Kategorie Innovation & Technologie - 25. November 2016

Sensoren orten Brandherde

Es war 18.18 Uhr am Abend des 22. April 2015, einem verlustreichen Jahr für Österreichs Wälder, als in der Landesalarm- und Warnzentrale Kärnten ein Notruf einging: Beim oberen Drautal war nahe der Göriacher Alm ein Feuer ausgebrochen. Sofort rückten fünf Feuerwehren aus. Zehn weitere sowie drei Hubschrauber, das Rote Kreuz und Polizei komplettierten die Einsatzkräfte noch an diesem Abend. Ausrichten konnten sie freilich nicht mehr viel. Zu steil und unwegsam war das Gelände.

Ab dem nächsten Morgen kämpften laut Einsatzbericht Hunderte Feuerwehrleute gegen bis zu 80 Meter hohe Flammen und später gegen immer wieder auflodernde Glutnester. Erst am 12. Mai, satte 20 Tage nach dem Notruf, konnte offiziell „Brand aus“ verkündet werden. Rund 70 Hektar Wald waren zerstört oder geschädigt. So wie 2015 insgesamt fast 270 Hektar hierzulande, mehr als dreimal so viel wie im Schnitt der vergangenen Jahre. In Zukunft dürfte es häufiger brennen; begünstigt durch die vorausgesagte Tendenz zu Trocken- und Hitzeperioden. Europaweit sind es ohnehin bereits Zigtausende Waldbrände, die die Feuerwehrleute jährlich außer Atem bringen.

Nach Sicht beurteilen

Grund genug, Hochtechnologie in Stellung zu bringen. Ansatzpunkt des unter der Leitung von Alexander Almer von der Forschungsgesellschaft Joanneum Research entwickelten Waldbrandbekämpfungsmanagementsystems ist die möglichst echtzeitnahe und großflächige Lagebilderfassung. Die kann derzeit noch ein Problem darstellen, da Waldbrände vor allem nach Sicht und Rauch beurteilt werden. Wo sich die eigentlichen Hitzeherde verstecken, ist nicht immer leicht ersichtlich, auch aus der Luft nicht. Und selbst wenn: Bis die gewonnenen Erkenntnisse in sinnvollen Maßnahmen enden, kann es dauern.

Almer, der Vermessungstechnik mit Schwerpunkt Fernerkundung studiert hat, berichtet beispielhaft von Katalonien. Dort gebe es zwar auf Waldbrände spezialisierte Feuerwehren mit einer enormen technischen Ausstattung, aber ohne elektronisches Management-System. „Dort setzt sich ein Flugbeobachter in einen Hubschrauber, analysiert die Lage von oben, landet und versucht mit den anderen Personen am Boden eine Strategie auszuarbeiten.“

Diesen Prozess von der Analyse bis zur Maßnahme wollen die Joanneum-Forscher beschleunigen; gefördert vom Sicherheitsforschungs-Programm Kiras des Technologieministeriums. Dazu ersetzen sie das im Flugzeug sitzende menschliche Auge durch eine Wärmebild- und eine optische Kamera, sprich: thermale Infrarot- als auch optische Sensoren. Ein rotierendes Spiegelsystem erlaubt eine hohe Auflösung der Wärmebilddaten. Da unterschiedliche Oberflächen im Wärmebild unterschiedlich aufscheinen, werden die Daten per Software interpretiert und tatsächlichen Temperaturbereichen zugeordnet.

Ständig Position errechnen

Für das System von enormer Bedeutung ist es, die auf dem Bildmaterial erkennbaren Brandherde in kürzester Zeit einem konkreten Ort am Boden zuordnen zu können; sprich über eine Karte zu legen, also zu geo-referenzieren. Nicht ganz einfach, wenn man bedenkt, dass sich Flughöhe und Position des Hubschraubers und damit der Blickwinkel und die Entfernung zu einem bestimmten Bodenpunkt permanent verändern. Das System ist daher mit einem hochleistungsfähigen GPS und einem Trägheits-Navigationssystem ausgestattet, dessen Sensoren unter anderem kleinste Beschleunigungsveränderungen registrieren. Ähnliches kennt man in der Billigvariante, die einen Smartphone-Bildschirm zum Kippen bringt. Aus sämtlichen anfallenden Daten lassen sich ständig Lage und Position der Kamera errechnen und somit auch die Koordinaten der Brandherde am Boden.

Hinzu kommt ein Kommunikationsmodul, das mit einer Bandbreite von fünf bis acht Megabit pro Sekunde aktuelle Bilddaten 50 bis 60 Kilometer weit senden kann. „Aktuell heißt, dass sie Bilder aufnehmen und eine Minute danach ein geo-referenziertes Bild in der Einsatzzentrale zur Verfügung haben.“ Zusätzlich sollen die Brandbekämpfer gleich Vorschläge für das In-Marsch-Setzen von Löschtrupps oder -Flugzeugen bekommen. Entscheiden müssen sie weiter selbst. (Von Timo Küntzle, Die Presse)

INFObox: Das System 3F-MS (Forest Fire Fighting Management System) kann in vier Situationen eingesetzt werden: zur Früherkennung von gefährdeten Waldgebieten nach langen Trockenphasen, während Löscharbeiten, zur Unterstützung der 24- bis 36-stündigen Brandwache, nachdem das letzte Feuer vermeintlich gelöscht wurde („Brand aus“), sowie zur abschließenden Dokumentation der tatsächlich entstandenen Schäden.