5. August 2016

Soziale Netzwerke unterstützen die Produktion

Normalerweise sind Unternehmen nicht sehr glücklich, wenn ihre Mitarbeiter während der Arbeitszeit in sozialen Netzwerken unterwegs sind. In vielen Firmen sind Facebook, Twitter und Co. auf den Computern gesperrt. Der IT-Spezialist Tieto will nun gemeinsam mit der Technischen Universität Wien soziale Netzwerke in Betrieben salonfähig machen und zwar, indem sie Teil des Produktionsprozesses werden, eine Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine.

Mit der Industrie 4.0 verändert sich die Arbeitsweise der Menschen grundlegend. Der Mensch als Ausführer von oft monotonen, sich wiederholenden Arbeiten wie der Fließbandarbeit, wird von Maschinen abgelöst. Der Mensch wird durch diese Automatisierung zum Kontrolleur und Überwacher der Maschinen sowie zum Problemlöser, wenn etwas schiefläuft. Ein schwieriges Unterfangen, denn der Arbeiter muss aus einer Flut an Daten, die von den Maschinen generiert werden, Probleme ablesen sowie die Daten bewerten und gewichten können. In einer Papierfabrik können beispielsweise gleichzeitig Informationen bezüglich eines möglichen Papierabrisses oder -staus, Qualitätsmeldungen der Produktion in Echtzeit, Statusberichte zur Materialzufuhr, Auslieferung oder Regallager und vieles mehr eintrudeln.

 

System lernt ständig dazu

Damit die Mitarbeiter alle relevanten Informationen zum richtigen Zeitpunkt bekommen, sind innovative IT-Lösungen gefragt. Im vom Technologieministerium über die Forschungsförderungsgesellschaft FFG für eineinhalb Jahre unterstützten Projekt HISNI (Harnessing Information from Social Networks in Industry 4.0) wird an einem sozialen Netzwerk von Maschine und Mensch gearbeitet. Durch künstliche Intelligenz soll sich dieses ständig weiterentwickeln. Funktionieren soll das so: „Die Maschinen posten – ähnlich wie bei Facebook – Daten und Nachrichten zum Produktionsablauf. Messages zu wichtigen und besorgniserregenden Situationen werden an die Spitze gereiht“, sagt Allan Hanbury vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien.

Öffnet ein Mitarbeiter Nachrichten auf dem Computer, Tablet oder Smartphone, bekommt er vom Kommunikationswerkzeug sofort einen Lösungsvorschlag mitgeteilt, der bei der Behebung des Problems im Unternehmen oder einem Schwesterunternehmen in der Vergangenheit schon erfolgreich angewandt wurde. Das digitale Wissensmanagement hilft also, eine langwierige erneute Ursachenforschung zu vermeiden und Produktionsstillstände und Schäden zu verkürzen. „Daher ist es so wichtig, dass der Mensch die Lösungsschritte und den Problemlöser ins System einträgt, damit daraus für zukünftige Situationen gelernt werden kann“, so Hanbury.

Prototypen einer derartigen Software des skandinavischen IT-Dienstleisters Tieto werden in einigen Firmen schon erprobt.

Die Grundtechnologie soll für die Unternehmen gleich sein, etwa, welche Nachrichten aufeinander folgen oder wer mit wem verbunden ist. „Wir beginnen erst einmal mit der Analyse der Texte dieser Messages. Worüber reden die Mitarbeiter in einer Firma überhaupt? Für wen sind welche Nachrichten relevant, wer ist wofür Experte? In einem zweiten Schritt werden wir die Themen dann nach der Wichtigkeit sortieren“, erklärt Hanbury.

 

Live-Betrieb startet 2017

Eine Herausforderung ist natürlich die Anpassung des Kommunikationssystems an neue Produktionshallen. „Wie viel kann da automatisch durch künstliches Lernen des Systems selbst passieren, wie viele und vor allem welche Informationen müssen eingegeben werden.“ Fragestellungen, denen sich die Projektmitarbeiter in den nächsten Jahren stellen werden.

2017 soll der Prototyp im Live-Betrieb getestet und weiter optimiert werden. (von Petra Paumkirchner, Die Presse)