Kategorie Mobilität - 1. August 2023

Tempo 30 soll im Ortsgebiet erleichtert werden

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will es den Gemeinden erleichtern, innerorts Tempo 30 zu verhängen. In „besonders sensiblen Zonen“, also in der Nähe von Kindergärten oder Pflegeeinrichtungen, soll der Gemeinderat künftig selbst die Geschwindigkeitsgrenze festlegen können, im restlichen Ortsgebiet soll es deutlich leichter werden, kündigte Gewessler im APA-Interview an. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hat sie auch bereits dem Koalitionspartner übermittelt.

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Gewessler kommt damit dem Wunsch einer breiten Initiative der Mobilitätsorganisation VCÖ, des Städtebundes sowie über 200 Gemeinden und Städten nach. Diese hatte vor einigen Wochen darauf verwiesen, dass im Vorjahr in Österreich im Schnitt alle 20 Minuten ein Mensch bei einem Verkehrsunfall im Ortsgebiet verletzt worden ist. „Die aktuelle Straßenverkehrsordnung (StVO) behindert Gemeinden und Städte, wenn sie im Sinne der Verkehrssicherheit und örtlichen Lebensqualität Tempo 30 umsetzen möchten“, beklagte die Initiative, und forderte eine Reform.

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„Das ist mir wirklich ein großes Anliegen und deswegen haben wir auch im Ministerium alles daran gesetzt, dass wir da rasch vorankommen, und einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet“, erklärte Gewessler. „Weil es unsere Gemeinden lebenswerter macht, weil es unsere Straßen sicherer macht für die Kinder.“ Derzeit muss für eine derartige Geschwindigkeitsreduktion nachgewiesen werden, dass sie „erforderlich“ ist. Es müssen ein Sachverständiger bestellt und ein aufwändiges Gutachten erstellt werden.

„Da gibt es einen riesigen bürokratischen Aufwand, um überhaupt so eine Maßnahme einzuleiten. Und das wollen wir einfacher machen“, betonte Gewessler. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Gemeinderäte, die dort jeden Tag unterwegs seien, wüssten sehr genau, wo in ihrer Gemeinde Tempo 30 sinnvoll wäre, argumentiert die Ministerin.

Mehr Sicherheit, weniger Emissionen

Gewesslers Vorschlag sieht deshalb vor, dass es in „besonders sensiblen Zonen“ im Ortsgebiet – etwa bei Kindergärten, Schulen, Rathäusern oder Pflegeeinrichtungen – „keinen Nachweis mehr brauchen soll für eine Reduktion des Tempos“ und der Gemeinderat dies eigenständig verhängen kann. Für das restliche Ortsgebiet soll das Prozedere deutlich einfacher werden als jetzt. Mit diesem differenzierten Vorschlag dürften die Grünen der ÖVP ein wenig entgegengekommen sein, die zuletzt davon gesprochen hatte, dass es nicht um eine generelle Reduktion auf Tempo 30 gehe, sondern vor besonderen Einrichtungen für sehr schutzwürdige Personengruppen.

„Der Gesetzesvorschlag ist jetzt fertig, der ist jetzt auch in der regierungsinternen Koordinierung und ich bin überzeugt davon, dass wir hier auch rasch weiterkommen“, gab sich Gewessler zuversichtlich. Dass die ÖVP noch bremsen könnte, glaubt Gewessler nicht: „Wir haben mehr als 200 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem ganzen Land, die sagen: Ja, das wollen wir, ja, das brauchen wir – und zwar quer durch alle Parteien, also SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne. Die sagen, bitte gebt uns die Wahlfreiheit. Und ich glaube, es wird niemand was gegen mehr Wahlfreiheit haben.“

Der VCÖ liefert zur Initative pro Tempo 30 auch einige Zahlen: Das Risiko tödlicher Verletzungen für Gehende sinke bei Tempo 30 statt 50 um bis zu 75 Prozent. Außerdem bringe die niedrigere Geschwindigkeit einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss und weniger Beschleunigungsphasen. Laut einer Studie des deutschen Umweltbundesamts nehme das menschliche Ohr das niedrigere Tempo wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahr.

Zudem würden sich die Folgen für Autofahrende in Grenzen halten, so der VCÖ. Es dauere damit theoretisch nur 48 Sekunden länger, einen Kilometer zu fahren. In der Praxis sei der Unterschied noch geringer. Das würden erfolgreiche Beispiele wie in Graz, Teilen von Leoben oder der Tiroler Gemeinde Natters zeigen.

Ein geringeres Tempo verursacht zudem auch weniger klimaschädliche Emissionen, so ein weiteres Argument für eine Temporeduktion. Dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt, zeigte zuletzt auch eine Untersuchung europäischer Strecken durch Greenpeace, derzufolge Fliegen immer noch deutlich billiger ist als Zugfahren. Im Durchschnitt sind demnach Bahnreisen doppelt so teuer wie Flüge.

National habe man schon „viel gemacht“ für die Mobilitätswende, entgegnete Gewessler. Man investiere auf „Rekordniveau“ in den Bahnausbau, außerdem habe sie das Klimaticket umgesetzt, das den öffentlichen Verkehr deutlich billiger mache. Es handle sich allerdings auch um ein europäisches Thema, und auf dieser Ebene unterstütze man selbstverständlich Maßnahmen wie das Ende der Steuerbefreiung von Kerosin. „Das ist einfach ein unfairer Vorteil, den der Flugverkehr hat.“

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