Kategorie Innovation & Technologie - 24. April 2019

Europas Plan für mehr Ethik in Künstlicher Intelligenz

Geht es nach der EU-Kommission, dann muss Europa im Hype rund um die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz mit vertrauenswürdiger KI punkten. Die Präsentation von ethischen Leitlinien in Brüssel durch eine Expertengruppe hat nun die Weichen in diese Richtung gestellt. Für den Technikphilosophen des österreichischen Robotikrates von der Universität Wien Mark Coeckelbergh braucht es rasch Regeln, sonst drohe der „Wilde Westen“.

KI, die besser Artifizielle Intelligenz (AI) (von englisch artificial intelligence) genannt werden sollte, hat vielfach ein Imageproblem, fordert sie doch ihren Schöpfer genau auf dem Gebiet heraus, auf dem sich dessen Identität gründet – dem Denken. Dazu kommen erste Anwendungen, die durchaus dubios erscheinen: Etwa in Systemen zur Gesichtserkennung im öffentlichen Raum oder beim Einsatz von undurchsichtigen Algorithmen, die auf Social Media-Plattformen gehörig dabei mitreden, welche Informationen welche Nutzer erreichen.

Dabei sollte KI unsere Gesellschaft nachhaltig zum Positiven verändern – von selbstfahrenden Autos über die Steuerung des Energiesystems und selbstlernende Überwachungssysteme bis hin zu automatisierten Finanztransaktionen und präzisen medizinischen Diagnosen. Also weit bedeutsamere Aufgabe als der Selbstprogrammierung eines Schachcomputers, wie mit der KI-Software AlphaZero im letzten Jahr von Google demonstriert.

Dabei stellt sich jedoch stets die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass diese intelligenten Systeme nicht missbraucht werden und so konzipiert sind, dass sie Menschen keinen Schaden zufügen können.

Pionierrolle für Europa

Legt der Mensch zukünftig Aufgaben und die damit einhergehenden Entscheidungen in die Hände von KI, muss sichergestellt werden, dass dies nicht abseits von Moral, ethischer Grundhaltungen und gesetzlicher Regeln geschieht. Die rund 50-köpfige Expertengruppe hat daher Ethische Leitlinien für vertrauenswürdige KI erarbeitet, wie die EU-Kommission zuvor mitteilte.

Diese beinhalten etwa die Gestaltung und Kontrolle solcher Systeme unter menschlicher Aufsicht, das Achten auf Robustheit und Sicherheit, die Erfüllung von Datenschutz-Prinzipien, die Nachvollziehbarkeit der Arbeit der Systeme, die Nicht-Diskriminierung benachteiligter Gruppen durch die Entwicklungen, die Berücksichtigung gesellschaftlicher und ökologischer Konsequenzen von Technologien und eine Rechenschaftspflicht.

Die EU-Expertengruppe, der mit den Professoren Sabine Theresia Köszegi und Mark Coeckelbergh auch Vertreter der TU Wien und der Universität Wien angehören, schickt die ethischen Leitlinien zur Entwicklung vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz im Sommer in eine Pilotphase, um Feedback zur praktischen Umsetzung sammeln zu können. Interessenten können im Rahmen der European AI Alliance teilnehmen. Eine adaptierte Fassung, die die Rückmeldungen aller Interessenvertreter berücksichtigt, soll Anfang 2020 der Europäischen Kommission vorgelegt werden.

An dieser Stelle entscheide sich auch, ob diese „Chance für Europa“, hier eine Pionierrolle einzunehmen, ergriffen wird, sagte der Technikphilosoph zur APA. „Wir werden diese Vorgaben nun in die Praxis bringen und gleichzeitig eine internationale Diskussion über menschzentrierte KI fördern“, so die EU-Kommissarin für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Mariya Gabriel.

Das Papier sei sicher „ein guter Start“, die Politik müsse dann aber konkrete Schritte daraus ableiten, so Coeckelbergh. „Viel Zeit für gute Regulierungen habe man jedenfalls nicht, denn die Technologie entwickelt sich ziemlich schnell.“ Zumindest sollten Unternehmen dazu verpflichtet werden, nachvollziehbar darzustellen, dass ihre Entwicklungen bestimmte Gruppen nicht benachteiligen und Datenschutz gewährleistet bleibt. So sollte etwa auch eine Agentur eingerichtet werden, die sich mit dem Thema auf europäischer Ebene beschäftigt und für Verbindlichkeit sorgt. Auch auf der Ebene der einzelnen Staaten brauche es Maßnahmen, damit Europa nicht zum „Wilden Westen in Sachen KI“ zu wird.

Hier müsse auch nicht immer mit Verboten und Gesetzen gearbeitet werden, man könne auch auf Anreizsysteme setzen. Komme keine Regulierung, läuft man laut Coeckelbergh Gefahr, dass die zunehmende Automatisierung neue Probleme mit sich bringt.

Der nunmehrige Prozess innerhalb der EU ziehe jedenfalls internationale Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn etwa in den USA nicht mit dem gleichen Nachdruck in die Richtung gearbeitet werde. In China gebe es zwar bereits eine KI-Strategie inklusive ethischer Richtlinien, angesichts des weitreichenden Einsatzes von Gesichtserkennungssystemen, sei es fraglich, „ob man dort Ethik wirklich ernst nimmt“, so Coeckelbergh.

In Österreich spielt bei KI die Musik

Seit Ende November 2018 steht fest, dass auch für Österreich ethische Richtlinien und hohe Standards für die Anwendung von KI in Industrie und Gesellschaft in einer nationalen Strategie Künstliche Intelligenz vereint werden sollen. Infrastrukturminister Norbert Hofer und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck legten dazu im Ministerrat einen Antrag zur Ausarbeitung einer solchen Strategie vor. Mit dieser wolle man KI aktiv mitgestalten, sich daraus bietende Chancen frühzeitig nutzen und unbeabsichtigte Konsequenzen vermeiden.

Eine Schlüsseltechnologie für Österreich: Das automatisierte Fahren. Schon jetzt gilt Österreich als führend an der Forschungsspitze, wenn es um die Zukunft der Mobilität, insbesondere das High Tech des fahrerlosen Autos, geht.

„Rund um den Globus wird erwartet, dass KI-gestützte Maschinen kurz- bis mittelfristig menschliche kognitive Fähigkeiten, wie Wahrnehmen, Verstehen und Planen, in zahlreichen spezifischen Aufgabestellungen erreichen und die Leistungsfähigkeit physischer autonomer robotischer Systeme massiv erhöhen werden“, hieß es in dem Vortrag an den Ministerrat. Die Technologie werde völlig neue Möglichkeiten bieten, komplexe Problemstellungen in verschiedenen Bereichen – vom Gesundheitssystem bis zum Klima- und Umweltschutz – weitaus effizienter als bisher zu lösen.

In dem Antrag wird aber auch zahlreichen Risiken hingewiesen, die der steigende Einsatz von KI-Lösungen mit sich bringt. Genannt werden volkswirtschaftliche Auswirkungen durch den weitreichenden Wandel des Arbeitsmarkts, demokratiepolitische Bedrohungen wie die Beeinflussung öffentlicher Meinung durch Verbreitung von Inhalten, die durch KI generiert wurden, Diskriminierungen durch fehlerhafte Daten, automatisierte und zielgerichtete Desinformationskampagnen oder neuen Gefahren aus dem Bereich Cyberkriminalität.

Die Rahmenbedingungen für die Einführung bzw. Regulierung von KI-Technologien werden darin vom österreichische Rat für Robotik und KI, aber auch durch die nun angestossenen europäischen Prozesse definiert.

So dient auch das White Paper, das der Österreichische Rat für Robotik und Künstliche Intelligenz ausgearbeitet hat als Basis der österreichischen KI-Strategie.

Vertreter von Wirtschafts- und IT-Verbänden haben ebenfalls  signalisiert, die Entwicklung und einen verantwortungsvollen Umgang mit KI im Rahmen der kommenden Strategie zu unterstützen.

Als Ziele der Strategie, die im dritten Quartal 2019 präsentiert werden soll, werden unter anderem genannt, einen verantwortungsbewussten, auf das Gemeinwohl hin orientierten, breiten Einsatz von KI auf Basis europäischer Grundwerte in Österreich voranzutreiben und Maßnahmen zu entwickeln, um mögliche Gefahren und Fehlentwicklungen, die sich aus KI für Menschen und Gesellschaft ergeben könnten, rechtzeitig zu erkennen, abzufedern oder zu verhindern.

Die Forschung in diesen Bereich soll in Schlüsselbereichen oder Nischen auf ein weltweites Spitzenniveau gehoben, der Transfer von KI-Anwendung in heimische Klein- und Mittelbetriebe vorangebracht werden. Zudem sollen rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Sicherheit der KI-Nutzung gewährleisten. Genannt werden auch Bewusstseinsbildung und gesellschaftliche Dialoge über den Umgang mit KI, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Einführung von KI gestützten Technologien im sicherheits- und kriminalpolizeilichen Umfeld.

apa/red

Service: Die Strategie zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz in Österreich sowie das White Paper des Robotik-Rates, jeweils als .pdf zum Download.

INFObox: Zur aktiven Gestaltung des digitalen Wandels haben das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) eine Strategie für Künstliche Intelligenz entworfen. Als Basis dient das White Paper des Robotikrates. Darüber hinaus hatten beide Ministerien bereits die neue Digitalisierungsagentur (DIA) eingerichtet, die als Ansprechpartner für alle Digitalisierungsfragen fungieren soll. Die DIA wird von den beiden Ministerien finanziert und in der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) in Wien eingerichtet. Daneben gibt es nun die vom BMVIT unterstützte Data Intelligence Offensive (DIO): Sie ist ein breit angelegter Zusammenschluss von Forschung, Industrie und staatlichen Stellen zur Unterstützungs des Übergangs in die Datenwirtschaft.