Kategorie Innovation & Technologie - 6. August 2020

So soll Weltraumschrott mit Laser auch am hellichten Tag aufgespürt werden

Einen verbesserten Ansatz zum Aufspüren von Weltraumschrott von der Erde aus haben Grazer Wissenschafter entwickelt. Sie können nun mittels Laser-Abstandmessung die Entfernung von in der Umlaufbahn befindlichen Resten früherer Weltraummissionen auch bei Tageslicht messen. Bisher war dies nur zu bestimmten Tageszeiten möglich, berichten die Forscher im Fachblatt „Nature Communications“.

Die regen Raumfahrtaktivitäten der vergangenen Jahrzehnte haben der Erde auch eine unglaubliche Anzahl neuer Begleiter beschert. Neben den rund 2.000 aktuell aktiven und in etwa 3.000 bereits ausrangierten Satelliten befinden sich laut Schätzungen der Europäischen Weltraumorganisation ESA momentan rund eine Million Objekte, die größer als einen Zentimeter sind, in diversen Umlaufbahnen, teilte das Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz mit.

Forscher der Laserstation Graz Lustbühel des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften präsentieren in „Nature Communications“ erste Erfolge bei Abstandsmessungen zu Weltraumschrott am helllichten Tag. © ESA

In den frühen Jahren der Raumfahrt waren die wenigen Schrottteile kein Problem und demzufolge wurde ihnen zunächst kaum Beachtung geschenkt. Nachdem sich jedoch die ersten Explosionen im All ereigneten und Antisatellitentests zu einem rasanten Anstieg des Weltraummülls führten, beschäftigen sich Experten weltweit mit den Konsequenzen der Entwicklung.

Denn inzwischen ergeben sich schwerwiegende Risiken für den Betrieb operationeller Satelliten. Müllobjekte größer als etwa zehn Zentimeter sind bei typischen Relativgeschwindigkeiten von 10 – 14 Kilometern pro Sekunde auf erdnahen Bahnen in der Lage, einen Satelliten oder eine orbitale Raketenstufe vollständig zu zerlegen, wobei hunderte bis tausende von Objekten neu entstehen.

Das Problem dabei ist, dass nur von rund 20.000 dieser menschgemachten Mini-Erdtrabanten mittels Radarmessungen auch regelmäßig die Umlaufbahnen auf einige hundert Meter genau berechnet werden können. Der Rest bewegt sich also auf mehr oder weniger unbekannten Wegen im erdnahen Raum. Auch wenn viele Weltraumschrott-Vertreter klein sind, geht von ihnen eine Gefahr für Satelliten aus – immerhin sind sie mit Geschwindigkeiten von bis zu rund 25.000 Stundenkilometern unterwegs.

Die Wissenschafter der Laserstation Graz Lustbühel verfolgen schon seit einiger Zeit den Ansatz, Weltraumschrott auch mittels Laserlicht genau zu vermessen. Dabei werden kurze Laserpulse zu den erdnahen Objekten gesendet. Dann werden gestreute Lichtteilchen (Photonen) mit einem Teleskop aufgefangen und mit einem Einzelphotonen-Detektor aufgezeichnet. Aus der Zeit, die zwischen dem Senden und Empfangen vergeht, kann die Entfernung des Objekts berechnet und im zeitlichen Verlauf auch die Bahn bestimmt werden.

Damit Weltraumschrott ab rund einem Meter Durchmesser so aufgespürt werden kann, muss er sich vom ihn umgebenden Himmelshintergrund abheben und sichtbar sein. Hat man vorab keine Möglichkeit, optisch abzuschätzen, wo in etwa sich das Objekt befindet, sucht man mit dem Laser nämlich die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Daher war die Methode bisher nur in jenen Zeitfenstern einsetzbar, in denen der Schrott von der Sonne beleuchtet wird – sich also nicht im Erdschatten befindet und auf der Erde gleichzeitig weitgehend Dunkelheit herrscht. Das trifft wiederum auf insgesamt nur rund vier bis sechs Stunden pro Nacht zu, nämlich nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang.

Das EU-Raumfahrtsabkommen wird unter österreichischer Beteiligung verlängert. Weltraumministerinn Leonore Gewessler hat in einem Vortrag an den Ministerrat die Verlängerung der gemeinsamen Erklärung der europäischen Regierungen zum Einsatz von Trägerraketen vom Raumfahrtzentrum Guayana angekündigt. Mit der Annahme des Vortrags beteilige sich Österreich weiter am eigenständigen Zugang Europas zum Weltraum. Gerade in der Klimaschutzforschung wird der Erdbeobachtung durch Satelliten ein große Rolle zugemessen. „Wir wollen uns in Zukunft gerade bei der Erforschung der Klimakrise intensiv einbringen. Nach unserer Bewerbung für die Copernicus-Dienste ist diese Erklärung nun ein weiteres Signal“, so Gewessler zu den Plänen. Österreich hatte im Mai angekündigt, sich für die Umsiedelung der EU-Erdbeobachtungsdienste Copernicus als Standort zu bewerben. „Mit diesem Abkommen können wir wertvolle Forschung ermöglichen und wichtige Erkenntnisse – insbesondere im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe – gewinnen.“

Der Ansatz des Grazer Teams um Michael Steindorfer vom IWF könnte dieses Zeitfenster nun in Abhängigkeit der Jahreszeit in naher Zukunft auf bis zu 22 Stunden ausdehnen. „Wir haben uns auf ein bestimmtes Filtersystem konzentriert, das nur höhere Wellenlängen des Lichts zulässt, um das Blau des Himmels zu unterdrücken. Dazu haben wir eine spezielle Kombination aus Kamera und Teleskop ausgesucht, um diese Objekte auch bei Tag sichtbar zu machen“, erklärte der Wissenschafter im Gespräch mit der APA. Der bei Sternbeobachtungen am Tag getestete Ansatz ermöglicht nun dank den Grazer Forschern auch sehr genaue Entfernungsmessungen von Weltraumschrott bei Tag, wie sie in ihrer Arbeit zeigen. „Für eine gezielte Verbesserung der Vorhersagen von Weltraumschrott werden in erster Linie zwei Dinge benötigt: Ein weltweites Netzwerk von mehreren Stationen, die in der Lage sind Weltraumschrott zu beobachten und eine höhere Effizienz und damit Anzahl der Beobachtungen“, so Steindorfer.

Die neue Methode könnte im Verbund mit anderen Akteuren zukünftig zusätzliche Optionen eröffnen: „Unser Ziel muss sein, dass möglichst viele über die Welt verteilte Stationen in der Lage sind, das zu machen“, sagte Steindorfer. Dann könne die Community rasch reagieren und Vorhersagen verbessern, wenn etwa die ESA eine Kollisionswarnung ausspricht.

Aufräumen im All

Die europäische Weltraumorganisation ESA plant für 2025 zusammen mit einem Wirtschaftsunternehmen die weltweit erste Mission zur Beseitigung von Weltraumschrott. Die europäischen Raumfahrtministerinnen und -minister haben sich bereits 2019 darauf geeinigt, diese Mission zur Beseitigung von Trümmern aus der Erdumlaufbahn zu unterstützen. Die Mission „ClearSpace-1“ soll 2025 erstmals starten. Die ESA schätzt, dass sich derzeit knapp 940.000 Objekte im erdnahen Weltraum befinden, die größer als ein Zentimeter sind. Dazu kommen 130 Millionen Teile größer als einen Millimeter.

Täglich gebe es über hundert Kollisionswarnungen im Operationszentrum der ESA in Darmstadt, warnt auch Rolf Densing, ESA-Direktor für Missionsbetrieb, vor den Gefahren durch Weltraumschrott. Mit ClearSpace soll im All zumindest etwas aufgeräumt werden.

Trümmer können mit aktiven Satelliten kollidieren und diese beschädigen. Die Ausweichmanöver verursachen demnach hohe Kosten. Denn sie benötigten Treibstoff, was wiederum die Lebenszeit der Satelliten verkürze, so der Experte.

Im Auftrag der ESA soll ab 2025 erstmals ein Schweizer Start-up zunächst mit einem Raumfahrtfahrzeug die Oberstufe einer europäischen Vega-Rakete einfangen. Diese sogenannte Vespa fliegt seit dem Flug einer Trägerrakete Vega im Jahr 2013 durchs All. Der Müllentsorger soll einen eigenen Motor haben und so direkt wieder die Umlaufbahn verlassen können. Er verbrennt dann gemeinsam mit der Vespa in der Erdatmosphäre. „Es ist ein revolutionäres Programm“, sagte ESA-Chef Jan Wörner. „Wir räumen auf und vermeiden zusätzlichen Müll.“ Folgemissionen sollen dann noch größere Aufgaben übernehmen.

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INFObox: Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ist zugleich auch Weltraumministerium und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben.