Kategorie Innovation & Technologie - 24. Oktober 2018

Roboterpsychologin Mara: Wir brauchen neue Bilder von Robotern

Martina Mara baut seit April ihr Institut für Roboterpsychologie an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) auf und sprach am 18. Oktober beim EFQM-Forum 2018 in der Hofburg über das Zeitalter der Roboter und Algorithmen. Sie wünsche sich neue Bilder von Robotern, weg vom Terminator hin zu einem sympathischen Werkzeug, das mit Menschen zusammenarbeitet, verriet sie im APA-Gespräch.

Nur einen Tag später, am 19. Oktober, erhielt Mara den BAWAG P.S.K. Frauenpreis verliehen, der herausragende Leistungen von Frauen oder besonderes Engagement zur Positionierung von Frauen in der Gesellschaft würdigt. Mit ihrer richtungsweisenden Forschung im Bereich Robotik ist Martina Mara Vorbild und Pionierin zugleich, so die Begründung ihrer Wahl.

Martina Mara, © Kurt Hoerbst

Die 37-Jährige promovierte 2014 in Psychologie über die Nutzerwahrnehmung menschenähnlicher Maschinen und arbeitete in den vergangenen zehn Jahren im Futurelab, der Forschungseinrichtung des Ars Electronica Centers in Linz, das sich intensiv mit Zukunftsfragen beschäftigt.

Ein Zusammentreffen mit Robotik-Professor Hiroshi Ishiguro aus Osaka, der mit seinen Geminoids Roboter so menschenähnlich wie möglich bauen will, weckte das Interesse an der Reaktion der Menschen auf die ihnen ähnlichsehenden Maschinen. Den Ansatz den Menschen nachzubauen findet Mara aber absurd. „Die Forschung zeigt, dass sich viele Menschen schwer damit tun, wenn man Mensch und Maschine kaum mehr unterscheiden kann. Dann machen wir es uns doch leichter und gestalten Roboter so, dass sie klar als Maschine erkennbar bleiben.“

Vom Ersetzen zum Ergänzen

Generell sieht sie die Repräsentation von künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik im öffentlichen Raum fast ausschließlich als Humanoiden und Androiden kritisch. „Das befeuert Ängste, den Menschen als Gesamtes, also in kognitiven, sozialen wie emotionalen Aspekten, zu ersetzen.“ Diese sind für Mara unbegründet, da müsse man weg vom Ersetzen hin zum Ergänzen.

Natürlich haben Roboter und KI den Menschen in bestimmten Domänen etwas voraus, „gleichzeitig gibt es sehr viele Bereiche, in denen ein Roboter dem Menschen niemals das Wasser reichen können wird“. Ihrer Ansicht nach solle man eher die Synergien nutzen und mit Unterstützung der Maschinen wichtige Zukunftsfragen angehen, etwa in der medizinischen Diagnostik oder in Fragen des Klimawandels.

Nicht der Terminator, wie sich viele Menschen die künstliche Intelligenz vor Augen führen, sondern das sympathische Werkzeug ist für Mara ein wünschenswertes Bild. Etwa in der Pflege, wo es nicht um „scheinempathische Humanoiden am Bett von der Oma“ gehe sondern um echte Unterstützung des Pflegepersonals mit Transportrobotern, die im Hintergrund schon Bettwäsche und Medikamente bringen. „Mein Ansatz ist auch, dass Roboter so intuitiv werden, dass selbst wenig geschulte Menschen mit ihnen zusammenarbeiten können“, denkt Mara an ältere oder wenig technikaffine Leute.

Wie sich „Cobots“ verhalten sollen

In der Industrie sind Roboter bereits gang und gäbe – allerdings als teilweise riesige Maschinen und aus Sicherheitsgründen streng getrennt von Menschen. Mit der kollaborativen Robotik solle sich das ändern. Diese sogenannten Cobots sollen so sicher gestaltet sein, dass sie physisch nahe mit Menschen arbeiten, gemeinsam Teile bauen können.

Mara will wissen, wie die Cobots sich verhalten sollen, damit Menschen sich bei der Zusammenarbeit wohlfühlen. „Wichtig ist, dass man den Menschen ermöglicht, die Maschine zu verstehen, sie kommunizieren kann, was ihre nächsten Schritte sind.“ Lichtsignale sind ein Ansatz, ein anderer ist das Bewegungsdesign.

Wenn der Roboter in einer kurvigen statt linearen Bewegung nach etwas greift, wird er zwar ineffizienter, aber der Mensch versteht schneller, was der Roboter vorhat und kann mit seinem Arbeitsschritt früher beginnen, wodurch das Team insgesamt schneller wird. „Das finde ich total spannend, da sehe ich noch großes Forschungspotenzial.“

Die Chancen aber auch Risiken der Robotik und KI sowie mögliche Handlungsfelder zeigt Mara als Mitglied des österreichischen Rats für Robotik der Politik auf. Dabei geht es darum, soziale Aspekte, ethische Richtlinien und Werte zu beachten.

Martina Mara, © Kurt Hoerbst

Im Herbst wird ein erstes White Paper veröffentlicht. Wichtig ist es der Technikpsychologin auch auf Stereotypen hinzuweisen, etwa im Bereich des Machine Learning, wobei KI-Systeme aus einem großen Pool an Trainingsdaten lernen und die Erkenntnisse auf neue Daten anwenden. Dass diese Daten von Menschen gemacht und dabei auch Fehler und Klischees mitübertragen werden, sei vielen nicht bewusst.

So verwende ein Programm für das türkische Personalpronomen „o“, das „er“, „sie“ oder „es“ heißen kann, aufgrund seiner Erfahrungen mit den Lerndaten die männliche Übersetzung in „er ist fleißig, er ist Arzt“, aber die weibliche in „sie ist faul, sie ist Krankenschwester“, obwohl es nicht wissen konnte, was gemeint war. „Das sind ganz aktuelle Probleme, um die man sich kümmern müsste“, betont die Professorin.

Denn auch Personalabteilungen in Firmen würden KI-unterstützte Entscheidungshilfen zur Vorselektierung von Job-Bewerbern anwenden. „Wenn zum Beispiel ein Stationsarzt gesucht wird und das System sortiert überproportional weibliche Kandidaten aus, weil es gelernt hat, dass so einen Job eher Männer machen, ist das schon ein Problem“, so Mara.

Antrittsvorlesung am 5. November

An der Uni möchte die Wissenschaftlerin, die am 5. November ihre Antrittsvorlesung hält, den interdisziplinären „Spirit“ aus dem Ars Electronica Futurelab mitnehmen. Die JKU sei ohnehin offen für interdisziplinäre Kooperationen, „es ist ein Nexus der künstlichen Intelligenz rund um mich mit den Instituten von Sepp Hochreiter, Gerhard Widmer und Armin Biere“, am Linz Institute of Technology sollen verschiedene Perspektiven auf digitale Transformation zusammenkommen.

„Mein großes Ziel ist es, dass Sozialwissenschaften und Psychologie schon früh in der Entwicklung von neuen Technologien, die in unsere Gesellschaft kommen, mitwirken, dass der ganze Prozess interdisziplinär vonstattengeht und natürlich, dass die Roboter- und KI-Systeme menschengerecht gestaltet werden.“

Außerdem hofft Mara, dass sie mehr Studentinnen für technische Fächer an der JKU motivieren kann.

Sie persönlich würde ungern im Medizinbereich auf KI verzichten, wenn es darum geht, „dass eine KI Millionen von Daten und Bildern mit meinen vergleichen kann und gemeinsam mit Ärzten zu viel akkurateren Diagnosen kommt“. Auch die autonome Mobilität hat für die Oberösterreicherin in vielen Fragen Sinn.

„Richtig gern hätte ich einen Bot, der meine Termine gut organisiert und der diese ganzen ‚Privacy Policies‘ für mich übersetzt, der mir beim Management meiner Privatsphäre-Einstellungen im Internet und bei Apps hilft“, wüsste die Mara noch eine gute Verwendung für künstliche Intelligenz.

apa/red

Service: Mehr Informationen zum Institut für Roboterpsychologie unter http://www.jku.at/lit

INFObox: Das Infrastrukturministerium (BMVIT) veranlasste 2017 die Gründung des Robotik-Rates, der Strategien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz und Robotik erarbeiten soll. Vorsitzende des Rats für Robotik ist Sabine Köszegi, Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation an der TU Wien. Neben Köszegi gehören dem Gremium Andreas Kugi (TU Wien/AIT Austrian Institute of Technology), Corinna Engelhardt-Nowitzki (Fachhochschule Technikum Wien), Mark Coeckelberg, (Uni Wien), Sylvia Kuba (Arbeiterkammer), Martina Mara (JKU Linz, Ars Electronica Futurelab), Matthias Scheutz (Tufts School of Engineering, USA) und Erich Schweighofer (Uni Wien) an. Zudem ist die Industriellenvereinigung durch einen Experten im Rat vertreten.