Kategorie Innovation & Technologie - 24. März 2021

Satellitendaten & Naturkalender schaffen Frühwarnsystem für Nutzpflanzen

Jedes Jahr bangen etliche Landwirte in Österreich um ihre Ernte, auf Plantagen und Hängen macht sich eine regelmäßig Frühjahrs-Nervosität breit. Der Grund: Bammel vor dem Frost während der Blütezeit. In den vergangenen Jahren sorgten Klimaextreme immer häufiger für große Schäden in der österreichischen Landwirtschaft.

Besonders hart getroffen hat es beispielsweise 2016 die Obst- und Weinbauern aufgrund des späten Frostes, der sich zu einem Schaden von knapp 200 Millionen Euro allein in der Steiermark summierte. Aber auch im vergangenen Jahr hatten Landwirte und Gärtnernde in Österreich Schäden durch späten Frost bei Marillen, Pfirsichen, Kirschen, teils auch bei Äpfeln zu verbuchen. Bereits aufgegangene Blüten im Obst- und Weinbau sind besonders empfindlich und daher anfällig für Frostschäden.

 

Derzeit übliche Schadensquantifizierungen beruhen oft auf groben Schätzungen von Landwirten oder allgemeinen Berechnungen auf Grundlage statistischer Zahlen auf Gemeindeebene. Manchmal werden Erhebungen auch mittels Drohnen (UAVs) durchgeführt. Je nach Methode mangelt es den so gewonnenen Daten jedoch an Verfügbarkeit für große Flächen, Zugänglichkeit, Quantität und/oder auch an Qualität.

Den öffentlichen Institutionen und auch den Versicherungsgesellschaften entgeht so ein objektiver Blick auf die tatsächlichen Dimensionen der geschädigten Gebiete vor und nach solchen Spätfrost-Ereignissen. Um die effiziente Überwachung und den erforderlichen Überblick zu ermöglichen, arbeiten ZAMG, Cloudflight Austria und JOANNEUM Research derzeit an einem Frühwarnsystem vor Frost bei Apfelbäumen und vor Trockenstress bei Mais. Im Projekt PhenObserve werden unter anderem Daten von Satelliten und Naturbeobachtungen aus der Bevölkerung kombiniert.

Finanziert wird PhenObserve von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) über das österreichische Weltraumprogramm ASAP des BMK. Die Messdaten der europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel 2 und 3 können so für detaillierte phänologische Informationen generiert und diese mit meteorologischen Modellen für verbesserte Schadenprognosen verbunden werden.

Weltraumtech und Naturkalender

Die Phänologie untersucht den Einfluss der Witterung auf den Jahreszyklus von Pflanzen und Tieren. In diesem Bereich spielen besonders auch Beobachtungsmeldungen durch Menschen eine wichtige Rolle, um Ereignisse wie Blattaustrieb, Blüte und Laubverfärbung zu erfassen. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) unterhält seit 1928 (mit Unterbrechungen während der Kriegszeit) ein phänologisches Messnetz mit rund 100 Beobachtungsorten und erweiterte in den letzten Jahren das Beobachtungsnetz mit Hilfe neuer Technologien.

Ein wichtiges Instrument dafür ist die kostenlose App ZAMG Naturkalender, in der alle Interessierten ihre phänologischen Beobachtungen einfach und schnell festhalten und melden können. Praktisch: man unterstützt damit die Wissenschaft und lernt auch selbst einiges über den Lauf der Jahreszeiten und ihre Änderungen. Seit dem Start der App vor drei Jahren wurden bereits über 70.000 Beobachtungen eingegeben.

Die Daten der App werden auch direkt für das Projekt PhenObserve verwendet, wo sie mit den Daten der Sentinel-Satelliten, die die Erde mit bis zu zehn Meter Auflösung vermessen, kombiniert werden. Je mehr Beobachtungen zur Verfügung stehen, desto genauer lässt sich der aktuelle Entwicklungsstand der Pflanzen feststellen und somit auch die Anfälligkeit auf extremes Wetter, wie Frost oder Trockenheit.

Die Wurzeln der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) liegen in Österreich. Die ZAMG, gegründet 1851 und damit einer der ältesten Wetterdienste der Welt, organisierte in Wien im Jahr 1873 den ersten internationalen Meteorologiekongress. Damals wurde beschlossen, eine Internationale Meteorologische Organisation (IMO) zu gründen, um die weltweite Zusammenarbeit zu fördern. Aus dieser Organisation wurde am 23. März 1950 die Weltorganisation für Meteorologie (WMO).

Jetzt im Frühling liegt der Schwerpunkt bei Meldungen zur Obstblüte und zum Laubaustrieb der Bäume. „Der Welttag der Meteorologie am 23. März ist ein schöner Anlass, die Bevölkerung zu ersuchen, uns mit der App ZAMG Naturkalender ihre Beobachtungen zu schicken, zum Beispiel aus dem eigenen Garten oder von einem Spaziergang“, so ZAMG-Phänologe Scheifinger. „Während der nächsten Wochen explodiert die Natur gleichsam. Da sind alle Frühlingsphasen im Beobachtungsprogramm von Naturkalender interessant. Für das Projekt PhenObserve sind besonders die Blüte von Apfel und der Laubaustrieb der Bäume wichtig.“

Marillenblüte etwas früher

Die aktuelle phänologische Entwicklung im Frühling 2021 ist um etwa eine Woche früher als im Durchschnitt des Zeitraums 1981 bis 2010. Im Vergleich mit den letzten Jahren, die durchwegs sehr warm waren, ist die aktuelle Entwicklung im Mittelfeld und deutlich später als 2020. „Die Marillenblüte wird heuer definitiv später eintreten als letztes Jahr, wodurch sich das Spätfrostrisiko etwas verringern sollte“, sagt ZAMG-Phänologe Scheifinger, „allerdings kann es bis Ende April noch zu Schaden verursachenden Kaltlufteinbrüchen kommen.“

An geschützten Stellen beginnen derzeit bereits die Forsythien ihre gelbe Blütenpracht zu entfalten. Damit erreicht der Vorfrühling, die erste der drei phänologischen Frühlingsphasen, sein Ende. Er wird vom Erstfrühling abgelöst, dessen wichtigste Zeigerpflanze die weitverbreitete Forsythie ist. Haselsträucher und Winterling sind verblüht, die Schneeglöckchenblüte hat ihren Höhepunkt überschritten, während die Salweide mit ihren gelben Kätzchen die Bienen anlockt. Die tiefroten Blütenknospen der Marillen werden sich in den nächsten Tagen öffnen. Die Holundersträucher beginnen ihre Blätter auszutreiben.

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