Kategorie Energie - 23. Juni 2022

So voll sind Österreichs Gasspeicher

Gasnotfallplan – Deutsche Regierung ruft Gas-Alarmstufe aus – vorerst keine Alarmstufe in Österreich – Gewessler: „Lage wird engmaschig überwacht und stündlich neu bewertet“

Die gesunkenen Gaslieferungen aus Russland gefährden derzeit nicht die Ziele zur Einspeicherung von Gas in Österreich. Der russische Energiekonzern Gazprom liefert seit einigen Tagen zwar etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich als üblich und hat dafür technische Probleme als Grund angegeben, entscheidendes Kriterium sei jedoch der Fortschritt beim Speicheraufbau.

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„Wir wollen mit Speichern in den Winter gehen, die zu 80 Prozent befüllt sind. Dann sind wir gut gerüstet. Wenn dieses Ziel gefährdet ist, werden wir Maßnahmen ergreifen“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Trotz der Drosselung würden die Speicher weiterhin signifikant befüllt.

Die heimischen Gasspeicher sind aktuell bereits zu über 42 Prozent gefüllt. Es gebe keine heimischen Unternehmen mit Schwierigkeiten bei den Gaslieferungen, auch sei der Gasdruck in den Leitungen ausreichend. Man werde versuchen in den nächsten Monaten die Energie-Lieferländer besser zu diversifizieren, um nicht von Russland erpressbar zu sein.

Die Füllstände der Gasspeicher in den EU-Ländern stehen derzeit unter sehr genauer Beobachtung. Wie lassen diese sich aber tatsächlich vergleichgen? Zu wie viel Prozent die Speicher gefüllt sind, hat zunächst wenig Aussagekraft – entscheidend für einen Vergleich sind daher vor allem die Größe der Speicher gemessen am Verbrauch.

So sind etwa die deutschen Gasspeicher momentan zu gut 56 Prozent gefüllt, im EU-Durchschnitt liegt der Füllstand bei knapp über der Hälfte der Speicherkapazität. Die Speicher in Österreich sind laut aktuellen Zahlen nur zu knapp 43 Prozent gefüllt. Allerdings verfügt Österreich gemessen am eigenen Verbrauch über sehr hohe Speicherkapazitäten – mit rund 95 Terawattstunden (TWh), was dem Bedarf eines ganzen Jahres entspricht und zu den höchsten in der EU zählt. Das bisher eingelagerte Gas deckte so schon jetzt mehr als 42 Prozent des Jahresbedarfs.

In Deutschland können die Speicher insgesamt jedoch nur Gas mit einem Energiegehalt von maximal rund 256 Terawattstunden (TWh) speichern. Das entspricht knapp einem Viertel des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland (rund 1.000 Terawattstunden). Dieses Speichervolumen alleine könnte Deutschland nach Regierungsangaben lediglich zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen. Gut 56 Prozent dieses Volumens würden im Winter also gut ein bis eineinhalb Monate reichen bei unverändertem Verbrauch.

Aufgrund dieses Umstandes und den reduzierten Gaslieferungen aus Russland hat die deutsche Regierung am heutigen Donnerstag die Gas-Alarmstufe ausgerufen. Das bestätigte das deutsche Wirtschaftsministerium am Donnerstag. Aktuell sei die Versorgungssicherheit aber auch in Deutschland weiterhin gewährleistet.

„Die Lage ist ernst“, erklärte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin. „Die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff auf uns.“ Die Strategie von Russlands Präsident Wladimir Putin sei es, Unsicherheit zu schüren, die Preise hoch zu treiben und zu spalten. „Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen.“ Oberste Priorität sei es nun, die Gasspeicher zu füllen. Alternative Anbieter würden gesucht und erneuerbare Energien ausgebaut. Außerdem müsse mehr Gas eingespart werden.

Versorgung des österreichischen Bedarfs weiterhin gesichert

In diesem Punkt meint E-Control-Vorstand Alfons Haber, „Österreich stehe im Vergleich zu anderen Ländern gut da“. Vor allem da bereits jetzt der Jahresverbrauch zu über 42 Prozent abgedeckt sei, im Vergleich zu anderen Ländern ein wirklich hoher Wert.

Außerdem hätte Österreich auch andere Lieferländer als Russland, etwa aus dem kaspischen Raum, Nordafrika und Norwegen. Sollte ein Gas-Notfall eintreten, dann seien die Firmen vorbereitet und hätten eine Vorlaufzeit von mehreren Tagen. Welche Firmen im Ernstfall Gas im vollen Umfang bekommen nannte Haber nicht, dies hänge von vielen Faktoren ab, wie etwa der Jahreszeit. Derzeit sei die Versorgung des österreichischen Bedarfs jedenfalls weiterhin gesichert.

Seit dem Einmarsch in der Ukraine ist für Klimaschutzministerin Gewessler jedenfalls klar, „dass Russland kein verlässliches Gegenüber mehr ist“. Darum habe man vor einigen Wochen bereits die Frühwarnstufe des Österreichischen Gasnotfallplans ausgerufen. Klimaschutzministerium, die zuständige Behörde E-Control und der heimische Gasinfrastruktur-Betreiber AGGM sind seither im täglichem Austausch mit allen Marktakteuren sowie internationalen Partner:innen, um tagesaktuell Liefermengen, am Markt verfügbare Gasmengen und die Preisentwicklung zu überwachen.

Unterstützende Maßnahmen zur Versorgungssicherheit kommen auch durch das vom Parlament beschlossenen Gasdiversifizierungsgesetz. Mit diesem Gesetz sollen Gaslieferungen aus Ländern abseits von Russland gezielt gefördert werden und etwaige Mehrkosten für Unternehmen abgefedert werden. Von 2022 bis 2025 werden dafür jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Grünes Licht zur Gasbevoratung kam im Parlament zudem durch die Änderung des Energielenkungsgesetzes, welches einen Anreiz für Großabnehmer von Gas schaffen soll, um vorsorglich Gasmengen einzuspeichern. Auf Basis dieser Energielenkung kann der Staat in Notfällen auf in Österreich lagerndes Gas zugreifen und es nach Dringlichkeit verteilen. Um dennoch die industriellen Großabnehmer und -verbraucher nicht vom Speichern von Reserven abzuhalten, wird gespeichertes Gas im Ausmaß von 50 Prozent des Jahresverbrauchs von etwaigen Lenkungsmaßnahmen des Staates ausgenommen. Die Maßnahme wird auf drei Jahre befristet und gilt rückwirkend ab dem 27. April 2022 und soll am 31. Mai 2025 auslaufen

Zudem wurde mit einer Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz die Möglichkeit geschaffen, dass der Staat die Energieversorger mit der Speicherung von Erdgas beauftragen kann. Darin enthalten ist außerdem die Einführung von sogenannten Market Makern zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Dabei geht es um die Erweiterung des Instrumentariums zur Beschaffung von Ausgleichsenergie, die auch tatsächlich gespeichert werden muss. Die Gasversorger können dazu vom Staat beauftragt werden und bekommen dafür eine finanzielle Abgeltung.

Mit der Novelle sollen unter anderem nunmehr sämtliche Speicheranlagen in Österreich bzw. damit auch jene in Haidach zum Anschluss an das österreichische Leitungsnetz verpflichtet werden. Ungenutzte Speicherkapazitäten sollen vom Speichernutzer unverzüglich anzubieten oder zurückzugeben sein. Dieses „Use it or lose it“-Prinzip ist auch für Gewessler das gelindeste Mittel, mit dem Ziel, auch in Haidach den Speicher zu befüllen.

Der Teil, der dort von Gazprom verwaltet werde, stehe derzeit leer. In der aktuellen Situation müsse aber alles daran gesetzt werden, dass alle Speicher bis zum kommenden Winter befüllt sind. Eine in der nunmehrigen Novelle enthaltene Ermächtigung zum Abschluss von Ressortübereinkommen betrifft laut Ministerin Gewessler vor allem die Verständigung Österreichs und Deutschlands über die Nutzung der Anlage in Haidach.

Beschlossen wurde von der Regierung am Wochenende außerdem, das Verbund-Kraftwerk Mellach in der Steiermark wieder auf den Betrieb mit Steinkohle umzurüsten, um im Notfall für ausbleibende Gaslieferungen einspringen zu können. Zudem werde man die Energieberatung ausbauen, um die Energie-Einsparpotenziale zu nutzen.

Österreich befindet sich seit 30. März in der Frühwarnstufe des Gasnotfallplans. Das BMK, die zuständige Behörde E-Control und der heimische Gasinfrastruktur-Betreiber AGGM sind seither in täglichem Austausch mit allen Marktakteuren sowie internationalen Partner:innen, um tagesaktuell Liefermengen, am Markt verfügbare Gasmengen und die Preisentwicklung zu überwachen. Die nächste Stufe im Gasnotfallplan ist die sogenannte Alarmstufe. Sie sieht Aufrufe an die Industrie vor, Gas einzusparen und/oder durch andere Energieträger zu ersetzen. Die dritte Stufe im Österreichischen Gasnotfallplan ist die Notfallstufe. Sie wird ausgerufen, wenn es zu schwerwiegenden oder vollständigen Unterbrechungen bei den Gaslieferungen kommt und erlaubt es etwa der Regierung per Verordnung, den Gasverbrauch großer Unternehmen zu drosseln.