Kategorie Klima- & Umweltschutz - 3. Juni 2022

50 Jahre UN-Umweltkonferenz: Quo vadis, Klima- & Umweltschutz?

1972 wurde erstmals auf einer UN-Konferenz in Stockholm über die Umwelt gesprochen – 50 Jahre danach wurde an selber Stelle der Geist von damals beschworen

In der Heimatstadt der führenden Klimaaktivistin Greta Thunberg hat der zweitägige Umweltgipfel Stockholm+50 begonnen. Schwedens König Carl XVI. Gustaf begrüßte am Donnerstag Delegationen aus aller Welt in der Stockholmer Messe, in der es 50 Jahre nach der ersten UN-Umweltkonferenz in Stockholm 1972 vor allem um die Frage gehen ging, wie das Tempo beim Kampf gegen Erderwärmung, Artensterben, Umweltverschmutzung und die Vermüllung des Planeten erhöht werden kann.

© M. Widell/Unsplash

Zahlreiche Staaten haben in Stockholm auf die Dringlichkeit eines schnelleren Vorgehens im Kampf gegen die diese drei großen ökologischen Krisen hingewiesen. „Die natürlichen Systeme der Erde können mit unseren Anforderungen nicht Schritt halten“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres zur Eröffnung. „Wir müssen jetzt unseren Kurs ändern und unseren sinnlosen und selbstmörderischen Krieg gegen die Natur beenden.“

Unter dem Motto „Ein gesunder Planet für den Wohlstand aller – unsere Verantwortung, unsere Chance“ wehte abermals der Geist von 1972 in der schwedischen Hauptstadt. Damals hatten sich Delegierte aus 122 Ländern in der Stadt zur ersten UN-Konferenz über die Umwelt des Menschen getroffen. Das Treffen gilt als so etwas wie die Geburtsstunde der globalen Umweltpolitik, es sorgte dafür, dass in der Folge in aller Welt Umweltministerien geschaffen und neue globale Umweltschutzabkommen geschlossen wurden. Darunter waren Schritte zur Heilung des Ozonlochs oder die Verbannung von Blei aus dem Benzin.

Neue Ideen für die globale Umweltagenda

In diesem Sinne sollten nun zum einen nun 50 Jahre globaler Umweltpolitik gefeiert werden, zum anderen sollte das Treffen nach Angaben auch als Sprungbrett für die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und des Klimaabkommens von Paris dienen.

 

Neue konkrete Verpflichtungen und Beschlüsse wurden nicht erwartet. „Dies ist kein Treffen, das neue Ziele setzt, denn die Welt hat sich bereits ehrgeizige Ziele gesetzt“, sagte Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson. Zweck von Stockholm+50 sei vielmehr, dass nach der Konferenz mehr und dies schneller getan werde. Bei Stockholm+50 handele es sich um demnach um keine Konferenz, auf der Vereinbarungen verhandelt würden. Vielmehr ginge es darum, Ideen zusammenzubringen und die globale Umweltagenda voranzubringen.

Österreichs Delegation wurde in Stockholm auf Ersuchen von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler vom Vorarlberger Klima-Landesrat Daniel Zadra begleitet. „Die Ministerin ist aufgrund von wichtigen terminlichen Verpflichtungen in Österreich leider verhindert, jedoch ist es von eminenter praktischer wie symbolischer Bedeutung, dass Österreich in Stockholm nicht nur auf Beamt:innenebene, sondern auch durch einen politischen Verantwortungsträger repräsentiert ist. Deshalb freue ich mich, dass ich auf Ersuchen von Leonore Gewessler in Stockholm teilnehmen darf“, so Zadra.

Zudem sprach Zadra im Rahmen der Leadership Dialogues, in der er Österreichs Ziel der Klimaneutralität bis 2040 vorstellte und besonders den Umbau des Mobilitätssystems ins Zentrum seiner Ausführungen rückte.

„Antonio Guterres hat völlig recht“, nahm Zadra Bezug auf die Eröffnungsansprache des UN-Generalsekretärs: „Das Bruttoinlandsprodukt ist mittlerweile völlig ungeeignet, um Wohlstand zu messen.“ Guterres führte in seiner Rede zwei Beispiele an: Wenn man einen Wald abholze, erhöhe man das Bruttoinlandsprodukt. Wenn man einen Ozean leerfischt, erhöhe man ebenso das Bruttoinlandsprodukt. „Das muss aufhören und diesem flammenden Appell des UN-Generalsekretärs kann ich mich nur anschließen“, so Zadra.

In puncto Mobilitätswende hob er das österreichische Klimaticket hervor: „Nach 15 Jahren der Diskussion haben wir 2021 endlich ein nationales Klimaticket für den öffentlichen Verkehr eingeführt. Für nur drei Euro pro Tag können Sie jedes öffentliche Verkehrsmittel in ganz Österreich benutzen. Und der Erfolg gibt uns Recht.“ Der nächste Schritt müsse nun darin bestehen, die Kapazitäten der Busse und Züge zu erweitern. Dabei seien die Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU-Kommission eine große Hilfe. „Klar ist aber auch: Internationale Zusammenarbeit, gekoppelt mit lokalen und regionalen Maßnahmen, ist der einzige Weg, die vielen Krisen zu bewältigen, mit denen wir uns im Moment konfrontiert sehen.“

Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen sprach zur Eröffnung der Konferenz per Videoschalte im Plenum von Stockholm+50. Er bekräftigte Österreichs Entschlossenheit im Kampf gegen die Klimakrise und mahnte, „dass man jetzt handeln müsse und alle ihren Beitrag leisten müssten“. Er hob zudem mit dem Klimaticket, der ökosozialen Steuerreform samt CO2-Bepreisung, Plastikpfand und dem Biodiversitätsfonds die zuletzt in Österreich auf den Weg gebrachten Instrumente für mehr Klima- und Umweltschutz hervor.

Gut sechs Monate sind seit der 26. Weltklimakonferenz von Glasgow (COP26) vergangen, in knapp sechs weiteren Monaten folgt im ägyptischen Scharm el Scheich die nächste. Angesichts von Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskrise soll Stockholm+50 auf halbem Weg zwischen COP26 und COP27 eine Möglichkeit bieten, dringend notwendige Maßnahmen zu beschleunigen, um die Welt auf den Kurs der 2015 in Paris vereinbarten Klimaziele zu bringen – also die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Das Motto der Konferenz: „Ein gesunder Planet für den Wohlstand aller – unsere Verantwortung, unsere Chance.“

Der Weltklimarat IPCC hat jedoch unlängst einmal mehr klargemacht, dass das menschliche Handeln gegen den seit Jahrzehnten bekannten Klimawandel bei Weitem nicht ausreicht. Nur eine schnelle und drastische Senkung der Emissionen kann die Erderwärmung nach IPCC-Einschätzung noch auf maximal 1,5 Grad begrenzen.

Und nicht nur die Klimakrise tobt, auch das Artensterben beschleunigt sich, der Mensch lebt weiter nicht nachhaltig und produziert viel zu viel Müll. Man habe es somit mit einer dreifachen planetaren Krise zu tun, sagt die Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), Inger Andersen. Diese Krise werde von Jahrzehnten des nicht nachhaltigen Verbrauches von Ressourcen angetrieben, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sei so hoch wie seit über zwei Millionen Jahren nicht mehr. Man habe zudem nicht genug getan, um die am stärksten gefährdeten Gemeinschaften und Länder zu schützen.

UNEP-Chefin Andersen rief außerdem dazu auf, angesichts des Krieges in der Ukriane die anderen globalen Krisen nicht zu vergessen. „Die Welt muss lernen, mit mehreren Krisen fertig zu werden und nicht eine zugunsten einer anderen loszulassen“, sagte sie. Die Solidarität mit den Menschen, die unter Krieg litten, sei groß. Dies dürfe jedoch nicht bedeuten, dass man anderes außer Acht lassen könne.

Maßnahmen zum Schutz der Natur könnte Studien zufolge die Intensität klimabedingter Katastrophen um über ein Viertel verringern. Das geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Umweltschutzorganisation WWF und der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) hervor, der auf der in Stockholm stattfindenden UN-Umweltkonferenz Stockholm+50 vorgestellt werden soll.

Der Report untersuche, wie naturbasierte Lösungen die zerstörerische Wirkung von klimabedingten Katastrophen reduzieren können, teilte WWF mit. Dabei handelt es sich um Maßnahmen zum Schutz, zur nachhaltigen Bewirtschaftung und zur Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme, die sich positiv auf die Lebensgrundlage von Menschen, die Artenvielfalt und das Klima auswirken. Als ein Beispiel führte der WWF Mangrovenwälder an, die CO2 speichern, Sturmfluten abmildern und eine „Kinderstube für Meereslebewesen“ seien.

Mehr als 410.000 Menschen seien im vergangenen Jahrzehnt bei klimabedingten Naturkatastrophen wie Stürmen, Dürren oder Überschwemmungen ums Leben gekommen, der Großteil davon im Globalen Süden, teilte der WWF weiter mit. Neben dem menschlichen Leid seien die finanziellen Folgen, zum Beispiel für den Wiederaufbau der Infrastruktur, immens.

Die gemeinsam mit der IFRC erstellte Analyse zeige, dass effektiver Naturschutz bereits im Jahr 2030 Schäden im Wert von 104 Milliarden Dollar vermeiden kann, erklärte der WWF. Im Jahr 2050 könnten diese Maßnahmen sogar rund 393 Milliarden Dollar einsparen.

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