Kategorie Mobilität - 8. Juli 2018

Bad Vibrations: Sekundenschlaf durch Geschaukel des Autos?

Sekundenschlaf am Steuer ist eine Gefahr – australische Forscher untersuchten, wie dieser durch die Vibrationen des Autos gefördert wird.

Sekundenschlaf gehört zu den größten Gefahren im Straßenverkehr. Zustande kommt er zum einen durch Übermüdung des Lenkers, welche ihrerseits auf ein ganzes Ursachenbündel zurückgeführt werden kann (von physiologisch bedingten Schlafstörungen bis zu ungünstigen Arbeitszeiten). Aber zum anderen trägt auch das Autofahren an sich seinen Teil bei: etwa durch die Reizarmut bei langen, monotonen Autobahnfahrten, verbunden mit einer bequemen Körperhaltung … und schließlich den Vibrationen des Autos, die den Lenker oder der Lenkerin mit ihrem regelmäßigen Rhythmus einlullen.

Speziell auf diesen Faktor haben sich nun australische Forscher des Royal Melbourne Institute of Technology konzentriert und ließen sich davon zu einem Experiment inspirieren. Hintergrund ihrer Untersuchung ist die besorgniserregend hohe Zahl an Lenkern, die schon einmal am Steuer eingenickt sind: Einem von fünf Australiern sei dies bereits passiert, verweist Studienautor Stephen Robinson auf frühere Ergebnisse. rmit university Für ihr Experiment setzten die Forscher 15 Probanden in einen Fahrsimulator. Der war auf einer Plattform montiert, die mit niedrigen Frequenzen zwischen vier und sieben Hertz zum Vibrieren gebracht werden konnte.

Während die Probanden mit an- oder abgeschalteten Vibrationen eine monotone Highway-Fahrt absolvieren mussten, beobachteten die Forscher auf einem Monitor deren Herzschlag. Wenn eine Aufgabe bei steigender Müdigkeit zu bewältigen ist, versucht das Nervensystem dies durch veränderten Herzschlag zu kompensieren. Die Forscher zogen daher die sogenannte Herzfrequenzvariabilität als Maß für die Schläfrigkeit heran.

Es zeigte sich, dass die Vibrationen früher als gedacht ihre Wirkung zu entfalten beginnen – nämlich schon nach 15 Minuten. Nach einer halben Stunde ist die induzierte Schläfrigkeit bereits groß genug, dass es einiger Mühe bedarf, Wachsamkeit und kognitive Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Nach einer Stunde Fahrt im vibrierenden Auto erreicht der Effekt schließlich sein Maximum, soweit gemessen – länger dauerten die Testfahrten nicht.

Nach diesem ersten kleinen Sample wollen die Forscher weitere Experimente durchführen und bei höherer Probandenzahl weitere Faktoren miteinbeziehen: Zum Beispiel wollen sie testen, wie stark das Alter und etwaige Gesundheitsprobleme (zum Beispiel Schlafapnoe) den Effekt beeinflussen. Außerdem glauben die Forscher Hinweise darauf gefunden zu haben, dass Vibrationen in anderen Frequenzbereichen den gegenteiligen Effekt haben. Sollte sich das bestätigen, könnten entsprechende Erkenntnisse in den Autobau – insbesondere die Konstruktion von Autositzen – einfließen.

Der Standard 15. 7. 2019

Abstract: Ergonomics: „The Effects of Physical Vibration on Heart Rate Variability as a Measure of Drowsiness“