landes stärken“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. „Mit den Investitionen zur Abfederung von Pandemie und Teuerung gehen wir direkt in den Klimaschutz und führen unser Energiesystem in Österreich in eine klimafreundliche Zukunft. Jedes Land muss seine geeignetsten Maßnahmenbündel, Instrumente und technologischen Möglichkeiten nutzen und einsetzen. Das gemeinsame Ziel bleibt dasselbe: eine bessere und klimafreundliche Zukunft für uns alle.“

Vor allem der Bereich Photovoltaik hat in Österreich deutlich an Fahrt aufgenommen. Allein im vergangenen Jahr wurden hierzulande rund 1.300 GW an Photovoltaikanlagen installiert – deutlich mehr als jemals zuvor. Aufgrund des großen Interesses hat das Klimaschutzministerium (BMK) das Budget für die Photovoltaikförderung im heurigen Jahr nochmals massiv aufgestockt. Insgesamt werden 2023 rund 600 Millionen Euro an Förderungen ausgeschüttet, womit der Ausbaurekord im Gigawattbereich 2023 nochmals übertroffen werden soll.

Mit dem Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) hat in Österreich der Ausbau der Ökostromkraftwerke nun einen festen gesetzlichen Rahmen. Es legt fest, dass der österreichische Stromverbrauch im Jahr 2030 vollständig aus erneuerbarer Energie gedeckt werden soll. Das stärkt die Unabhängigkeit der Energieversorgung, schützt das Klima und führt zu günstigen Strompreisen, weil grüner Strom geringere Produktionskosten hat. Österreich ist dabei auch EU-weit absoluter Vorreiter. 

Auch in anderen Staaten haben wichtige politische Maßnahmenpakete die Nachfrage nach erneuerbaren Energien in den Endverbrauchssektoren im Jahr 2022 kräftig angekurbelt: die Ankündigung des Inflation Reduction Act in Höhe von 500 Mrd. USD in den USA, der neue Ausgaben, Steuervergünstigungen und Anreize für die energieverbrauchenden Sektoren vorsieht, der REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission und Indiens umfassende Pläne für erneuerbaren Wasserstoff, die direkt auf die Industrie und den Verkehr ausgerichtet sind.

Wie reagierten die unterschiedlichen Wirtschaftszweige auf solche Maßnahmen?

Im Gebäudesektor veranlassten die hohen Energiepreise und die Suche nach einer zuverlässigen Energieversorgung ohne fossile Energieträger die Menschen dazu, von Erdgas-Heizkesseln auf elektrische Wärmepumpen umzusteigen, so dass 2022 mit einem Wachstum von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein Rekordjahr für Wärmepumpeninstallationen wurde.

Angesichts der steigenden Preise für fossile Brennstoffe werden auch die wirtschaftlichen Vorteile von Solaranlagen auf Dächern für die Endverbraucher immer deutlicher. Darüber hinaus haben die häufigeren Hitzewellen, die Europa, Indien und China im Jahr 2022 heimsuchten, die Aufmerksamkeit auf die wachsende Bedeutung der Kühlung für die Stromnachfrage gelenkt.

Die energieintensiven Industrien waren von der Mehrfachkrise am stärksten betroffen, da die steigenden Kosten einige Hersteller dazu zwangen, ihre Produktion zu drosseln oder ihren Standort zu verlagern, um die Energieversorgung erschwinglicher und sicherer zu machen. Die Industrie reagierte auch direkt, indem sie Strom von Anbietern erneuerbarer Energien im Rahmen von Stromabnahmeverträgen (Power Purchase Agreements, PPA) kaufte, die es den Nutzern ermöglichen, feste, langfristige Stromtarife festzulegen und sich vor hohen Kosten zu schützen. Im Jahr 2022 stiegen die PPA in Europa um 21 Porzent und übertrafen damit das Wachstum der installierten Kapazität an erneuerbaren Energien für Strom in diesem Jahr um mehr als das Sechsfache. Auch die Attraktivität von Industrieparks, die auf erneuerbaren Energien basieren, hat angesichts der Energiekrise zugenommen.

„Wenn es ein positives Ergebnis der Energiekrise für den Industriesektor gibt, dann ist es die Tatsache, dass die Verantwortlichen des Sektors in der Lage waren, die Vorteile der erneuerbaren Energien für die Senkung der Produktionskosten, die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und für die Gewinnmaximierung konkret zu erkennen“, sagte Tareq Emtairah, Director of Energy United Nations Industrial Development Organisation.

Im Verkehrssektor waren die PPA eine wichtige Maßnahme zur Kostenstabilisierung und zur Abschirmung der Verbraucher vor äußeren Kostentreibern und zunehmenden Krisensituationen. Im Straßen- und Schienenverkehr erwies sich die Elektrifizierung als ein wachsender Trend und als Chance, die Akzeptanz erneuerbarer Energien bei den Endverbrauchern zu beschleunigen. Elektrofahrzeuge – einschließlich elektrischer zwei- und dreirädriger Fahrzeuge und Busse – und die dazugehörige Ladeinfrastruktur verzeichneten ein weiteres Rekordjahr mit einem jährlichen Investitionswachstum von 54 Prozent, insbesondere in Asien.

In Österreich ist der Anteil von Elektroautos an allen Pkw-Neuzulassungen 2022 auf knapp 16 Prozent angestiegen. Mit Ende Dezember gab es auf Österreichs Straßen 110.225 rein elektrisch betriebene Pkw. Das sind 2,1 Prozent des gesamten Pkw-Bestands im Land. Im Rekordmonat September machten E-Autos 22 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen aus.

Das BMK setzt auch 2023 die E-Mobilitätsförderung fort. Gefördert wird der Kauf von E-Autos für Privatpersonen mit 5.000 Euro. Private Ladeinfrastruktur wird mit 600 Euro für Wallboxen und mit 1.800 Euro für Gemeinschaftsanlagen in Mehrparteienhäusern gefördert. Betriebliche Ladeinfrastruktur wird mit bis zu 30.000 Euro gefördert. Der Kauf eines E-Motorrads wird mit bis zu 1.900 Euro gefördert.

Obwohl der Verkehrssektor global gesehen den am schnellsten wachsende Energieverbrauch aufweist, hatte er mit einem bescheidenen Anteil von vier Prozent den geringsten Gesamtverbrauch an erneuerbaren Energien. Dies zeigt, dass der Sektor mehr als nur eine fortlaufende Elektrifizierung benötigt, um nachhaltiger und effizienter zu werden und zu einem auf erneuerbaren Energien basierenden Sektor überzugehen.

Zudem brauche es mehr emissionsfreie öffentliche Verkehrsmittel und eine entsprechende Infrastruktur, einschließlich des Schienenverkehrs, zusätzlich zu weniger Autos und mehr Fuß- und Radverkehr, wie im REN21-Bericht zu lesen ist.

In der Landwirtschaft böten Erneuerbare Energien die kostengünstigste Option für Landwirte, vor allem in ländlichen Gebieten, wo die produktive Nutzung von Energie in der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette einen Entwicklungskreislauf in Gang setzt, indem sie das Einkommen der Landwirte erhöht, die finanzielle Stabilität des Stromversorgers verbessert und die Ernährungssicherheit des Landes erhöht.

Zusammenfassend sieht der Bericht die Politik „als wichtige Triebkraft für die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien in den Nachfragesektoren“. Er weist gleichzeitig allerdings darauf hin, dass politische Entscheidungsträger weiterhin fossile Brennstoffe subventionieren und neue Investitionen in Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe anstreben, was den Ausbau erneuerbarer Energien behindere.

Arthouros Zervos, Präsident von REN21, sieht diesen Bericht deshalb auch als „Warnruf an alle politischen Entscheidungsträger“, um sofortige Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Diese sollten allen Nutzenden helfen, die gegenwärtigen vielfältigen Krisen zu bewältigen, unter anderem durch die Verringerung der Kostenbelastung und der massiven Inflation. „Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien werden den Gemeinden helfen, eine zuverlässige und widerstandsfähige Infrastruktur aufzubauen, anstatt sich weiterhin auf schädliche und veraltete Energiesysteme zu verlassen“, so Zervos, der weiterhin anmahnte, die vielfältigen Krisen endlich ernst zu nehmen. „Subventionen für fossile Brennstoffe schaffen keine fairen Wettbewerbsbedingungen für erneuerbare Energien und führen leider dazu, dass die Gewinne und Vorteile in den Händen einiger weniger liegen, anstatt mehr Gerechtigkeit für alle zu schaffen“, so Zervos.

REN21 ist das einzige globale Netzwewrk von Akteuren der erneuerbaren Energien aus den Bereichen Forschung, Bildung, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und der Industrie in allen Bereichen der erneuerbaren Energien. Alle Wissensaktivitäten dieses Netzwerkes, einschließlich der GSR 2023-Nachfragemodule, folgen einem einzigartigen Berichtsprozess, der es REN21 ermöglicht hat, weltweit als neutraler Daten- und Wissensvermittler anerkannt zu werden. Seit seiner ersten Veröffentlichung im Jahr 2005 hat REN21 mit Tausenden von Mitwirkenden zusammengearbeitet, um laufende Entwicklungen und aufkommende Trends, die die Zukunft der erneuerbaren Energien prägen, in den Mittelpunkt zu stellen. Der Bericht wird jedes Jahr in Zusammenarbeit mit Hunderten von Experten und Freiwilligen erstellt, die Daten beisteuern, Kapitel überprüfen und den Bericht mitverfassen.

 

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