5. Juni 2015
Saubere Seen auch in einer heißen Zukunft
Jedes Jahr zu Beginn der Badesaison schickt die EU den Bericht zur Wasserqualität europäischer Gewässer aus. Heuer wurde besonders gejubelt, da die Qualität der Badegewässer weiter steigt. Auch in Österreich gab es Verbesserungen: Von 264 bewerteten Gewässern erhielten 89 Prozent die Note Sehr gut, kein See oder Badeteich wurde diesmal mit Nicht genügend beurteilt.
Sauberes Wasser muss nicht immer kristallklar sein. An Wiener Badestellen wie der Neuen Donau hat man kaum zwei bis drei Meter Sichttiefe, was verglichen mit dem Attersee, in dem man bis zu 20 Meter tief sehen kann, für manchen abschreckend wirkt. Die Sichttiefe wird von Phytoplankton bestimmt, das sind winzige Algen, die Fotosynthese betreiben und daher grün erscheinen. Je kleiner ein stehendes Gewässer ist, umso stärker können Algen und größere Wasserpflanzen wachsen: Denn Nährstoffe, die von Regen und menschlicher Nutzung eingetragen werden, sind in kleineren Gewässern höher konzentriert als in großen Seen, wo sich alles mehr verdünnen kann.
Ein Vierterl Seewasser trinken
„Ein Hygieneproblem gibt es trotzdem nicht, an keiner der 17 Stellen, die entlang der Neuen und Alten Donau und im Mühlwasser alle zwei Wochen überprüft werden“, sagt Wolfgang Zoufal von der Magistratsabteilung 39. Gesucht wird in den Wasserproben nach Fäkalkeimen wie Escherichia coli und Enterokokken, die zwar im Darm des Menschen vorkommen, aber nicht krank machen. „Nach tausenden potenziellen Krankheitserregern zu suchen wäre technisch und finanziell unmöglich“, sagt Zoufal.
Die Grenzwerte der regelmäßig bestimmten Indikatorbakterien sind so gewählt, dass ein Badender, der pro Badetag zirka einen Viertel Liter Wasser schluckt, davon nicht krank wird. „Die Werte in Wiener Badegewässern liegen weit unter den Grenzwerten der EU-Richtlinien“, bestätigt Zoufal.
Dieses Jahr war der Mai unterdurchschnittlich kühl, das hat den Start der Badesaison verschoben. Doch der Trend zu längeren Badesaisonen ist für Wissenschaftler eine klare Folge des Klimawandels. So zeigen über 100 Jahre zurückreichende klimatische Messdaten am Wasser-Cluster Lunz, einem interuniversitären Forschungszentrum, dass die Wassertemperatur des Lunzer Sees stetig ansteigt. „Zwischen 1951 bis 1980 gab es nur 14 Tage im Jahr, in denen die Wassertemperatur über 17 Grad lag“, berichtet Arbeitsgruppenleiter Martin Kainz. Zwischen 1998 und 2013 waren es aber schon 64 Tage im Jahr mit über 17 Grad Wassertemperatur.
Ebenso drastisch verändert sich die Situation im Winter. Vor 100 Jahren hatte der Lunzer See pro Winter im Schnitt an 100 Tagen eine geschlossene Eisdecke. „In den letzten 20 Jahren hatten wir schon um 29 Tage weniger die volle Eisdecke. In den letzten sieben Jahren gab es sogar zwei Jahre, in denen der Lunzer See keine Eisdecke gebildet hat“, so Kainz. „Wir brauchten eine neue Forschungsrichtung ,Winter-Limnologie‘, um herauszufinden, wie Seen auf diese Veränderung reagieren. Was passiert, wenn Algen und Bakterien im Winter stärker wachsen? Wie können Fische ihr Leben an eisfreie Zeiten anpassen?“
In einem europäischen Forschungsprojekt, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird, zeigten die Forscher soeben, was in einem nährstoffarmen See wie dem Lunzer See passiert, wenn die Wassertemperatur um nur drei Grad erwärmt wird. „Das Plankton wird nicht weniger, aber die einzelnen Organismen werden kleiner“, sagt Kainz. Und die Artenzusammensetzung der Algen und des Zooplanktons verschiebt sich.
„Beides hat zur Folge, dass wertvolle Nährstoffe im Plankton zurückgehen: Wir konnten zeigen, dass weniger Omega-3-Fettsäuren im Plankton stecken, das von Fischen gefressen wird. Wenn wir also in 20 Jahren noch Fische in gleicher Qualität essen wollen, brauchen wir jetzt mehr Forschung, um auf solche Veränderungen reagieren zu können.“
Auch die Zusammensetzung der Fischfauna verändert sich bereits, seit unsere Seen immer wärmer werden. Kälteliebende Arten wie Forellen und Saiblinge gehen zurück, dafür erobern barschartige und karpfenartige Fische sowie Hechte die Gewässer. „Im Lunzer See sehen wir dramatische Veränderungen, wo Hechte in nur wenigen Jahren vor allem Saiblinge stark verdrängt haben“, sagt Kainz.
In kühleres Wasser fliehen
Astrid Schmidt-Kloiber vom Institut für Hydrobiologie der Boku Wien macht auf die Probleme der Tiere in heimischen Fließgewässern aufmerksam: „Wenn die Temperaturen steigen, wandern Arten, die sich nicht an neue Bedingungen anpassen können, weiter hinauf in kühlere Flussabschnitte. Das beobachten wir bei vielen Süßwasserarten, nicht nur bei Fischen, auch bei Insektenlarven. Doch jene Arten, die im Gebirge schon ganz oben in kalten Quellbächen wohnen, können bei weiterer Erwärmung nirgends mehr hin.“ Um die Auswirkungen von Klimawandel, Verschmutzung und anderen menschlichen Einflüssen besser sichtbar zu machen, wurde kürzlich die erste europaweite Informationsplattform für Binnengewässer gegründet (siehe Lexikon).
Der Limnologe Kainz warnt, dass Klimawandel nicht nur erhöhte Temperaturen bedeutet, sondern auch vermehrte Starkregen-Ereignisse. „Tiefe Seen wie der Mond- oder der Traunsee haben mit dem vermehrten Nährstoffeintrag durch Starkregen weniger Probleme als kleine, flache Seen. Bei Ersteren kann sich viel in den tiefen Seesedimenten ablagern, Nährstoffe können sich besser verteilen.“
Aber Baggerseen und kleinere Teiche sind gefährdet, da die eingespülten Nährstoffe auf kleinem Raum zu stärkerem Algenwachstum führen. „Auch Blaualgen, also Cyanobakterien, können wachsen und für Menschen schädliche Gifte abgeben“, sagt Kainz. Deswegen wird in Qualitätskontrollen bei Verdacht einer Massenvermehrung auch auf Cyanobakterien getestet.
Kainz: „Die gute Nachricht ist, dass es keine Nachweise gibt, dass sich in österreichischen Seen durch den Klimawandel toxikologisch etwas geändert hat.“